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Für Alex hatte die Erwähnung Celias die Traurigkeit des Augenblicks noch vertieft; außerdem empfand er sie schuldbewußt als Mahnung, daß er sie bald wieder besuchen sollte. Seit dem deprimierenden Gespräch im Pflegeheim Anfang Oktober war er noch einmal dort gewesen, aber Celia hatte sich noch weiter in sich selbst zurückgezogen; sie hatte nicht durch das leiseste Zeichen zu erkennen gegeben, daß sie ihn wahrnahm, und hatte die ganze Zeit lautlos vor sich hin geweint. Noch Tage später war er niedergeschlagen, und es graute ihm vor einer Wiederholung dieses Erlebnisses.

Ihm kam der Gedanke, daß Ben Rosselli da vorn in seinem Sarg besser daran war als Celia, denn sein Leben hatte ein schlüssiges Ende gefunden. Wenn Celia doch sterben würde... Voller Scham erstickte Alex den Gedanken in sich.

Auch zwischen ihm und Margot hatte sich nichts Neues ereignet. Sie blieb eisern gegen eine Scheidung eingestellt, jedenfalls so lange, bis eindeutig feststand, daß Celia nicht mehr davon berührt werden würde. Margot schien bereit, ihr Arrangement unbegrenzt fortzusetzen. Alex hatte sich noch nicht damit abgefunden.

Zu Edwina gewandt sagte Lewis: »Ich wollte dich schon längst fragen, was aus eurem jungen Assistenten geworden ist. Du weißt doch, der bei euch in die Kasse gelangt hat. Wie hieß er doch noch?«

»Miles Eastin«, antwortete Edwina. »Er muß nächste Woche vor Gericht erscheinen, und ich soll als Zeugin aussagen. Schön ist das nicht.«

»Wenigstens hat's den Richtigen erwischt«, sagte Alex. Er hatte den Bericht des Chefrevisors über die Unterschlagung und den Bargeldverlust gelesen; auch den Bericht von Nolan Wainwright kannte er. »Was ist eigentlich aus der Kassiererin geworden - Mrs. Nunez? Ist mit ihr alles in Ordnung?«

»Es scheint so. Ich fürchte, wir haben ihr ganz schön zugesetzt, und zu Unrecht, wie sich gezeigt hat.«

Margot, die nur halb zugehört hatte, merkte auf. »Ich kenne eine Juanita Nunez. Nette junge Frau, wohnt in Forum East. Ich glaube, ihr Mann hat sie sitzenlassen. Sie hat ein Kind.«

»Das scheint unsere Mrs. Nunez zu sein«, sagte Edwina. »Ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Sie wohnt in Forum East.«

Obwohl Margots Neugier erwacht war, spürte sie, daß jetzt nicht der rechte Augenblick für weitere Fragen war.

Während sie schweigend dasaßen, hing Edwina ihren Gedanken nach. Die beiden Ereignisse der letzten Zeit - Ben Rossellis Tod und Miles Eastins törichte Zerstörung seines eigenen Lebens - waren zu dicht aufeinander gefolgt. Betroffen waren in beiden Fällen Menschen, die sie gern mochte, und es erfüllte sie mit Trauer.

Bens Tod, meinte sie, sollte sie wohl näher berühren; ihm verdankte sie viel. Ihren raschen Aufstieg in der Bank verdankte sie zwar ihrer eigenen Tüchtigkeit, aber Ben hatte nie - wie viele andere Arbeitgeber - gezögert, einer Frau die gleichen Chancen einzuräumen wie einem Mann. Heutzutage war Edwina das ewige Geschrei der Women's Lib zuwider. Ihrer Meinung nach wurden Frauen im Geschäftsleben wegen ihres Geschlechts bevorzugt, was ihnen im Konkurrenzkampf Vorteile verlieh, die Edwina weder gesucht noch gebraucht hatte. Aber dennoch war Ben in all den Jahren, die sie ihn gekannt hatte, die lebende Garantie für gleichberechtigte Behandlung.

Ebenso wie Alex waren auch Edwina in der Kathedrale die Tränen in die Augen gestiegen, als Bens sterbliche Reste auf ihrem letzten Weg vorübergetragen wurden.

Ihre Gedanken schweiften zu Miles zurück. Er war wohl noch jung genug, dachte sie, um sich ein neues Leben aufzubauen, aber leicht würde das nicht sein. Keine Bank würde ihn je anstellen; und nie würde ihm jemand wieder eine Vertrauensstelle geben. Trotz seiner Tat hoffte sie, daß man ihn nicht ins Gefängnis stecken würde.

