»Nein, nein. Keine Berufung.«
»Ich bleibe in Kontakt mit Ihnen für den Fall, daß Sie es sich anders überlegen. Und weil wir gerade davon sprechen es tut mir leid, daß die Sache so gelaufen ist.«
Eastin sagte mit einem blassen Lächeln: »Mir auch.«
»Hereingerissen hat uns natürlich Ihr Geständnis. Ohne dieses Geständnis, meine ich, hätte die Staatsanwaltschaft Ihnen nichts beweisen können - jedenfalls nichts, was den Diebstahl der sechstausend Dollar angeht, und der ist beim Richter am schwersten ins Gewicht gefallen. Natürlich ist mir klar, warum Sie die zweite Erklärung unterschrieben haben die beim FBI; Sie glaubten, die erste sei gültig, deshalb würde es auf die zweite nun auch nicht mehr ankommen. Aber es ist auf dieses zweite Geständnis entscheidend angekommen. Ich glaube, der Sicherheitsboß, dieser Wainwright, hat Sie ganz schlicht reingelegt.«
Der Gefangene nickte. »Ja, jetzt weiß ich das auch.«
Der Anwalt warf einen Blick auf die Uhr. »Tja, ich muß jetzt gehen. Ich habe heute abend eine anstrengende Verabredung. Sie wissen ja, wie das ist.«
Ein Vollzugsbeamter ließ ihn hinaus.
Am nächsten Tag wurde Miles Eastin in das Bundesgefängnis eines anderen Bundesstaates verlegt.
Als die Nachricht von Miles Eastins Verurteilung in der First Mercantile American Bank eintraf, empfanden einige, die ihn gekannt hatten, Bedauern; andere waren der Auffassung, daß er nur bekommen habe, was er verdient hatte. Einhelligkeit herrschte darüber: Nie wieder würde man in der Bank etwas von Eastin zu hören bekommen.
Die Zeit sollte zeigen, wie irrig diese letzte Annahme war.
ZWEITER TEIL
1
Wie eine Luftblase, die an die Oberfläche steigt, machte sich Mitte Januar die erste Andeutung nahenden Unheils bemerkbar. In der Sonntagsausgabe einer Zeitung war folgende Notiz erschienen:
...In der Stadt wird gemunkelt, daß Forum East bald ganz erheblich gedrosselt werden soll. Es heißt, dieses gigantische Sanierungsprojekt habe Sorgen mit der Bankseite. Nun ja, wer hat die heute nicht?...
Alex Vandervoort erfuhr von dieser Notiz erst am Montag vormittag; seine Sekretärin hatte die Notiz rot umrandet und ihm die Zeitung zusammen mit anderen Papieren auf den Schreibtisch gelegt.
Am Montag nachmittag rief Edwina D'Orsey an und fragte Alex, ob er schon von dem Gerücht gehört habe und ob er wisse, was oder wer dahinterstecken könnte. Daß Edwina sich dafür interessierte, war nicht verwunderlich. Ihre Filiale war von Anfang an für die gesamten Baudarlehen, einen großen Teil der Hypotheken und den damit verbundenen Schriftverkehr verantwortlich gewesen. Mittlerweile beanspruchte das Projekt Forum East einen erheblichen Teil des Gesamtarbeitsvolumens ihrer Filiale.
»Wenn da etwas in der Luft liegt«, sagte Edwina energisch, »dann möchte ich informiert werden.«
»Soviel ich weiß«, sagte Alex beruhigend, »hat sich nichts verändert.«
Sekunden später hatte er schon begonnen, Jerome Pattertons Nummer zu wählen, doch dann legte er den Hörer wieder auf. Falschinformationen über Forum East waren nichts Neues. Das Projekt hatte starke Beachtung in der Öffentlichkeit gefunden; unweigerlich mußte manches, was darüber geschrieben wurde, falsch oder bösartig sein.
Es hatte keinen Zweck, fand Alex, den neuen Bankpräsidenten mit Bagatellen zu belästigen, vor allem, da er Patterton für eine sehr bedeutende Angelegenheit gewinnen wollte - eine erhebliche Ausweitung der FMA-Sparabteilung, die jetzt geplant wurde und dem Direktorium bald zur Prüfung vorgetragen werden sollte.
Doch der längere Artikel, der einige Tage später erschien, und dieses Mal in den normalen Nachrichtenspalten der Tageszeitung »Times-Register«, war schon etwas besorgniserregender, fand Alex.
