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Orinda nickte verständnisvoll. »Das dürfte kein Problem sein.«

»Worum ich bitten wollte«, sagte Margot, »ist, daß Sie und die anderen dieses Mal die Leitung der Aktion übernehmen. Ich werde natürlich hinter den Kulissen mitmachen. Und wenn es unbedingt nötig wird, dann können Sie mich auch rufen, aber ich hoffe, daß es dazu nicht kommt.«

»Aber das ist doch albern«, sagte Seth Orinda. »Wie können wir Sie rufen, wenn keiner von uns je Ihren Namen gehört hat?«

Am Samstag abend, zwei Tage nach dem Treffen des Mieterverbandes von Forum East, waren Margot und Alex zu Gast bei Freunden, die ein kleines Abendessen gaben, und später fuhren sie gemeinsam zu Margot. Ihre Wohnung befand sich in einem weniger teuren Teil der Stadt als Alex' elegantes Apartment, und kleiner war sie auch, aber Margot hatte sie freundlich eingerichtet mit allerlei Antiquitäten, die sie im Laufe der Zeit zu günstigen Preisen zusammengekauft hatte. Alex fühlte sich wohl bei ihr.

Die Wohnung bildete einen starken Kontrast zu Margots Anwaltskanzlei.

»Du hast mir gefehlt, Bracken«, sagte Alex. Er saß bequem in Pyjama und Hausmantel, die er in Margots Wohnung aufbewahrte, in einem Queen Anne-Ohrensessel. Margot hatte sich auf den Teppich vor ihn hingekuschelt, den Kopf an seine Knie zurückgelehnt, während er sanft ihr langes Haar streichelte. Gelegentlich verirrten seine Finger sich - behutsam und erfahren begann er sie zu wecken, wie er es immer tat, und auf eine Weise, die sie liebte. Margot seufzte zufrieden. Bald würden sie ins Bett gehen. In beiden wurde das Verlangen größer, doch es lag ein exquisites Vergnügen darin, sich selbst das Warten aufzuerlegen.

Anderthalb Wochen hatten sie sich aufgrund ihrer Terminpläne nicht mehr gesehen.

»Wir holen die verlorenen Tage nach«, sagte Margot.

Alex schwieg. Dann sagte er: »Ich war den ganzen Abend darauf vorbereitet, daß du mich auf einem glühenden Rost grillst wegen Forum East. Aber du hast kein Wort davon erwähnt.«

Margot beugte ihren Kopf noch weiter zurück und betrachtete ihn jetzt verkehrt herum. Voller Unschuld fragte sie: »Warum sollte ich dich auf einem glühenden Rost grillen, Liebling? Die Geldbremse war doch wohl nicht deine Idee.« Ihre kleine Stirn legte sich in Falten. »Oder?«

»Du weißt verdammt gut, daß es nicht meine Idee gewesen ist.«

»Natürlich. Ebenso fest war ich davon überzeugt, daß du dich dagegen ausgesprochen hast.«

»Ja, allerdings.« Und resigniert fügte er hinzu: »Was dann ja auch sehr viel genützt hat.«

»Du hast getan, was du konntest. Mehr kann man von keinem verlangen.«

Alex betrachtete sie argwöhnisch. »Das alles paßt überhaupt nicht zu dir.«

»Inwiefern denn nicht?«

»Du bist eine Kämpfernatur. Das mag ich ja gerade so an dir. Du gibst nicht auf. Du nimmst eine Niederlage nicht so gelassen hin.«

»Vielleicht sind manche Niederlagen unvermeidlich. In dem Alex richtete sich kerzengerade auf. »Du führst etwas im Schilde, Bracken! Ich weiß es. Jetzt raus mit der Sprache: Was ist es?«

Margot überlegte, dann sagte sie langsam: »Ich gebe nichts zu. Aber selbst wenn du recht hättest mit deiner Vermutung, könnte es doch sein, daß du von manchen Dingen lieber nichts wissen solltest. Ich habe nicht die geringste Lust, Alex, dich in Verlegenheit zu bringen.«

Er lächelte, und seine ganze Zuneigung zu ihr sprach aus diesem Lächeln. »Du hast mir ja schon was gesagt. Gut, wenn du nicht magst, daß ich weiter bohre, dann lasse ich es. Eine Zusicherung von dir brauche ich aber: daß das, was du da vorhast, legal ist.«

Einen Augenblick lang schäumte Margots Temperament auf. »Der Anwalt hier bin ich. Was legal ist und was nicht, entscheide ich.«

»Selbst kluge weibliche Anwälte machen gelegentlich Fehler.«

»Dieses Mal nicht.« Sie schien den Streit fortsetzen zu wollen, dann gab sie nach. Ihre Stimme wurde sanft. »Du weißt doch, daß ich nichts unternehme, was gegen das Gesetz ist. Und du weißt auch, warum.«

»Ja, ich weiß es«, sagte Alex. Wieder ganz entspannt, strich er ihr weiter über das Haar.

