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»Ich habe sie mir gerade angesehen.« Heyward warf einen Blick auf die Finanzberichte, die rings um seinen Sessel ausgebreitet lagen. »Der Patient scheint gesund zu sein; sehr gesund sogar.«

»Wenn Sie das sagen«, meinte Austin, »dann genügt mir das.«

Als er den Hörer wieder auflegte, gestattete sich Heyward ein ganz leichtes, überlegenes Lächeln. Der bevorstehende Flug, sein Zweck und die Tatsache, daß es ein Trip nach den Bahamas in einem Privatflugzeug war - das alles beiläufig nächste Woche in Unterhaltungen zu erwähnen, würde höchst befriedigend sein. Und kam dann sogar noch etwas dabei heraus, dann würde das seine eigene Stellung im Direktorium festigen - und das war etwas, das er angesichts der Interims-Ernennung von Jerome Patterton zum FMA-Präsidenten nie aus den Augen verlor.

Angenehm war auch, daß er schon am Samstag wieder zurückfliegen konnte. Auf die Art würde er seinen Auftritt in seiner Kirche - der St. Athanasius-Kirche - nicht absagen müssen. Er war dort Laienredner und hielt jeden Sonntag mit klarer und feierlicher Stimme die Lesung.

Dieser Gedanke erinnerte ihn daran, daß auch morgen ein Sonntag war und er seinen Text noch nicht durchgearbeitet hatte. Er nahm die schwere Familienbibel vom Bücherbord und schlug eine durch ein Lesezeichen kenntlich gemachte Stelle auf. Es war eine Seite in den Sprüchen Salomos, und sie enthielt einen Lieblingsvers Heywards, der auch morgen in seiner Lesung vorkommen würde: Gerechtigkeit erhöhet ein Volk; aber die Sünde ist der Leute Verderben.

Für Roscoe Heyward war der Ausflug nach den Bahamas eine Erweiterung seines Horizonts.

Nicht, daß ihm der Lebensstil der Reichen fremd gewesen wäre. Wie die meisten leitenden Banker hatte Heyward oft gesellschaftlich mit Kunden und Geschäftsfreunden zu tun gehabt, die auf der Suche nach fürstlichem Komfort und Amüsement ihr Geld freizügig, ja, geradezu demonstrativ auszugeben pflegten. Und er hatte ihnen fast ihre finanzielle Freiheit geneidet.

Doch G. G. Quartermain übertraf sie alle.

Die Düsenmaschine vom Typ 707, kenntlich an einem großen »Q« an Rumpf und Leitwerk, landete auf die Minute genau zur verabredeten Zeit auf dem internationalen Flughafen der Stadt. Sie rollte zu einem privaten Flugsteig, wo The Hon. Harold und Heyward die Limousine verließen, die sie aus der Stadt hergebracht hatte. Im Nu hatte man sie durch die Hecktür an Bord geleitet.

In einem Foyer, das einer Miniatur-Hotelhalle glich, wurden sie von einem Quartett begrüßt - einem Mann mittleren Alters mit graumeliertem Haar und jener Mischung von Autorität und Ehrerbietung, die ihn zum Majordomus stempelte, sowie drei jungen Frauen.

»Willkommen an    Bord,    meine    Herren«, sagte der Majordomus. Heyward nickte, ohne den Mann richtig wahrzunehmen, da seine Aufmerksamkeit von den Frauen abgelenkt war - atemberaubend schönen Mädchen, alle in den Zwanzigern, alle mit einem strahlenden Lächeln. Roscoe schoß der Gedanke durch den Kopf, daß Quartermains Organisation wohl die hübschesten Stewardessen von TWA, United und American hatte antreten lassen und dann diese drei abgesahnt hatte, wie man das Fett von bester Vollmilch abschöpft. Das eine Mädchen war honigblond, die andere eine aufregende Brünette, die dritte hatte langes rotes Haar. Alle waren langbeinig, schlank und angenehm sonnengebräunt. Die Sonnenbräune wurde    noch    durch    die    modisch kurzen hellbeigefarbenen Uniformen unterstrichen.

Die Uniform des Majordomus war aus dem gleichen eleganten Material geschneidert wie die der Mädchen. Alle vier trugen auf der linken Brusttasche ein eingesticktes »Q«.

»Guten Tag, Mr. Heyward«, sagte der Rotschopf. Ihre angenehm modulierte    Stimme    hatte    etwas    Sanftes, beinahe Verführerisches. »Ich bin Avril. Wenn Sie    mir bitte folgen wollen; ich zeige Ihnen Ihr Zimmer.«

Während Heyward ihr folgte, überrascht, daß sie von einem »Zimmer« sprach, wurde The Hon. Harold von der Blonden begrüßt.

