»Weiter.« Wainwright ließ nicht locker, sein Finger blieb auf der Seite, und er preßte ihn fest auf das Papier.
Die Antworten kamen langsam. Bei manchen Eintragungen ging es auch um Korbball. Ein paar Wetten standen auf der Haben-Seite, aber die Verluste überwogen. Der Mindesteinsatz waren hundert Dollar, der höchste dreihundert.
»Haben Sie allein gewettet oder in einer Gruppe?«
»In einer Gruppe.«
»Wer war dabei?«
»Vier andere Jungs. Arbeiten auch. Wie ich.«
»Arbeiten sie in der Bank?«
Eastin schüttelte den Kopf. »Woanders.«
»Haben die auch verloren?«
»Etwas. Aber sie lagen im Durchschnitt besser als ich.«
»Die Namen der vier anderen.«
Keine Antwort. Wainwright überging es.
»Keine Pferdewetten dabei. Warum nicht?«
»Wir haben uns geeinigt. Weiß doch jeder, daß Pferderennen frisiert werden. Football und Korbball sind sauber. Wir haben ein System ausgearbeitet. Bei sauberen Spielen, dachten wir, können wir mit Gewinnen rechnen.«
Die Summe der Verluste zeigte, wie katastrophal falsch diese Hoffnung gewesen war.
»Haben Sie immer beim selben Buchmacher gesetzt?«
»Ja.«
»Sein Name?«
Eastin blieb stumm.
»Das übrige Geld, das Sie der Bank gestohlen haben - wo ist es?«
Der junge Mann zog die Mundwinkel herab. »Futsch«, antwortete er kläglich.
»Anderes auch?«
Ein zustimmendes, verzweifeltes Kopfnicken.
»Damit befassen wir uns später. Jetzt reden wir über das Geld.« Wainwright berührte die sechstausend Dollar, die zwischen ihnen lagen. »Wir wissen, daß Sie es am Mittwoch genommen haben. Wie?«
Eastin zögerte, dann zuckte er die Achseln. »Jetzt kann ich's Ihnen ja wohl sagen.«
Mit Schärfe sagte Wainwright: »Sie liegen absolut richtig, aber Sie vertrödeln unsere Zeit.«
»Am Mittwoch«, sagte Eastin, »fehlten Leute mit Grippe. Ich bin als Kassierer eingesprungen.«
»Weiß ich. Sagen Sie endlich, was dann passiert ist.«
»Vor Beginn der Schalterstunden bin ich in den Tresorraum gegangen, um mir einen Bargeldwagen zu holen - einen von den Reservewagen. Juanita Nünez war auch da. Sie schloß ihren Wagen auf. Ich habe genau neben ihr gestanden. Ohne daß Juanita was merkte, habe ich sie beobachtet, als sie ihre Kombination einstellte.«
»Und?«
»Ich habe mir die Zahlen gemerkt. Sobald ich konnte, habe ich sie aufgeschrieben.«
Wainwright gab die Stichworte, und das Bild begann sich zu runden.
Die Cityfiliale hatte einen sehr großen, gepanzerten Tresorraum. Tagsüber arbeitete ein Tresorraum-Kassierer in einer Art Käfig unmittelbar hinter der schweren, mit einem Zeitschloß versehenen Panzertür. Dieser Kassierer hatte fast ununterbrochen zu tun, er zählte Banknoten, gab Bündel davon aus oder nahm andere Bündel entgegen, er registrierte Kassierer und ihre Geldwagen, die hereinkamen oder die Stahlkammer verließen. Niemand konnte den Tresorraum-Kassierer passieren, ohne daß er ihn sah, aber war man erst einmal in der Tresoranlage, kümmerte er sich kaum noch um einen.
An dem Morgen gab Miles Eastin sich gut gelaunt und fröhlich wie immer, aber er war in verzweifelter Geldnot. Er hatte in der Vorwoche schwere Wettverluste hingenommen, und man drängte ihn, endlich die Schulden zu bezahlen.
Wainwright unterbrach: »Sie hatten schon einen Angestelltenkredit bekommen. Sie hatten Schulden bei Finanzierungsgesellschaften. Auch beim Buchmacher. Stimmt's?«
»Stimmt.«
»Hatten Sie noch andere Schulden?«
Eastin nickte.
»Bei einem Geldverleiher? Einem Kredithai?«
Der jüngere Mann zögerte, dann gab er zu: »Ja.«
»Hat der Kerl Ihnen gedroht?«
Miles Eastin feuchtete die Lippen an. »Ja. Der Buchmacher auch. Beide drohen mir auch jetzt noch.« Seine Augen wanderten zu den sechstausend Dollar.
