Ich freue mich, daß Roscoe dieses Thema angeschnitten hat, denn es gibt mir Gelegenheit, mich ausdrücklich hier zum Prinzip der Ertragssteigerung zu bekennen. Dito zu Freiheit, Demokratie, Liebe und Mutterschaft.«
Irgend jemand kicherte. Alex lächelte ungezwungen. Er schob den Stuhl etwas weiter zurück, um sich einen oder zwei Schritte Bewegungsfreiheit zu verschaffen.
»Noch etwas zur Ertragssteigerung in der FMA: Ich meine, hier müßten drastische Maßnahmen ergriffen werden. Doch später darüber mehr.
Im Augenblick möchte ich über gewisse prinzipielle Dinge sprechen, zu denen ich mich bekenne: Die Zivilisation hat sich in diesem Jahrzehnt bedeutungsvoller und rascher verändert als zu irgendeiner anderen Zeit seit der industriellen Revolution. Wir erleben zur Zeit eine neue Revolution, eine soziale Revolution des Gewissens und des Verhaltens.
Ich bin im Gegensatz zu anderen froh darüber. Doch ob sie einem zusagt oder nicht, sie ist da; sie existiert; sie wird sich weder zurückentwickeln, noch wird sie sich aufhalten lassen.
Denn die treibende Kraft hinter dieser Entwicklung ist die Entschlossenheit einer Mehrheit der Menschen, die Qualität des Lebens zu verbessern, der Ausbeutung unserer Umwelt Einhalt zu gebieten und zu bewahren, was von den Schätzen aller Art noch vorhanden ist. Aus diesem Grunde werden von Industrie und Gewerbe neue Maßstäbe gefordert, und der Name des neuen Spiels lautet >korporative soziale Verantwortung« Mehr noch, die Menschen sind dabei, höhere Maßstäbe der Verantwortung zu setzen, ohne daß es zu einer erheblichen Gewinneinbuße kommt.«
Alex bewegte sich rastlos in dem begrenzten Raum hinter dem Direktoriumstisch. Er fragte sich, ob er direkt auf eine weitere Herausforderung von Heyward eingehen sollte, dann entschied er sich: Ja.
»Zu dem Thema Verantwortung und Anteilnahme griff Roscoe das Beispiel seiner Kirche auf. Er sagte uns, daß diejenigen, die - wie er sich ausdrückte - >die Kontrolle wieder in die Hand genommen habenc, sich zurückziehen und eine Politik der Nichtbeteiligung propagieren. Nun, meiner Meinung nach marschieren Roscoe und seine Kirchenmänner entschlossen rückwärts. Ihre Einstellung hilft weder dem Christentum noch dem Bankgeschäft.«
Heyward richtete sich kerzengerade auf. Er protestierte: »Wir wollen hier doch nicht persönlich werden, außerdem ist das eine falsche Interpretation.«
Alex sagte ruhig: »Das bezweifle ich - beides.«
Harold Austin klopfte scharf mit den Knöcheln auf den Tisch. »Herr Vorsitzender, ich protestiere dagegen, daß Alex sich auf die Ebene des Persönlichen begibt.«
»Roscoe hat seine Kirche hier hereingeschleppt«, sagte Alex. »Ich kommentiere nur.«
»Das sollten Sie lieber bleiben lassen.« Die Stimme Philip Johannsens, des Präsidenten der MidContinent Rubber, fuhr schneidend dazwischen. »Sonst könnten wir auf den Gedanken kommen, Sie beide nach der Gesellschaft zu beurteilen, in der Sie sich bewegen; da lägen dann Roscoe und seine Kirche sehr weit vorn.«
Alex lief rot an. »Darf ich fragen, was Sie damit sagen wollen?«
Johannsen zuckte die Achseln. »Nach allem, was ich höre, haben Sie sich, in Abwesenheit Ihrer Frau, an eine Linksaktivistin angeschlossen. Vielleicht ist das der Grund, warum Sie diese Vorliebe fürs Engagement haben.«
Jerome Patterton hämmerte auf den Tisch, dieses Mal mit Macht. »Das genügt, meine Herren. Als Vorsitzender untersage ich alle weiteren Anspielungen dieser Art, von beiden Seiten.«
Johannsen lächelte zufrieden. Trotz der Zurechtweisung hatte er seine Pointe angebracht.
Alex Vandervoort kochte. Er überlegte, ob er in aller Entschiedenheit erklären sollte, daß sein Privatleben seine eigene Angelegenheit sei, besann sich dann aber anders. Das mochte sich später einmal als erforderlich erweisen. Nicht jetzt. Er erkannte, daß es ein Fehler gewesen war, auf Heywards Kirchenbeispiel einzugehen.
