Jetzt, nach dem Abendessen, draußen in der süß duftenden Dunkelheit, war Big George wieder ganz der aufgeräumte, gutgelaunte Gastgeber. Die Hände um einen dickbauchigen Cognacschwenker mit dem großen »Q« gelegt, verkündete er: »Heute gibt's keinen Ausflug. Die Party findet zu Hause statt.«
Der Majordomus, die Kellner und die Musiker waren diskret verschwunden.
Rhetta und Avril, die Champagner tranken, riefen im Chor: »Eine Party! Wir feiern eine Party!«
Auch By Stonebridge erhob seine Stimme. »Was denn für eine Party?« verlangte er zu wissen.
»Eine rauschende, mein Schatz!« erklärte Krista und setzte gleich darauf mit einer Stimme hinzu, die infolge des Weins, den es bei Tisch gegeben hatte, und des Champagners ein wenig undeutlich klang: »Eine rauschende Wasserparty. Ich will schwimmen.«
Stonebridge sagte: »Was hält Sie denn noch zurück?«
»Nichts, By, Darling! Überhaupt nichts!« Mit ein paar raschen Bewegungen setzte Krista ihr Champagnerglas ab, entledigte sich mit kurzem Schlenkern der Füße ihrer Schuhe, löste die Träger ihres Kleides und vollführte eine Drehbewegung des Oberkörpers. Das lange grüne Abendkleid rauschte wie in einer Kaskade herab, so daß sie jetzt in ihrem kurzen Unterkleid dastand. In der nächsten Sekunde zog sie es über den Kopf und warf es weg. Mehr hatte sie nicht angehabt.
Nackt und lächelnd, wie eine zum Leben erwachte Skulptur von Maillol, mit ihrem exquisit geformten und wohlproportionierten Körper, den hohen, festen Brüsten und dem pechschwarzen Haar, schritt Krista jetzt von der Terrasse die Stufen zu dem beleuchteten Schwimmbad hinab und tauchte hinein. Sie schwamm die ganze Länge des Beckens, dann wandte sie sich um und rief den anderen zu: »Es ist herrlich! Kommt doch auch!«
»Also wirklich«, rief Stonebridge, »ich glaube, ich werd's tun.« Er warf sein Sporthemd von sich, entledigte sich der Schuhe, zog die Hose aus und trat, nackt wie Krista, wenn auch weniger reizvoll, an den Rand des Swimmingpools und tauchte ins Wasser.
Mondstrahl und Rhetta waren schon dabei, sich auszuziehen.
»Halt!« rief Harold Austin. »Auch dieser Sportsmann begibt sich an den Start.«
Roscoe Heyward, der Krista halb schockiert, halb fasziniert beobachtet hatte, spürte Avril dicht neben sich. »Rossie, mein Süßer, machen Sie mir doch bitte den Reißverschluß auf.« Sie wandte ihm den Rücken zu.
Mit unsicherer Hand versuchte er, den Reißverschluß von seinem Stuhl aus zu erreichen.
»Stehen Sie doch auf, Sie Dummerchen«, lachte Avril. Als er es tat, lehnte sie sich mit halb ihm zugewandtem Kopf gegen ihn; ihre Wärme, ihr Duft waren überwältigend.
»Fertig?«
Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. »Nein, da scheint irgendwas... «
Mit einer geschickten Bewegung griff Avril zu. »Da, lassen Sie mich mal.« Sie führte zu Ende, was er begonnen hatte, und zog den Reißverschluß ganz herunter. Mit einer Bewegung ihrer Schultern schlüpfte sie aus dem Kleid.
Sie warf die Haare mit der ihm nun schon vertrauten Bewegung zurück. »Na, worauf warten Sie noch? Machen Sie mir den BH auf.«
Seine Hände zitterten. Sein Blick konnte sich nicht von ihr lösen, als er tat, was ihm aufgetragen war. Der BH fiel herab. Seine Hände blieben, wo sie waren.
Mit einer kaum wahrnehmbaren, graziösen Bewegung drehte Avril sich herum. Sie beugte sich vor und küßte ihn weich und warm auf die Lippen. Seine Hände, die ihre Stellung nicht verändert hatten, berührten die nach vorn drängenden Warzen ihrer Brüste. Unwillkürlich, so schien es, griffen seine Finger fester zu. Elektrische Ströme schienen von ihnen auszugehen und pflanzten sich durch seinen Körper fort.