Das Puzzle hatte sich zum erkennbaren Bild zusammengefügt. Wainwright zeigte auf die Banknoten. »Sie haben dem Kredithai und dem Buchmacher versprochen, ihnen das da zu geben?«
»Ja.«
»Wieviel jedem?«
»Dreitausend.«
»Wann?«
»Morgen.« Eastin warf einen nervösen Blick auf die Uhr an der Wand und korrigierte sich. »Heute.«
Wainwright sagte: »Kommen wir zum Mittwoch zurück. Sie kannten also die Kombination vom Geldwagen Ihrer Kollegin Nunez. Was haben Sie damit angefangen?«
Miles Eastin schilderte die Einzelheiten, und es war alles ganz unglaublich einfach. Nach der Arbeit des Vormittags nahm er seine Mittagspause zur gleichen Zeit wie Juanita Nunez. Bevor sie zum Essen gingen, schoben sie beide ihren Geldwagen in den Tresorraum. Die beiden Bargeldwagen blieben nebeneinander stehen, beide vorschriftsmäßig verschlossen.
Eastin kehrte früher als üblich vom Essen zurück und ging in den Tresorraum. Der Kassierer dort registrierte ihn und setzte dann seine Arbeit fort. Niemand sonst befand sich im Tresorraum.
Miles Eastin trat sofort an Juanita Nunez' Geldwagen und öffnete das Fach mit der Kombination, die er sich notiert hatte. Es dauerte nur Sekunden, um drei Päckchen Banknoten im Gesamtwert von sechstausend Dollar herauszunehmen, das Fach zuzumachen und wieder zu verschließen. Er ließ die Banknotenbündel in die Innentaschen seines Jacketts gleiten; es zeigte sich kaum eine Ausbuchtung. Er schob dann seinen eigenen Kassenwagen hinaus, ließ sich an der Panzertür ordnungsgemäß registrieren und kehrte an die Arbeit zurück.
Es trat Stille ein. Dann sagte Wainwright: »Während also am Nachmittag die Vernehmung im Gange war - zum Teil von Ihnen selbst geführt - und während Sie und ich dann später, am Mittwoch abend, miteinander sprachen - da hatten Sie die ganze Zeit das Geld bei sich?«
»Ja«, sagte Miles Eastin. Als er daran dachte, wie einfach das alles gewesen war, spielte ein leichtes Lächeln um seinen Mund.
Wainwright bemerkte das Lächeln. Ohne zu zögern, beugte er sich vor, und in einer einzigen ausholenden Bewegung schlug er Eastin rechts und links ins Gesicht. Den ersten Schlag führte er mit der offenen Handfläche aus, den zweiten mit dem Handrücken - mit solcher Gewalt, daß ihn die Hand schmerzte. Auf Miles Eastins Gesicht entstanden zwei hellrote Striemen. Er zuckte auf dem Sofa zurück und blinzelte, während ihm Tränen in die Augen schossen.
Ingrimmig sagte der Sicherheitschef: »Damit Sie wissen, daß ich es nicht komisch finde, was Sie der Bank und Mrs. Nünez angetan haben. Nicht die Spur komisch.« Etwas anderes hatte er soeben entdeckt. Er hatte entdeckt, daß Miles Eastin sich vor physischer Gewaltanwendung fürchtete.
Er bemerkte, daß es 1.00 Uhr war.
»Der nächste Punkt der Tagesordnung«, verkündete Nolan Wainwright, »ist eine schriftliche Erklärung. In Ihrer eigenen Handschrift und mit allen Einzelheiten, die Sie mir eben mitgeteilt haben.«
»Nein! Das mache ich nicht!« Eastin begann, vorsichtig zu werden.
Wainwright zuckte die Achseln. »In diesem Falle hat es keinen Sinn, daß ich noch länger hierbleibe.« Er griff nach den sechstausend Dollar und begann, sie sich in die Taschen zu stopfen.
»Das können Sie nicht machen!«
»Ach nein? Dann versuchen Sie, mich daran zu hindern. Ich bringe das Geld wieder zur Bank - in das Nachtschließfach.«
»Hören Sie! - Sie können nicht beweisen...« Der jüngere Mann zögerte. Er dachte jetzt nach, ihm fiel ein, daß die Seriennummern der Geldscheine nie irgendwo verzeichnet worden waren.
»Vielleicht kann ich beweisen, daß es sich um dasselbe Geld handelt, das am Mittwoch gestohlen worden ist; vielleicht auch nicht. Wenn nicht, können Sie ja jederzeit die Bank auf Herausgabe des Geldes verklagen.«
Eastin sagte flehentlich: »Ich brauche es jetzt! Heute!«
»Aber ja doch, etwas für den Buchmacher und etwas für den Herrn Geldverleiher. Oder vielmehr für die Gorillas, die sie zum Kassieren zu Ihnen schicken werden. Aber da können Sie denen doch ganz einfach erklären, wie Ihnen das Geld abhanden gekommen ist, und ich bin sicher, man wird Mitgefühl haben.« Zum ersten Mal betrachtete der Sicherheitschef Eastin mit einer gewissen sarkastischen Belustigung. »Sie sitzen wirklich in der Tinte. Vielleicht kommen die zur selben Zeit. Dann wird Ihnen jeder einen Arm und ein Bein brechen. Die neigen zu solchen Scherzen. Oder wußten Sie das nicht?«