»Die Frage habe ich schon beantwortet«, schoß Straughan zurück. »Weil es kurzsichtig wäre.«
»Wir müssen uns eines immer wieder klar vor Augen führen«, sagte Alex beschwörend. »Im Bankgeschäft ist es nicht schwer, große Profite zu erzielen, und eine Bank, die das nicht schafft, wird von Einfaltspinseln geleitet. Momentan sind Banken in vielerlei Hinsicht begünstigt. Wir haben eine Fülle von Möglichkeiten, wir haben Erfahrung, und wir stützen uns auf recht vernünftige Bankgesetze. Letzteres ist wahrscheinlich das wichtigste von allem. Aber die Gesetze werden nicht immer so bleiben - jedenfalls nicht, wenn wir die Situation weiterhin mißbrauchen und unsere Pflichten gegenüber der Gemeinschaft vernachlässigen.«
»Ich kann nicht einsehen, was es mit Vernachlässigung zu tun haben soll, wenn wir uns weiter an Forum East beteiligen«, bemerkte Roscoe Heyward. »Selbst nach der von mir vorgeschlagenen Reduzierung werden wir das Projekt noch immer mit einer ganz beträchtlichen Summe unterstützen.«
»Beträchtlich nennen Sie das? Daß ich nicht lache! Es wäre minimal, so minimal, wie der soziale Beitrag amerikanischer Banken schon immer gewesen ist. Allein auf dem Gebiet der Finanzierung von Billigwohnungen hat diese Bank, wie alle anderen auch, verflucht wenig getan. Machen wir uns doch nichts vor, meine Herren! Seit Generationen haben die Banken öffentliche Probleme einfach ignoriert. Auch heute versuchen wir doch immer noch, mit dem absoluten Minimum davonzukommen.«
Der Chef-Volkswirtschaftler Straughan wühlte in seinen Papieren und zog einige handschriftliche Notizen zu Rate. »Ich wollte das Thema Hypotheken sowieso anschneiden, Roscoe. Jetzt hat Alex es schon getan, aber ich möchte noch darauf hinweisen, daß zur Zeit nur fünfundzwanzig Prozent unserer Spareinlagen für Hypotheken verwendet werden. Das ist wenig. Wir könnten den Satz glatt auf fünfzig Prozent der Einlagen heraufsetzen, ohne unsere Liquidität zu gefährden. Ich finde, wir sollten das auch tun.«
»Ich schließe mich dem an«, sagte Alex. »Unsere Filialleiter beschwören uns, mehr Hypotheken zu geben. Der Investitionsertrag ist gut. Wir wissen aus Erfahrung, daß es bei Hypotheken praktisch kein Risiko gibt.«
»Aber wir legen unser Geld dadurch langfristig fest, Geld, mit dem wir auf andere Weise wesentlich höhere Erträge erzielen können«, wandte Orville Young ein.
Alex hieb ungeduldig mit der flachen Hand auf den Konferenztisch. »Es gibt gelegentlich so etwas wie eine Verpflichtung der Öffentlichkeit gegenüber, sich mit einem geringeren Ertrag zufriedenzugeben. Das ist es ja gerade, was ich hier deutlich zu machen versuche. Deshalb protestiere ich ja dagegen, daß wir uns um Forum East herumdrücken.«
»Es gibt noch einen weiteren Grund«, sagte Tom Straughan. »Alex hat ihn schon kurz erwähnt - die Gesetzgebung. Im Kongreß rumort es bereits. Es gibt nicht wenige Senatoren und Abgeordnete, die sich ein ähnliches Gesetz wie das mexikanische wünschen - jenes Gesetz, das den Banken vorschreibt, einen festen Prozentsatz der Bankeinlagen für die Finanzierung von Billigwohnungen zu verwenden.«
Heyward schnaubte verächtlich. »Das würden wir nie und nimmer zulassen. Die Banklobby ist die stärkste in Washington.«
Der Volkswirtschaftler schüttelte den Kopf. »Darauf würde ich mich nicht unbedingt verlassen.«
»Tom«, sagte Roscoe Heyward, »ich gebe Ihnen ein Versprechen. Heute in einem Jahr reden wir noch einmal über das Thema; vielleicht tun wir dann, was Sie empfehlen; vielleicht drehen wir Forum East wieder auf. Nicht aber in diesem Jahr. Ich möchte in diesem Jahr Rekordgewinne erzielen.« Er warf dem Bankpräsidenten, der sich noch immer nicht an der Diskussion beteiligt hatte, einen Blick zu. »Jerome möchte das auch.«
Jetzt erst ging Alex auf, welche Strategie Heyward da verfolgte. Ein außergewöhnlich fettes Gewinnjahr würde Jerome Patterton als Präsidenten zum Helden der Aktionäre und Direktoren machen. Am Ende einer recht mäßigen Karriere hatte Patterton nur dies eine Jahr, in dem er regieren konnte: danach aber würde er, umgeben von Trompetenschall und einer Gloriole des Ruhms, in die Pensionierung gehen. Und Patterton war kein Übermensch. Begreiflich, daß ihm der Gedanke zusagte.