Die elegante Avril ging Heyward durch einen Korridor voraus, der sich seitlich über einen Teil des Flugzeugs erstreckte. An diesem Korridor befanden sich mehrere Türen.

Über ihre Schulter sprechend, verkündete sie:    »Mr. Quartermain nimmt gerade eine Sauna mit Massage. Sie sehen ihn später im Salon.«

»Eine Sauna? Hier an Bord?«

»Ja. Sie befindet sich unmittelbar hinter dem Flugdeck. Dort ist auch ein Dampfbad. Mr. Quartermain legt Wert darauf, immer eine Sauna oder ein russisches Bad nehmen zu können, ganz gleich, wo er sich gerade befindet, und reist immer in Begleitung seines persönlichen Masseurs.« Avril schickte ein blendendes Lächeln nach hinten zu Heyward. »Wenn Sie ein Bad mit Massage möchten - wir haben Zeit genug während des Fluges. Ich werde es Ihnen gerne ausrichten.«

»Nein, vielen Dank.«

Das Mädchen blieb an einer Tür stehen. »Hier ist Ihr Zimmer, Mr. Heyward.« Noch während sie sprach, setzte sich das Flugzeug in Bewegung und rollte zur Startbahn. Die unvermutete Bewegung ließ Heyward stolpern.

»Hoppla!« Avril streckte den Arm aus, stützte ihn, und einen Augenblick lang waren sie einander nahe. Seine Sinne registrierten lange, schlanke Finger, bronzeorange lackierte Nägel, eine leichte, aber feste Berührung und einen Hauch Parfüm.

Sie ließ die Hand auf seinem Arm. »Es ist wohl besser, wenn ich Sie für den Start anschnalle. Unser Kapitän hat es immer sehr eilig. Mr. Quartermain schätzt es nicht, Zeit auf Flughäfen zu vertrödeln.«

Er nahm nur flüchtig einen kleinen, elegant eingerichteten Salon wahr, in den das Mädchen ihn führte, dann saß er auch schon in den Kissen eines Sofas, während die Finger, die er schon zur Kenntnis genommen hatte, ihm geschickt einen Gurt um den Leib schnallten. Die Empfindung war nicht unangenehm.

»Das wär's.« Die Maschine rollte jetzt schnell über den Beton. »Wenn Sie gestatten, bleibe ich hier, bis wir abgehoben haben«, sagte Avril.

Sie setzte sich neben ihn auf das Sofa und schnallte sich nun selbst an.

»Selbstverständlich«, sagte Roscoe Heyward. Ihm war absurd zumute, er fühlte sich wie betäubt. »Bitte bleiben Sie doch.«

Er sah sich jetzt genauer in dem Raum um. Etwas wie diesen Salon oder diese Kabine hatte er noch nie in seinem Leben in einem Flugzeug gesehen: alles war auf luxuriöse, aber praktische Nutzung des zur Verfügung stehenden Raums angelegt. Drei Wände waren teakgetäfelt, mit blattgoldverzierter Schnitzerei, die das »Q«-Motiv erkennen ließ. Die vierte Wand bestand fast nur aus Spiegeln, die den Raum viel größer erscheinen ließen, als er war. Zu seiner Linken war ein Schreibtisch in die Wand eingelassen, der ein vollständiges kleines Büro darstellte, komplett mit Telefon-Konsole und einem verglasten Fernschreiber. Eine kleine Bar in der Nähe war mit einem Arrangement von Miniaturflaschen bestückt. In die Spiegelwand, die sich gegenüber von Heyward und Avril befand, war ein Fernsehschirm eingebaut; das Gerät hatte einen doppelten Satz von Bedienungsknöpfen, die von beiden Seiten des Sofas aus erreichbar waren. Eine Falttür hinter ihnen führte vermutlich in ein Bad.

»Hätten Sie Lust, unseren Start zu beobachten?« fragte Avril. Ohne eine Antwort abzuwarten, berührte sie die TV-Knöpfe an ihrer Seite des Sofas, und ein farbiges, gestochen scharfes Bild sprang auf den Leuchtschirm. Offensichtlich befand sich in der Nase des Flugzeugs eine Kamera, und auf dem Schirm konnten sie eine Rollbahn sehen, die zu einer breiten Startbahn führte. Sie wurde in voller Länge sichtbar, als die 707 auf sie einschwenkte. Ohne eine Sekunde zu verschwenden, bewegte sich die Maschine voran, die Startbahn begann unter ihnen wegzurasen, dann kippte der Rest von ihr nach unten, als die schwere Düsenmaschine sich nach oben abwinkelte und in die Luft stieg. Roscoe hatte das Gefühl, schwungvoll-schwebend nach oben gehoben zu werden, nicht nur wegen des TV-Bildes. Als nur noch Himmel und Wolken zu sehen waren, schaltete Avril das Gerät aus.