»Hm«, schnurrte Avril wie eine zufriedene Katze. »Das ist gut. Kommen Sie schwimmen?«
Er schüttelte den Kopf.
»Bis gleich dann.« Sie wandte sich um, schritt in ihrer Nacktheit wie eine griechische Göttin davon und gesellte sich zu den anderen, die im Bassin herumalberten.
G. G. Quartermain hatte seinen Stuhl vom Tisch zurückgeschoben und war sitzen geblieben. Er nippte an seinem Cognac und betrachtete Heyward mit listigem Blick. »Ich bin auch nicht so wild aufs Schwimmen. Aber dann und wann, wenn man weiß, daß man unter Freunden ist, ist es gut für einen Mann, sich mal gehenzulassen.«
»Damit mögen Sie recht haben. Auch damit, was Sie über den Freundeskreis gesagt haben, in dem ich mich allerdings zu befinden glaube.« Heyward sank wieder in seinen Stuhl zurück; er nahm seine Brille ab und begann, die Gläser zu polieren. Er hatte sich jetzt wieder unter Kontrolle. Die Sekunde besinnungsloser Tollheit lag hinter ihm. Die Schwäche war überwunden. Er fuhr fort: »Das Problem liegt natürlich darin: Man geht gelegentlich ein wenig weiter, als man beabsichtigt hatte. Darum bin ich dafür, sich zu beherrschen. Haltung bewahren, das ist wichtig - dann braucht man hinterher auch nichts zu bereuen.«
Big George gähnte.
Während sie miteinander sprachen, rieben die anderen, die inzwischen aus dem Wasser gekommen waren, einander mit Handtüchern trocken und schlüpften in Bademäntel, die neben dem Becken bereitlagen.
Ungefähr zwei Stunden später begleitete Avril - wie sie es am Abend zuvor getan hatte - Roscoe Heyward bis an die Tür seines Schlafzimmers. Zuerst, unten, hatte er noch darauf bestehen wollen, daß sie ihn nicht begleitete. Dann hatte er sich anders besonnen, im Vertrauen auf seine wiederhergestellte Willenskraft und überzeugt davon, daß er keinen wilden, erotischen Impulsen mehr erliegen werde. Er fühlte sich sogar gefestigt genug, um fröhlich und aufgeräumt sagen zu können: »Gute Nacht, meine Liebe. Und, bevor Sie es mir noch einmal erzählen, ich weiß, daß Sie die Nummer sieben auf der Sprechanlage haben, aber Sie können sich darauf verlassen, daß ich nichts brauchen werde.«
Avril hatte ihn mit einem geheimnisvollen Halblächeln angesehen und sich dann abgewendet. Er machte sofort seine Schlafzimmertür zu und verschloß sie, dann summte er leise vor sich hin, während er sich für die Nacht fertigmachte.
Aber als er im Bett lag, fand er keinen Schlaf.
Fast eine Stunde lag er wach, die Bettdecke zurückgeworfen, die Matratze unter ihm weich und doch fest. Durch ein offenes Fenster konnte er das schläfrige Summen von Insekten hören und, fern, das Geräusch von Brechern am Strand.
Trotz aller guten Vorsätze stand das Mädchen Avril im Brennpunkt seiner Gedanken.
Avril... wie er sie gesehen und berührt hatte... atemberaubend schön, nackt und begehrenswert. Instinktiv bewegte er die Finger, durchlebte noch einmal das Gefühl jener vollen, festen Brüste, die Warzen hart und herausragend, spürte noch einmal, wie diese Brüste in den Schalen seiner Hände gelegen hatten.
Und unterdessen strafte sein Körper - fordernd, sich straffend - seinen Entschluß zur Ehrbarkeit Lügen.
Er versuchte, seine Gedanken abzulenken - hin zu Angelegenheiten der Bank, zum Kredit für Supranational, zu dem Direktoriumssitz, den G. G. Quartermain ihm in Aussicht gestellt hatte. Aber die Gedanken an Avril kehrten zu ihm zurück, stärker noch als vorher, unmöglich, sie zu unterdrücken. Er gedachte ihrer Beine, ihrer Schenkel, ihrer Lippen, ihres weichen Lächelns, ihrer Wärme und ihres Duftes... ihrer Bereitwilligkeit.