»Ich habe Roscoe gebeten, noch zu bleiben, weil ich ahne, was Sie zu mir führt.« Patterton legte eine Hand auf die Zeitung. »Sie haben das da natürlich gelesen.«
»Das habe ich«, sagte Alex. »Ich habe mir auch schon Dick French kommen lassen. Er sagte, daß Sie und Roscoe gestern über die Presse-Anfragen gesprochen haben. Meine erste Frage lautet deshalb, warum bin ich nicht informiert worden? Ich habe mit Forum East mehr zu tun als jeder andere.«
»Sie hätten informiert werden sollen, Alex.« Jerome Patterton schien die Sache peinlich zu sein. »Es war wohl so, glaube ich, daß wir ein bißchen nervös geworden sind, als wir aus den Anfragen der Presse schließen mußten, daß etwas durchgesickert ist.«
»Durchgesickert - worüber?«
Jetzt antwortete Heyward. »Es gibt einen Vorschlag, den ich dem finanzpolitischen Ausschuß am Montag vortragen werde -daß wir unsere Beteiligung an der Forum East-Finanzierung um annähernd fünfzig Prozent kürzen sollten.«
Eingedenk der Gerüchte, die in den letzten Tagen umgegangen waren, konnte ihn die Bestätigung eigentlich nicht mehr überraschen. Erstaunt war Alex nur über das Ausmaß der vorgeschlagenen Kürzung.
Er wandte sich an Patterton. »Jerome, verstehe ich recht, daß Sie diesen unglaublich törichten Vorschlag unterstützen?«
Röte breitete sich über das Gesicht des Präsidenten und seinen eiförmigen Schädel aus. »Bisher habe ich mich weder positiv noch negativ geäußert. Ich behalte mir meine Entscheidung bis Montag vor. Roscoe hat hier - gestern und heute - nichts anderes getan, als im voraus um Stimmen zu werben.«
»Stimmt«, sagte Roscoe Heyward und fügte ungerührt hinzu: »Eine durchaus legitime Taktik, Alex. Falls Sie was dagegen einzuwenden haben, darf ich Sie daran erinnern, daß Sie sehr oft mit Ihren eigenen Ideen zu Ben gezogen sind, bevor wir eine finanzpolitische Sitzung abhielten.«
»Mag sein«, sagte Alex, »aber dann waren meine Ideen auch verdammt viel vernünftiger als diese.«
»Das ist Ihre Privatmeinung.«
»Nicht ganz. Sie wird auch von anderen geteilt.«
Heyward blieb ganz unbewegt. »Meiner Meinung nach können wir die Gelder der Bank sehr viel besser nutzen.« Er wandte sich Patterton zu. »Was ich noch sagen wollte, Jerome, die Gerüchte, die da jetzt im Umlauf sind, könnten uns sogar nützlich sein, wenn der Vorschlag für eine Verringerung gebilligt wird. Dann kommt die Entscheidung doch wenigstens nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel.«
»Wenn Sie es so sehen«, sagte Alex, »dann haben Sie die Sache vielleicht selbst nach außen durchsickern lassen.«
»Ich versichere Ihnen, daß das nicht der Fall ist.«
»Wie erklären Sie es sich dann?«
Heyward zuckte die Achseln. »Reiner Zufall, vielleicht.«
Konnte das wirklich Zufall sein, überlegte Alex, oder hatte jemand aus Roscoe Heywards Umgebung einen Versuchsballon an seine, Alex', Adresse losgelassen? Harold Austin, der als Inhaber einer Werbeagentur schließlich die besten Verbindungen zur Presse hatte, wäre das durchaus zuzutrauen. Aber die Wahrheit würde man wohl nie erfahren.
Jerome Patterton hob die Hände. »Heben Sie doch beide Ihre Argumente bitte bis Montag auf. Wir werden sie dann Stück für Stück besprechen.«
»Wir wollen uns doch nichts vormachen«, sagte Alex Vandervoort mit Nachdruck. »Was heute zur Entscheidung ansteht, ist die Frage, wieviel Profit vernünftig, wieviel Profit exzessiv ist.«
Roscoe Heyward lächelte. »Offen gesagt, Alex, ich habe noch keinen Profit je für exzessiv gehalten.«
»Ich auch nicht«, warf Tom Straughan ein. »Ich gebe aber zu, daß es zu Schwierigkeiten Anlaß geben kann, wenn man einen exzeptionell hohen Gewinn einstreicht. So etwas gibt den Leuten Grund zur Kritik. Am Ende des Finanzjahres müssen wir es schließlich veröffentlichen.«
»Was ein weiterer Grund für uns sein sollte«, sagte Alex, »ein Gleichgewicht zwischen Gewinnsucht und Bereitschaft zum Dienst an der Allgemeinheit anzustreben.«
»Gewinn erzielen heißt, unseren Aktionären einen Dienst erweisen«, sagte Heyward. »Das ist der Dienst, dem ich den Vorrang gebe.«
Der finanzpolitische Ausschuß der Bank tagte in einem Direktions-Konferenzzimmer. Der aus vier Personen bestehende Ausschuß versammelte sich jeden zweiten Montag unter Roscoe Heywards Vorsitz. Die anderen Mitglieder waren Alex und zwei leitende Vizepräsidenten - Straughan und Orville Young.