»Ich möchte auf meine ursprüngliche Frage zurückkommen«, fuhr er fort, »wie können wir als Banker es uns leisten, diesen Wandel der Szene einfach zu ignorieren? Wir wären nicht anders als ein Mann, der in einem schweren Sturm steht und einfach so tut, als existiere der Wind nicht.
Allein aus pragmatischen, finanziellen Gründen dürfen wir uns nicht abseits stellen. Wir alle, die wir hier an diesem Tisch versammelt sind, wissen aus persönlicher Erfahrung, daß man geschäftlichen Erfolg niemals dadurch erzielt, daß man den Wandel nicht zur Kenntnis nimmt, sondern einzig und allein dadurch, daß man ihn rechtzeitig kommen sieht und sich darauf einstellt. Als Hüter des Geldes, mit einem Gespür für die Wetterumschläge des Investitionsklimas ausgerüstet, werden wir deshalb am meisten profitieren, wenn wir jetzt zuhören, aufmerken und uns auf neue Gegebenheiten einstellen.«
Er spürte, daß seine Eröffnungssätze, abgesehen von dem Ausrutscher, der ihm gerade unterlaufen war, durch ihren Akzent auf dem Praktischen die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer erregt hatten. Fast alle Mitglieder des Direktoriums, die der Bank selbst nicht angehörten, hatten schon ihre Erfahrungen mit Gesetzen zum Umweltschutz, zum Verbraucherschutz, über wahrheitsgemäße Werbung, über die Förderung der Beschäftigung von Minderheiten und über die Gleichberechtigung der Frau gesammelt. Oft waren derartige Gesetze gegen den heftigen Widerstand von Gesellschaften verabschiedet worden, an deren Spitze hier anwesende Direktoren standen. Waren diese Gesetze aber erst einmal in Kraft, dann hatten dieselben Gesellschaften es gelernt, mit den neuen Maßstäben zu leben, und stolz posaunten sie dann ihren Beitrag zum Gemeinwohl in die Welt hinaus. Einige, wie Leonard Kingswood zum Beispiel, hatten daraus den Schluß gezogen, daß korporative Verantwortung gut für das Geschäft ist, und sie hatten sich deshalb mit Nachdruck dazu bekannt.
»Es gibt vierzehntausend Banken in den Vereinigten Staaten«, rief Alex den FMA-Direktoren ins Bewußtsein zurück, »und sie üben durch die Vergabe von Krediten eine enorme wirtschaftliche Macht aus. Ich meine, diese Macht sollte bei der
Gewährung von Krediten an Industrie und Handel auch mit Verantwortung unsererseits gekoppelt sein. Ich meine, zu den Kriterien der Kreditwürdigkeit sollte auch das Niveau des öffentlichen Verhaltens unserer Geldnehmer gehören! Wenn eine Fabrik finanziert werden soll - wird sie die Umwelt verschmutzen? Wenn ein neues Produkt entwickelt werden soll - wird es den Sicherheitsanforderungen genügen? Wie hält es die Firma mit der Wahrheit in der Werbung? Haben wir zu entscheiden, ob wir der Gesellschaft A oder der Gesellschaft B einen Kredit gewähren - welche der beiden ist freier von Rassendiskriminierung?«
Er beugte sich vor, um nacheinander jedem Direktoriumsmitglied an dem großen ovalen Tisch in die Augen zu sehen.
»Es stimmt, diese Fragen werden jetzt nicht immer gestellt, und wenn sie gestellt werden, wird nicht immer der Antwort entsprechend gehandelt. Aber Großbanken fangen an, und sie beweisen damit ihren guten Gemeinsinn, diese Fragen zu stellen
- ein Beispiel, das die FMA nachahmen sollte, wenn sie gut beraten ist. Denn genauso, wie es hohe Dividenden abwerfen kann, wenn ein Unternehmen die Führungsposition in seiner Branche innehat, genauso wird es sich für eine Großbank auszahlen, wenn sie sich wegweisend an die Spitze stellt.
Nicht weniger wichtig ist die Einsicht: Es ist besser, diese Dinge jetzt freiwillig zu tun, als sie sich später durch Gesetz und Vorschrift aufzwingen zu lassen.«
Alex machte eine Pause, entfernte sich einen Schritt vom Tisch, um gleich darauf herumzufahren und zu fragen: »Auf welchem anderen Gebiet sollte unsere Bank korporative Verantwortung übernehmen?