Laut sagte Edwina: »Ich fühle mich immer irgendwie schuldbewußt, wenn ich bei einer Beerdigung von anderen Dingen rede.«

»Völlig unnötig«, sagte Lewis. »Ich jedenfalls wünsche mir, daß bei meiner Beerdigung einmal etwas Vernünftiges geredet

wird und nicht nur dummes Geschwätz.«

»Dafür kannst du ja selber rechtzeitig sorgen«, schlug Margot vor, »indem du eine Abschiedsnummer von The D'Orsey Newsletter herausgibst. Die Leichenträger könnten die Briefe an die Trauergäste verteilen.«

Lewis strahlte. »Vielleicht tue ich das.«

Der Trauerzug begann sich jetzt zielbewußter zu bewegen. Die Motorradeskorte an der Spitze hatte ihre Motoren auf Touren gebracht und fuhr an; zwei Beamte schossen voraus, um den Verkehr an Kreuzungen anzuhalten. Die anderen Fahrzeuge gewannen an Tempo, und Augenblicke später ließ der Zug die Kathedrale hinter sich und rollte durch die Straßen der Stadt.

Der angekündigte Schnee setzte jetzt leicht ein.

»Mir gefällt Margots Idee«, sann Lewis. »Ein >Bon Voyage Bulletin« Und eine Schlagzeile habe ich auch schon. >Beerdigt den US-Dollar zusammen mit mir! Es ist auch höchste Zeit - er ist tot und erledigt« In dem Artikel, der dann folgt, werde ich für die Schaffung einer neuen Währungseinheit plädieren, die den Dollar ersetzt - den >US-D'Orsey<. Der basiert natürlich auf Gold. Und wenn er erst einmal eingeführt ist, wird der Rest der Welt hoffentlich Vernunft annehmen und es ebenso machen.«

»Dann wirst du zum Denkmal für den Rückschritt werden«, sagte Margot, »und auf allen Abbildungen darfst du nur mit rückwärts gewandtem Blick gezeigt werden. Beim Goldstandard würde eine noch kleinere Clique als jetzt den Hauptteil des Reichtums der Welt unter sich aufteilen, und die ganze übrige Menschheit säße mit nackten Ärschen da.«

Lewis zog eine Grimasse. »Gräßliche Aussichten - jedenfalls letztere. Aber für ein stabiles Geldsystem wäre vielleicht selbst dieser Preis nicht zu hoch.«

»Und warum das?«

»Weil immer dann, wenn Währungssysteme zusammenbrechen, wie es im Augenblick geschieht«, erklärte Lewis, »es stets die Armen sind, die am meisten darunter zu leiden haben.«

Alex, der auf einem Klappsitz vor den anderen drei saß, drehte sich halb um, um an der Unterhaltung teilzunehmen. »Lewis, ich versuche objektiv zu sein, und manchmal ist Ihre Schwarzseherei, was den Dollar und das Geldsystem betrifft, tatsächlich angebracht. Aber Ihren totalen Pessimismus kann ich nicht teilen. Der Dollar wird sich eines Tages wieder erholen. Ich kann nicht glauben, daß alles Monetäre einfach auseinanderfällt.«

»Das kommt, weil Sie es nicht glauben wollen«, erwiderte Lewis. »Sie sind ein Banker. Bricht das Geldsystem zusammen, sind Sie mitsamt Ihrer Bank aus dem Geschäft. Sie könnten das wertlose Papiergeld dann nur noch als Tapetenersatz oder als Toilettenpapier verkaufen.«

Margot sagte: »Ach, nun mach aber mal Schluß!«

Edwina seufzte. »Du weißt doch, daß es immer passiert, wenn du ihn provozierst, warum tust du's also?«

»Das stimmt nicht!« sagte ihr Mann eigensinnig. »Bei allem Respekt, meine Liebe, möchte ich darauf bestehen, ernstgenommen zu werden. Ich brauche keine Toleranz, und ich will auch keine.«

»Was willst du dann?« erkundigte sich Margot.

»Ich will, daß man der Wahrheit ins Auge sieht und anerkennt, daß Amerika sein eigenes Geldsystem und das der ganzen Welt durch Politik, Gier und Verschuldung ruiniert hat. Ich will die klare Erkenntnis, daß Nationen ebenso Bankrott machen können wie einzelne Menschen und Gesellschaften. Ich will die Einsicht, daß die Vereinigten Staaten kurz vor dem Bankrott stehen, weil es - weiß Gott! - genügend Beispiele in der Geschichte gibt, die uns zeigen, wie und warum so etwas passiert. Seht euch doch nur New York an! Die Stadt ist bereits bankrott, erledigt, wird nur noch mühsam zusammengehalten, und hinter den Kulissen lauert die Anarchie. Und das ist nur der Anfang. Was heute in New York passiert, wird sich schon bald im ganzen Land ausbreiten.