Der Text lautete:
Die Sorge über die Zukunft von Forum East hält an; Gerüchte verstärken sich, daß die Finanzierung in Kürze drastisch eingeschränkt oder ganz zurückgezogen wird. Das Projekt Forum East, dessen langfristiges Ziel die Sanierung des gesamten Stadtkerns, der Geschäfts-ebenso wie der Wohnviertel, ist, wird von einem Konsortium finanziert, an dessen Spitze die First Mercantile American Bank steht.
Ein Sprecher der First Mercantile American gab heute zu, Kenntnis von den Gerüchten zu haben, lehnte aber jede Stellungnahme ab. Er sagte lediglich: »Zu angemessener Zeit werden wir eine Erklärung abgeben.« Als Teil des geplanten Forum East-Projekts sind einige Wohngebiete im Stadtkern bereits modernisiert oder neu erbaut worden. Ein Hochhaus-Komplex mit Billigwohnungen ist fertiggestellt, ein zweiter befindet sich im Bau.
Der auf zehn Jahre projizierte Generalplan sieht Programme für Ausbau und Verbesserung der Schulen, Unterstützung für Geschäfte und Unternehmen im Besitz von Minderheiten, berufliche Fortbildungsstätten, ein Programm für die Arbeitsplatzbeschaffung sowie die Errichtung von Kultur- und Freizeitstätten vor. Sämtliche Großbauarbeiten, die vor zweieinhalb Jahren begonnen wurden, sind bisher pünktlich nach Terminplan ausgeführt worden.
Alex las die Meldung beim Frühstück in seinem Apartment. Er war allein; Margot war seit einer Woche in Rechtsangelegenheiten verreist.
In der Zentrale eingetroffen, bat er sofort Dick French zu sich. French, Vizepräsident für Public Relations, verstand als ehemaliger Wirtschafts-Ressortchef einer Tageszeitung eine Menge von seinem Job; der stämmige, untersetzte Mann nahm nie gern ein Blatt vor den Mund.
»Erstens«, sagte Alex, »wer war dieser Sprecher der Bank?«
»Das war ich«, sagte French. »Und ich will Ihnen gleich von vornherein sigen, daß mir diese >Erklärung zu angemessener Zeit< verdammt gegen den Strich gegangen ist. Aber Mr. Patterton hat diese Formulierung wörtlich verlangt. Ich durfte auch kein Wort mehr dazu sagen.«
»Was gibt's denn noch mehr zu sagen?«
»Das würde ich gern von Ihnen wissen, Alex. Offensichtlich ist da was im Busch, und ganz gleich, ob's gut oder schlecht ist, würde ich dringend empfehlen, die Katze aus dem Sack zu lassen, je früher, desto besser.«
Alex unterdrückte seinen aufsteigenden Zorn. »Und warum bin ich in der ganzen Angelegenheit überhaupt nicht gefragt worden?«
Der PR-Chef schien überrascht zu sein. »Ja, wußten Sie denn nichts davon? Als ich gestern mit Mr. Patterton telephonierte, warRoscoe bei ihm; ich konnte seine Stimme hören. Ich dachte, Sie wären auch dabei.«
»Nächstes Mal«, sagte Alex, »denken Sie lieber gar nichts.«
Er entließ French und wies seine Sekretärin an nachzufragen, ob Jerome Patterton Zeit für ihn habe. Er erfuhr, daß der Präsident noch nicht in der Bank eingetroffen, aber auf dem Wege dorthin sei, und Alex könne ihn um 11.00 Uhr sprechen. Er grunzte ungeduldig und machte sich wieder an die Arbeit mit seinem Spar-Expansionsprogramm.
Um 11.00 Uhr ging Alex die paar Schritte zur Präsidentensuite - zwei Eckräume, und jeder mit einem Blick über die Stadt. Seit der neue Präsident sein Amt übernommen hatte, blieb die Tür zum zweiten Raum gewöhnlich geschlossen, und Besucher wurden nicht hineingebeten. Über die Sekretärinnen war nach außen gedrungen, daß Patterton in diesem Raum Golfschläge zu üben pflegte.
An diesem Tag strahlte heller Sonnenschein von einem wolkenlosen Himmel durch die wandbreiten Fenster auf Jerome Pattertons rosigen, nahezu haarlosen Kopf. Er saß am Schreibtisch, ausnahmsweise in einem leicht gemusterten Anzug statt in dem gewohnten Tweed. Eine vor ihm liegende Zeitung war so gefaltet, daß der Artikel sichtbar wurde, der Alex hergeführt hatte.
Auf einem Sofa, im Schatten, saß Roscoe Heyward.
Die drei begrüßten sich.