Aufgabe des Ausschusses war es zu entscheiden, wie die Geldmittel der Bank genutzt werden sollten. Größere Entscheidungen wurden dem Direktorium zur Genehmigung vorgelegt, das sich allerdings meistens den Empfehlungen des Ausschusses anschloß.
Einzelbeträge, die hier zur Diskussion standen, waren selten geringer als zweistellige Millionensummen.
Der Präsident der Bank nahm kraft seines Amtes an den wichtigeren Sitzungen des Ausschusses teil, gab seine Stimme jedoch nur ab, wenn es andernfalls zu einem Unentschieden kommen würde. Jerome Patterton war auch an diesem Tag anwesend, hatte bisher aber noch nichts zur Diskussion beigetragen.
Zur Debatte stand jetzt Roscoe Heywards Vorschlag, die Finanzierung des Projekts Forum East drastisch einzuschränken.
Sollte das Projekt programmgemäß weitergeführt werden, dann bedurfte es innerhalb der nächsten Monate neuer Baukredite und neuer Hypothekendarlehen. Für die First Mercantile American wurde mit einem Finanzierungsanteil von fünfzig Millionen Dollar gerechnet. Heyward hatte eine Reduzierung dieses Betrages um die Hälfte vorgeschlagen.
Er hatte schon erklärt: »Wir werden allen Beteiligten gegenüber klarstellen, daß wir uns keinesfalls, weder jetzt noch in Zukunft, aus Forum East zurückzuziehen beabsichtigen. Wir werden unseren Schritt ganz einfach damit begründen, daß wir die Vergabe unserer Mittel im Lichte anderer Verpflichtungen neu orientiert haben. Das Projekt wird damit nicht zum Stillstand kommen. Es wird lediglich langsamer voranschreiten, als ursprünglich geplant war.«
»Wenn Sie es einmal an dem vorhandenen Bedarf messen«, hatte Alex eingewandt, »dann kommt es schon jetzt viel zu langsam voran. Es noch weiter zu bremsen, wäre in jeder Beziehung das Schlimmste, was wir tun könnten.«
»Ich messe es am vorhandenen Bedarf«, sagte Heyward. »Am Bedarf unserer Bank.«
Eine für Roscoe ungewöhnlich schnippische Entgegnung, dachte Alex; wahrscheinlich fühlte er sich seiner Sache diesmal absolut sicher. Alex vertraute darauf, daß Tom Straughan sich mit ihm gegen Heyward verbünden würde. Straughan war der Chef-Volkswirtschaftler der Bank - jung und eifrig, dabei vielseitig interessiert und aufgeschlossen. Alex selbst hatte ihn über andere Köpfe hinweg befördert.
Orville Young jedoch, der Finanzchef der First Mercantile American, war Heywards Mann und würde ihm zweifellos auch seine Stimme geben.
Wie in jeder anderen Großbank waren auch in der FMA die wahren Machtbefugnisse nicht immer an den OrganisationsDiagrammen abzulesen. Die wirkliche Autorität verlief manchmal seitlich oder auf Umwegen, je nach den derzeitigen Loyalitätsverhältnissen, so daß diejenigen, die sich an Machtkämpfen nicht beteiligen mochten, links liegengelassen wurden.
Der Machtkampf zwischen Alex Vandervoort und Roscoe Heyward war längst überall bekannt. Etliche FMA-Manager hatten auch schon ganz klar Partei ergriffen, ihre eigenen Hoffnungen auf den Sieg des einen oder anderen der beiden Gegner gesetzt. Diese Spaltung wurde auch an der Frontenbildung innerhalb des finanzpolitischen Ausschusses sichtbar.
Alex argumentierte: »Unser Gewinn betrug im letzten Jahr dreizehn Prozent. Das ist verdammt gut für ein Unternehmen, wie wir alle wissen. Dieses Jahr sind die Aussichten noch besser - ein Investitionsertrag von fünfzehn, vielleicht sogar sechzehn Prozent. Sollen wir den Ertrag immer weiter in die Höhe zu schrauben versuchen?«
»Warum nicht«, warf Finanzchef Orville Young ein.