Ähnlich leicht zu erraten war das, was danach folgen würde. Jerome Patterton, von Dankbarkeit gegenüber Roscoe Heyward erfüllt, würde Heyward als seinen Nachfolger propagieren. Und mit einem profitablen Jahr im Hintergrund würde Pattertons Wort Gewicht haben.
Es war ein gut ausgedachter Plan, dem Alex nur schwer etwas entgegenzusetzen haben würde.
»Etwas habe ich noch nicht erwähnt«, sagte Heyward. »Nicht einmal Ihnen gegenüber, Jerome. Es könnte von Bedeutung sein für die Entscheidung, die wir heute zu treffen haben.«
Die anderen sahen ihn mit neu erwachtem Interesse an.
»Ich hoffe, ja, die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß wir in Kürze substantiell mit Supranational Corporation ins Geschäft kommen. Das ist ein weiterer Grund, warum ich zögere, Gelder anderswo festzulegen.«
»Das ist ja eine phantastische Nachricht«, sagte Orville Young.
Selbst Tom Straughan reagierte überrascht und beifällig.
Die Supranational - oder SuNatCo, wie die weltweit bekannte Kurzform lautete - war ein multinationaler Riese, ein General Motors der globalen Kommunikation. Außerdem besaß oder kontrollierte SuNatCo Dutzende anderer Gesellschaften, die etwas mit ihrer ursprünglichen Aufgabe zu tun haben mochten oder auch nicht; ihr vielfältiger Einfluß auf Regierungen aller Schattierungen, von Demokratien bis hin zu Diktaturen, war angeblich größer als der irgendeines anderen Unternehmens in der Geschichte. Gelegentlich wurde behauptet, daß die SuNatCo mehr reale Macht besäße als die meisten souveränen Staaten, in denen sie operierte.
Bis jetzt hatte die SuNatCo sich in ihren amerikanischen Bankgeschäften auf die großen Drei beschränkt - die Bank of America, die First National City und die Chase Manhattan. Sich diesem exklusiven Trio zugesellen zu dürfen, das würde den Status der First Mercantile American unermeßlich steigern.
»Das sind aufregende Aussichten, Roscoe«, sagte Patterton.
»Weitere Einzelheiten hoffe ich auf unserer nächsten finanzpolitischen Sitzung bekanntgeben zu können«, fügte Heyward hinzu. »Allem Anschein nach wünscht die Supranational, daß wir eine bedeutende Kreditlinie eröffnen.«
Tom Straughan erinnerte sie: »Wir brauchen noch eine Abstimmung über Forum East.«
»Richtig«, bestätigte Heyward. Er lächelte zuversichtlich. Nach dieser Eröffnung bestand für ihn kein Zweifel mehr, wie die Forum East-Entscheidung ausfallen würde.
Erwartungsgemäß sprachen sich Alex Vandervoort und Tom Straughan gegen die Verringerung der Mittel aus, Roscoe Heyward und Orville Young dafür.
Alle Köpfe wandten sich Jerome Patterton zu, dessen Votum den Ausschlag geben mußte.
Der Bankpräsident zögerte nur ganz kurz, dann sagte er: »Alex, in dieser Sache gehe ich mit Roscoe.«
2
»Hier herumzusitzen und Trübsal zu blasen, nützt überhaupt nichts«, erklärte Margot. »Wir müssen uns von unseren versammelten Hintern erheben und zur Tat schreiten.«
»Zum Beispiel die gottverdammte Bank in die Luft sprengen?« fragte einer.
»Nix da! Ich habe Freunde in dem Bau. Außerdem ist das Sprengen von Banken absolut ungesetzlich.«
»Wer sagt denn, daß wir nichts Ungesetzliches tun dürfen?«
»Ich zum Beispiel«, erklärte Margot mit Schärfe. »Und wenn irgendein neunmalkluger Kläffer hier was anderes meint, dann kann er sich einen anderen Sprecher suchen und eine andere Bude.«
Margot Brackens Anwaltskanzlei war an diesem Donnerstagabend der Schauplatz einer Sitzung des Exekutivausschusses des Mieterverbandes von Forum East. Der Verband war einer von vielen Gruppen der Innenstadt, denen Margot als Rechtsberaterin zur Seite stand und die ihre Kanzlei als Versammlungslokal benutzten, wofür sie manchmal Geld bekam, meistens aber nicht.