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Der zweite FBI-Agent klappte sein Notizbuch zu und legte den Bleistift aus der Hand.

Innes sah Nolan Wainwright an. »Sie haben etwas Bestimmtes vor?«

»Ja.« Wainwright zögerte, wog verschiedene Möglichkeiten ab, rang mit seinem Gewissen. Seine Erfahrung sagte ihm, daß die gegen Eastin vorliegenden Beweise lückenhaft waren und daß diese Lücken ausgefüllt werden mußten. Um sie jedoch auszufüllen, mußte das Gesetz in einer Weise gehandhabt werden, die seinen eigenen Überzeugungen zuwiderlief. Er fragte den FBI-Mann: »Wollen Sie es wirklich wissen?«

Die beiden sahen einander in die Augen. Sie kannten sich seit Jahren und respektierten einander.

»Heutzutage Beweise zu beschaffen, ist eine knifflige Sache«, sagte Innes. »Früher hat man sich schon mal gewisse Freiheiten erlaubt, tut man das aber heute, kann man sich dabei verdammt in die Finger schneiden.«

Alle schwiegen, schließlich sagte der zweite FBI-Mann: »Sagen Sie zumindest so viel, wie wir Ihrer Meinung nach wissen sollten.«

Wainwright verhakte seine Finger ineinander und betrachtete sie. Die innere Anspannung, die sich vorhin aus seiner Stimme mitgeteilt hatte, schien jetzt seinen ganzen Körper erfaßt zu haben. »Okay, wir haben genug Beweise, um Eastin auf Diebstahl festzunageln. Sagen wir, bei der gestohlenen Summe handelt es sich um achttausend Dollar, vielleicht mehr, vielleicht weniger. Was wird er dafür vom Richter bekommen?«

»Wenn er nicht vorbestraft ist, kommt er mit Bewährung davon«, sagte Innes. »Um das Geld wird sich das Gericht wenig Gedanken machen. Die sind ganz bestimmt der Meinung, Banken hätten doch genug davon, und außerdem seien sie versichert.«

»Stimmt.« Wainwrights Finger spannten sich weiter an und knackten leise. »Aber wenn wir beweisen können, daß er auch das andere Geld genommen hat - die sechstausend vom Mittwoch, wenn wir nachweisen können, daß er den Verdacht auf das Mädchen lenken wollte und ihm das auch um ein Haar gelungen... «

Innes brummte zustimmend. »Wenn Sie das nachweisen könnten, würde jeder vernünftige Richter ihn prompt ins Gefängnis stecken. Aber können Sie es beweisen?«

»Ich habe es vor. Weil ich das Schwein hinter Gittern sehen möchte.«

»Ich verstehe«, sagte der FBI-Mann nachdenklich. »Mir geht es ebenso.«

»Dann lassen Sie mir freie Hand. Holen Sie Eastin heute nicht ab. Geben Sie mir bis morgen Zeit.«

»Ich weiß nicht«, sagte Innes. »Ich weiß nicht, ob das möglich ist.«

Keiner der drei sagte ein Wort; jeder war sich der Fakten, seiner Pflicht und seines Gewissenskonflikts bewußt. Die FBI-Männer ahnten ungefähr, was Wainwright im Sinne hatte. Aber wann und bis zu welchem Ausmaß durfte der Zweck die Mittel heiligen? Anders ausgedrückt: Welche Freiheiten durfte sich heute ein Fahndungsbeamter herausnehmen, um gerade noch damit durchzukommen?

Doch die FBI-Männer hatten lange genug in dem Fall ermittelt, um sich engagiert zu haben, und sie teilten Wainwrights Zielvorstellungen.

»Wenn wir wirklich bis morgen früh warten«, sagte der zweite Agent mit einem warnenden Unterton, »dann möchten wir auf keinen Fall erleben, daß Eastin getürmt ist. Das könnte für alle Beteiligten erheblichen Ärger bedeuten.«

»Und Tomaten mit Druckstellen mag ich auch nicht«, sagte Innes bedeutungsvoll.

»Er wird nicht türmen. Er wird auch keine Druckstellen haben. Das garantiere ich Ihnen.«

Innes sah seinen Kollegen an; der zuckte die Achseln.

»Also gut«, sagte Innes. »Dann bis morgen früh. Aber merken Sie sich eins, Nolan - dieses Gespräch hat nie stattgefunden.« Er ging zur Tür des Konferenzraumes hinüber und öffnete sie. »Sie können hereinkommen, Mr. Gayne. Mr. Wainwright verläßt uns, und wir können jetzt Ihre Aussage zu Protokoll nehmen.«

14

Aus einer Angestelltenliste sämtlicher Bankfilialen, die für Notfälle in der Sicherheitsabteilung aufbewahrt wurde, ging Miles Eastins Privatadresse und Telefonnummer hervor. Nolan Wainwright notierte sich beides.

