»Was die Automation angeht, stimme ich mit Alex überein«, sagte Leonard Kingswood. »Die meisten von uns erleben es in ihrer eigenen Branche. Sie macht sich schneller breit, als wir erwartet hatten.«
»Nicht minder wichtig ist«, fuhr Alex mit Nachdruck fort, »daß wir momentan die Chance haben, der Konkurrenz um einen großen - und gewinnbringenden - Sprung vorauszueilen, vorausgesetzt, es geschieht mit Pauken- und Trompetenbegleitung. Mit Unterstützung einer massiven Werbe-und Promotionskampagne und Nutzung aller Medien. Meine Herren, sehen Sie sich die Zahlen an. Hier zunächst unsere jetzigen Spareinlagen - wesentlich geringer, als sie sein sollten... «
Er entwickelte seine Gedanken weiter, unterstützt durch die Schaubilder und gelegentliche Erläuterungen durch Tom Straughan. Alex wußte, daß die Zahlen und Vorschläge, die er und Straughan hart erarbeitet hatten, solide und logisch waren. Dennoch spürte er krasse Opposition bei einigen Direktoren, mangelndes Interesse bei anderen. Weiter unten am Tisch legte ein Direktor die Hand vor den Mund und unterdrückte ein Gähnen.
Offensichtlich hatte er verloren. Der Plan über die Expansion der Sparabteilung und der Filialen würde zurückgewiesen werden, was praktisch einem Mißtrauensvotum auch gegen ihn selbst gleichkäme. Wie schon vorhin fragte Alex sich jetzt wieder, wie lange er sein Amt in der FMA wohl noch innehaben werde. Viel Zukunft schien er nicht zu haben, und er sah sich auch nicht als Angehöriger eines Regimes, das von Heyward beherrscht wurde.
Er beschloß, nun keine Zeit mehr zu vergeuden. »Okay, das soll reichen, meine Herren. Sofern Sie nicht noch Fragen haben.«
Er hatte keine erwartet. Am allerwenigsten hatte er mit Unterstützung von der Seite gerechnet, von der sie jetzt kam.
»Alex«, sagte Harold Austin lächelnd und in freundlichem Ton, »ich möchte Ihnen danken. Offen gesagt, ich bin beeindruckt. Das hatte ich nicht erwartet, aber Ihr Vortrag hat mich überzeugt. Mehr noch. Mir gefällt die Sache mit den neuen Bankfilialen.«
Wenige Plätze weiter machte Heyward ein verdutztes Gesicht, dann funkelte er Austin an. The Hon. Harold ignorierte ihn und appellierte an die anderen, die hier am Tisch saßen. »Ich meine, wir sollten uns Alex' Vorschlag unvoreingenommen durch den Kopf gehen lassen und unsere Meinungsverschiedenheiten von heute morgen mal vergessen.«
Leonard Kingswood nickte, mehrere andere ebenfalls. Auch die übrigen Direktoren schüttelten ihre NachmittagsSchläfrigkeit ab und wurden aufmerksam. Nicht ohne Grund war Austin das dienstälteste FMA-Direktoriumsmitglied. Sein Einfluß war stark. Außerdem hatte er Geschick darin, andere zu seinen Ansichten zu bekehren.
»Sie haben zu Anfang Ihrer Ausführungen von einer Rückkehr zu persönlicher Sparsamkeit gesprochen«, fuhr The Hon. Harold fort, »von Führungsqualitäten, die Banken wie die unsere an den Tag legen sollten.«
»Ja, stimmt.«
»Könnten Sie den Gedanken weiter ausführen?«
Alex zögerte. »Bitte, wenn Sie Wert darauf legen...«
Sollte er sich darauf einlassen? Alex wog die Möglichkeiten gegeneinander ab. Der Einwurf überraschte ihn nicht mehr. Er wußte genau, warum Austin die Front gewechselt hatte.
Werbung. Als Alex vorhin einen »massiven Werbefeldzug« mit Hilfe aller Medien vorgeschlagen hatte, war ihm aufgefallen, wie Austins Kopf sich aufrichtete, wie sein Interesse offensichtlich erwacht war. Von dem Augenblick an war es nicht mehr schwer gewesen, seine Gedanken zu erraten. Die Werbeagentur Austin hatte wegen der Mitgliedschaft des Hon. Austin im Direktorium und seines damit verbundenen Einflusses bei der FMA das Monopol in der Werbung für die Bank. Eine Kampagne von der Art, wie Alex sie vorsah, würde der Agentur Austin erheblichen Gewinn bringen.
