Выбрать главу

Resigniert fuhren die Angestellten der Bankfiliale fort, ihre Tagesarbeit abzuschließen, um sich dann, falls nötig, den Revisoren helfend zur Verfügung zu stellen.

Hatte die Prüfung erst einmal begonnen, ging es die ganze folgende Woche damit weiter und noch einige Tage der übernächsten. Der eigentlich kritische Teil jedoch fand innerhalb der ersten Stunden statt.

»Ich schlage vor, daß Sie und ich jetzt an die Arbeit gehen, Mrs. D'Orsey«, sagte Burnside. »Wir fangen bei den Sparkonten an, bei den längerfristigen ebenso wie bei den sofort kündbaren.« Er stellte seine Aktentasche auf Edwinas Schreibtisch und klappte sie auf.

Gegen 20.00 Uhr hatte sich die Überraschung über die so unerwartet anberaumte Revision gelegt, ein bemerkenswertes Arbeitspensum war geschafft, und die Reihen der noch anwesenden Angestellten hatten sich gelichtet. Alle Kassierer waren gegangen, auch etliche Buchhalter. Das gesamte Bargeld war gezählt, die Inspektion der verschiedenen Bücher, Karten und Akten hatte gute Fortschritte gemacht. Die Gäste waren höflich aufgetreten und in einigen Fällen sogar hilfsbereit, indem sie auf den einen oder anderen kleinen Fehler hingewiesen hatten; das alles gehörte zu ihren Aufgaben.

Von den leitenden Angestellten waren Edwina, Tottenhoe und Miles Eastin in der Bank zurückgeblieben. Die beiden Männer waren vollauf damit beschäftigt gewesen, gewünschte Informationen zu beschaffen und Anfragen zu beantworten. Bei Tottenhoe machten sich inzwischen Anzeichen von Ermüdung bemerkbar. Der junge Eastin aber, der gut gelaunt und beflissen auf jede Bitte der Revisoren eingegangen war, wirkte so frisch und energisch wie zu Anfang des Abends. Miles Eastin organisierte auch Sandwiches und Kaffee für die Revisoren und die noch anwesenden Angestellten.

Von den verschiedenen Arbeitsgruppen der Revisoren konzentrierte sich ein kleines Team auf Spar- und Girokonten; ein Teamangehöriger erschien von Zeit zu Zeit beim Chefrevisor an Edwinas Schreibtisch und übergab ihm eine Aktennotiz. Jedesmal warf er einen Blick auf die Notiz, nickte und tat das Blatt zu anderen Papieren in seiner Aktentasche.

Um 20.50 Uhr übergab man ihm eine offenbar längere Notiz mit mehreren beigehefteten Schriftstücken. Dieses Mal las Burnside alles sehr aufmerksam durch und verkündete: »Ich glaube, Mrs. D'Orsey und ich legen jetzt eine Pause ein. Wir gehen irgendwohin und essen Abendbrot.«

Minuten später begleitete er Edwina durch dieselbe Glastür, durch die er und seine Revisoren vor fast drei Stunden das Haus betreten hatten.

Draußen auf der Straße sagte der Chefrevisor entschuldigend: »Tut mir leid, das war eben nur Theater! Ich fürchte, unser Abendbrot muß warten - wenn wir überhaupt dazu kommen.« Als Edwina ihn fragend ansah, fügte er hinzu: »Sie und ich werden jetzt an einer Sitzung teilnehmen, das brauchte aber niemand zu erfahren.«

Burnside wies den Weg. Sie wandten sich nach rechts, gingen die Straße einen halben Block weit hinunter, nahmen dann eine Fußgängerstraße zurück zur Rosselli Plaza und der Zentrale der FMA. Es war eine kalte Nacht, und Edwina wickelte sich fest in ihren Mantel ein. Durch den Tunnel, dachte sie, wäre es kürzer und wärmer gewesen. Warum diese Geheimniskrämerei?

Im Hauptverwaltungsgebäude angelangt, trug Hal Burnside sich in das Nacht-Gästebuch ein, dann geleitete ein Wächter sie zum Fahrstuhl und brachte sie in den elften Stock. Schild und Pfeil wiesen den Weg zur Sicherheitsabteilung. Dort warteten Nolan Wainwright und die beiden FBI-Männer, die den Bargeldverlust bearbeiteten, auf sie.

Fast im selben Augenblick gesellte sich ein Mitglied des Revisoren-Teams zu ihnen, das Edwina und Burnside vermutlich von der Bank hierher gefolgt war.

Rasch machten sich alle miteinander bekannt. Der zuletzt Eingetroffene war ein noch recht junger Mann namens Gayne, dessen kühle und wache Augen hinter einer dickrandigen Brille ihm ein strenges Aussehen verliehen. Gayne hatte auch die verschiedenen Aktennotizen und Dokumente zu Burnside gebracht, als der Chefrevisor an Edwinas Schreibtisch arbeitete.