Sie hatte ihm einmal, als sie sich schon gut kannten, anvertraut, wie sie zu ihrer Eins tellung gelangt war, Jahre zuvor und als Folge von Tragik und Tod.

Während ihres juristischen Studiums, das Margot im übrigen mit allen Ehren und Auszeichnungen absolvierte, hatte sie sich, wie es damals üblich war, an Aktivismus und Protest beteiligt. Es war die Zeit der zunehmenden amerikanischen Verstrickung in Vietnam und der erbitterten, tiefen Spaltung der Nation. Es war auch der Anfang von Unruhe und Wandel innerhalb der juristischen Berufe, eines Rebellierens der Jugend gegen die alteingesessenen Vertreter der Rechtsgelehrsamkeit und des Establishment. Es war die Zeit, die den Typ des kämpferischen Anwalts hervorbrachte, für den Ralph Nader als berühmtes und vielgelobtes Symbol stand.

Schon im College und später an der juristischen Fakultät hatte Margot ihre avantgardistischen Ansichten, ihren Aktivismus und sich selbst mit einem Kommilitonen geteilt - der einzige Name, den Alex je zu hören bekam, war Gregory -, und Gregory und Margot schliefen miteinander, wie es ebenfalls üblich war.

Schon seit mehreren Monaten war es immer wieder zu Konfrontationen zwischen Studenten und Fakultät gekommen, und eine der schlimmsten entzündete sich am offiziellen Auftauchen von Rekrutenwerbern der amerikanischen Marine und des Heeres auf dem Campus. Eine Mehrheit der Studenten, unter ihr Gregory und Margot, forderten die Verweisung der Werber vom Universitätsgelände. Die Universität lehnte das entschieden ab.

Militante Studenten besetzten daraufhin das Verwaltungsgebäude, verbarrikadierten sich dort und sperrten alle anderen aus. Gregory und Margot, angesteckt von den allgemeinen Leidenschaften, gehörten zu den Besetzern.

Verhandlungen wurden eingeleitet, scheiterten aber, nicht zuletzt deshalb, weil die Studenten »unrealistische Forderungen« stellten. Nach zwei Tagen rief die Verwaltung die Polizei des Bundesstaates, die später unklugerweise durch die Nationalgarde verstärkt wurde. Ein Sturmangriff wurde gegen das jetzt belagerte Gebäude vorgetragen. Während der Kämpfe wurden Schüsse abgefeuert und Köpfe blutig geschlagen. Es schien ein Wunder, daß die Schüsse niemanden trafen. Aber ein tragisches Mißgeschick wollte es, daß einer der blutig geschlagenen Köpfe - es war Gregorys - eine Gehirnblutung erlitt, die binnen Stunden zum Tode führte.

Am Ende wurde dann wegen der öffentlichen Empörung ein unerfahrener, junger und verängstigter Polizist, der den tödlich wirkenden Schlag geführt hatte, vor Gericht gestellt. Sämtliche Anklagepunkte gegen ihn wurden fallengelassen.

Trotz ihrer Trauer und des Schocks, unter dem sie stand, war Margot als Juristin objektiv genug, um zu begreifen, warum das Verfahren eingestellt wurde. Später, als sich die Gemüter wieder beruhigt hatten, half ihre juristische Ausbildung ihr außerdem, die eigenen Überzeugungen zu beurteilen und zu kodifizieren. Der Druck der Aufregungen und der Emotionen hatte bewirkt, daß dieser längst überfällige Prozeß erst jetzt in Gang kam.

Von keiner ihrer politischen und sozialen Überzeugungen machte Margot damals oder jetzt Abstriche. Aber ihr Blick war klar und scharf genug, um zu erkennen, daß die militanten Studenten anderen genau die Freiheiten vorenthalten hatten, die zu verteidigen sie vorgaben. Sie hatten in ihrem Eifer auch das Gesetz gebrochen, jenes System, dessen Erkenntnis doch ihr Studium und mutmaßlich ihr ganzes späteres Leben geweiht waren.

Dann war es für Margot nur noch ein gedanklicher Schritt bis zu der Einsicht, daß    man    nicht    weniger, sondern sehr wahrscheinlich viel mehr erreicht hätte, wäre man innerhalb der Grenzen des Gesetzes geblieben.