Austins Reaktion war ein Fall von Interessenkonflikt der krassesten Art - der gleiche Interessenkonflikt, den Alex heute morgen im Hinblick auf Roscoe Heywards Einzug in das Supranational-Direktorium angeprangert hatte. Alex hatte gefragt: Wessen Interessen würde Roscoe voranstellen? Die von Supranational? Oder die Interessen der Aktionäre der First Mercantile American? Jetzt sollte man Austin eine Parallelfrage stellen.
Die Antwort lag auf der Hand: Austin nahm seine eigenen Interessen wahr; FMA rangierte an zweiter Stelle. In diesem Zusammenhang war es unerheblich, daß Alex an den Plan glaubte. Die Unterstützung - aus eigennützigen Gründen gewährt - verstieß gegen Treu und Glauben.
Sollte Alex das sagen? Tat er es, so löste er einen Aufruhr aus, größer noch als den vom Vormittag, und er würde wieder der Unterlegene sein. Direktoren steckten zusammen wie Logenbrüder. Mit Sicherheit würde eine solche Konfrontation auch jede eigene Effektivität Alex' in der FMA beenden. Lohnte es sich also? War es notwendig? Verlangten seine Pflichten es von ihm, der Hüter des Gewissens anderer zu sein? Alex war sich nicht sicher. Unterdessen beobachteten die Direktoren ihn und warteten.
Alex holte tief Luft. »Es ist richtig, ich habe - wie Harold sagt - von Sparsamkeit gesprochen und von einer führenden Hand.« Alex warf einen Blick auf seine Notizen, die er noch vor ein paar Minuten hatte zur Seite legen wollen.
»Es heißt«, erklärte er den lauschenden Direktoren, »daß Regierung, Industrie und Handel jeder Art auf Kredit beruhen. Ohne Kredit, ohne Geldaufnahme, ohne Darlehen - kleine, mittlere und massive - würde jegliches Geschäft aufhören und die ganze Gesellschaftsordnung verkümmern. Das wissen wir Banker am besten.
Nun wächst aber die Zahl derer, die glauben, daß das Leben auf Pump und die Defizitfinanzierung außer Rand und Band geraten sind, daß sie jedes vernünftige Maß hinter sich gelassen haben. Die Regierung der Vereinigten Staaten hat ein erschreckendes Gebirge von Schulden aufgetürmt, weit mehr, als wir je zurückzahlen können. Andere Regierungen sind in ebenso schlimmer oder noch schlimmerer Lage. Das ist der wahre Grund der Inflation und der Unterminierung der Währung hier bei uns und in anderen Ländern.
Diese überwältigende Staatsverschuldung«, führte Alex weiter aus, »entspricht mehr oder weniger einer gigantischen Konzernverschuldung. Und, auf weniger hoher finanzieller Ebene, haben Millionen von Menschen - dem vom Staat gesetzten Beispiel folgend - sich Schuldenlasten aufgebürdet, die sie nicht wieder abzahlen können. Die Gesamtverschuldung der Vereinigten Staaten beträgt zweieinhalb Billionen Dollar. Die Verbraucherverschuldung im ganzen Land nähert sich jetzt der Zweihundert-Milliarden-Dollargrenze. In den vergangenen sechs Jahren haben mehr als eine Million Amerikaner Bankrott gemacht.
Irgendwo am Wege ist uns - als Nation, als Unternehmer, als Bürger - die alte Tugend der Sparsamkeit, des Haushaltens abhanden gekommen, die Kunst, Ausgaben und Einnahmen aufeinander abzustimmen, das, was wir anderen schulden, in ehrlichen Grenzen zu halten.«
Die Stimmung im Raum war auf einmal ernst geworden. Darauf eingehend, sagte Alex mit ruhiger Stimme: »Ich wollte, ich könnte behaupten, daß sich schon eine Tendenzänderung ankündigt. Aber noch zeichnet sie sich nicht ab. Doch Tendenzen setzt man in Gang, indem irgendwo entschlossen gehandelt wird. Warum nicht bei uns?
Es liegt in der Natur unserer Zeit, daß Sparkonten - mehr als jede andere monetäre Tätigkeit - finanzielle Umsicht repräsentieren. Als Staat und als Bürger brauchen wir mehr Umsicht. Ein Weg dahin führt über eine gewaltige Steigerung des Sparvolumens.