Er kannte die Gegend. Ein Wohnviertel für Leute mittleren Einkommens, ungefähr drei Kilometer vom Zentrum entfernt. Eastin bewohnte das »Apartment 2G«.

Der Sicherheitschef verließ das Gebäude der Bankzentrale und wählte von einer Telefonzelle auf der Rosselli Plaza aus die Nummer. Am anderen Ende läutete es, aber niemand nahm ab. Er wußte inzwischen, daß Miles Eastin Junggeselle war. Wainwright hoffte nur, daß er das Apartment auch allein bewohnte.

Hätte sich jemand gemeldet, dann hätte Wainwright irgend etwas von einer falschen Nummer gemurmelt und seine Pläne revidiert. So aber ging er zu seinem Wagen, der in der Kellergarage der Zentrale geparkt war.

Bevor er die Garage verließ, holte er ein flaches Wildlederetui aus dem Kofferraum des Wagens und steckte es in eine Innentasche seines Jacketts. Dann machte er sich auf die Fahrt durch die Innenstadt.

Gemächlich schlenderte er auf das Apartmenthaus zu und prägte sich dabei alle Einzelheiten ein. Es war ein zweistöckiger Bau, wahrscheinlich vor vierzig Jahren gebaut, und seither schien nicht viel daran gemacht worden zu sein. Er mochte zwei Dutzend Wohnungen enthalten. Ein Portier war nirgends zu sehen. Im Hausflur konnte Nolan eine entsprechende Anzahl von Hausbriefkästen und Klingelknöpfen erkennen. Doppelte Glastüren führten von der Straße in den Hausflur; dahinter befand sich eine massivere Tür, die wahrscheinlich verschlossen war.

Es war 22.30 Uhr. Auf der Straße herrschte kaum Verkehr. Fußgänger waren nicht zu sehen. Er ging hinein.

Neben den in Dreierreihen angebrachten Briefkästen befanden sich die dazugehörigen Summer und eine Sprechanlage. Wainwright fand den Namen »Eastin« und drückte den Knopf. Wie erwartet, passierte gar nichts.

Das Apartment 2G befand sich wahrscheinlich im ersten Stock. Wainwright suchte irgendeinen Klingelknopf mit der Vorzahl 3 und drückte ihn. Eine blecherne Männerstimme kam aus dem Lautsprecher. »Ja, wer ist da?«

Der Name neben dem Knopf lautete Appleby.

»Western Union«, sagte Wainwright. »Telegramm für Appleby.«

»Okay, kommen Sie rauf.«

Hinter der schweren Innentür summte es, ein Schloß schnappte auf. Wainwright stieß die Tür auf und ging rasch hinein.

Unmittelbar vor sich sah er einen Fahrstuhl, den er ignorierte. Er wendete sich rechts zur Treppe, und zwei Stufen auf einmal nehmend, erreichte er den ersten Stock.

Unterwegs dachte Wainwright über die erstaunliche Harmlosigkeit der Leute im allgemeinen nach. Er hoffte, daß Mr. Appleby, wer immer das sein mochte, nicht allzu lange auf sein Telegramm wartete. In dieser Nacht würde Mr. Appleby nichts weiter passieren, als daß er sich wunderte, vielleicht auch ärgerte. Es hätte ihm viel übler mitgespielt werden können. Aber überall verhielten sich Mieter so wie er, trotz wiederholter Warnungen. Es war natürlich nicht auszuschließen, daß Appleby Verdacht schöpfte und die Polizei anrief, aber Wainwright bezweifelte es. Außerdem brauchte er nur noch ein paar Minuten, dann konnte es ihm egal sein.

Das Apartment 2G befand sich fast am Ende des Korridors im ersten Stock, und das Schloß erwies sich als unkompliziert. Wainwright probierte eine Reihe dünner Klingen aus dem mitgebrachten Lederetui aus, und beim vierten Versuch drehte sich der Zylinder des Schlosses. Die Tür sprang auf, er trat ein und machte die Tür hinter sich wieder zu.

Er wartete, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, dann ging er zum Fenster und zog die Vorhänge zu. Er fand einen Lichtschalter und knipste ihn an.

Die Wohnung war klein, auf eine Person zugeschnitten; sie bestand nur aus einem Zimmer: Der Wohn- und Eßteil war mit einem Sofa, einem Sessel, einem tragbaren Fernsehgerät und einem Eßtisch möbliert. Hinter einer Art Zwischenwand stand ein Bett; die Küchenecke war durch eine durchbrochene Falttür von dem übrigen Raum abgetrennt. Zwei andere Türen, die Wainwright entdeckte, führten in ein Bad und eine Abstellkammer. Die Wohnung war ordentlich und sauber. Mehrere Bücherregale und ein paar gerahmte Drucke gaben ihr die persönliche Note.