Jetzt gingen sie auf Nolan Wainwrights Vorschlag in ein Konferenzzimmer und nahmen an einem runden Tisch Platz.

Hal Burnside wandte sich an die FBI-Agenten. »Ich hoffe, meine Herren, daß unsere Entdeckung es rechtfertigt, Sie zu dieser nächtlichen Stunde hergebeten zu haben.«

Dieses Treffen war offenbar schon vor etlichen Stunden geplant worden, schoß es Edwina durch den Kopf. »Sie haben also etwas entdeckt?« Es war weniger eine Frage als eine Feststellung.

»Leider sogar mehr als erwartet, Mrs. D'Orsey.«

Auf ein Kopfnicken von Burnside begann Revisionsassistent Gayne, Papiere auf dem Tisch auszubreiten.

»Auf Ihre Anregung hin«, begann Burnside im Tone eines Dozierenden, »wurden die persönlichen Bankkonten aller Angestellten der Cityfiliale überprüft, und zwar die Sparkonten sowie die Girokonten. Zweck unserer Suche war es, Hinweise auf etwaige individuelle finanzielle Schwierigkeiten zu finden. Wir haben schlüssige Hinweise dieser Art gefunden.«

Er redet wie ein Schulmeister, dachte Edwina. Aber sie hörte weiter gespannt zu.

»Ich sollte vielleicht erläuternd hinzufügen«, fuhr der Chefrevisor zu den beiden FBI-Männern gewandt fort, »daß die meisten Bankangestellten ihre persönlichen Konten bei der Filiale einrichten, in der sie arbeiten. Hauptsächlich, weil solche Konten gratis sind, das heißt, es werden keine Kontoführungsund Buchungsgebühren erhoben. Ein weiterer - und wichtigerer - Grund besteht darin, daß Angestellten bei Inanspruchnahme von Krediten ein besonders niedriger Zinssatz berechnet wird, der gewöhnlich um ein Prozent unter der Prime Rate liegt.«

Innes, der Ranghöhere der beiden FBI-Agenten, nickte. »Das ist uns bekannt.«

»Sie werden also auch verstehen, daß ein Angestellter, der seinen speziellen Bankkredit ausgenutzt hat - ja, ihn bis zur höchstmöglichen Grenze ausgeschöpft hat - und der darüber hinaus weitere Summen an anderer Stelle, etwa bei einer Finanzierungsgesellschaft, zu notorisch hohen Zinssätzen aufnimmt, sich in eine prekäre finanzielle Lage bringt.«

Innes sagte mit einem Hauch von Ungeduld: »Natürlich.«

»Allem Anschein nach sind wir auf einen Bankangestellten gestoßen, auf den das eben Gesagte genau zutrifft.« Er gab Gayne einen Wink, und der drehte jetzt mehrere entwertete Schecks um, die bisher mit der Oberseite nach unten auf dem Tisch gelegen hatten.

»Wie Sie bemerken, sind diese Schecks auf drei verschiedene Finanzierungsgesellschaften ausgestellt. Wir haben uns übrigens schon mit zwei dieser Gesellschaften telefonisch in Verbindung gesetzt und erfahren, daß beide Darlehenskonten, ungeachtet der Zahlungen, die, wie Sie sehen, erfolgt sind, erheblich mit ihren Raten im Rückstand sind. Es ist anzunehmen, daß uns die dritte Gesellschaft morgen früh eine ähnliche Geschichte erzählen wird.«

Gayne warf ein: »Und diese Schecks beziehen sich nur auf die Raten des laufenden Monats. Morgen werden wir uns die Mikrofilme über die erfolgten Kontoumsätze der zurückliegenden Monate ansehen.«

»Etwas Weiteres kommt noch hinzu«, fuhr der Chefrevisor fort. »Die betreffende Person hätte diese Zahlungen« - er zeigte auf die entwerteten Schecks - »auf keinen Fall auf der Grundlage eines Bankangestellten-Gehalts vornehmen können, dessen Höhe uns bekannt ist. Deshalb haben wir in den letzten Stunden nach Hinweisen auf einen Diebstahl innerhalb der Bank gesucht, und die haben wir jetzt gefunden.«

Wieder begann Gayne, der Assistent, neue Papiere auf den Konferenztisch zu legen.

... Hinweise auf einen Diebstahl innerhalb der Bank... jetzt gefunden. Edwina, die kaum noch zuhörte, starrte wie gebannt auf die Unterschrift auf den Scheckformularen - es war eine Unterschrift, die sie jeden Tag sah, die ihr vertraut war, kühn und klar in den Schriftzügen. Daß sie diese Unterschrift hier und jetzt sehen mußte, war ein Schock für sie.