»Oh, das ist gut, Rossie. Ist das nicht wunderbar?«
Er hauchte: »Ja. Ja!«
»Bald, Rossie. Ganz bald.«.
Neben ihm, über die beiden dicht aneinandergelegten Kissen des Bettes, ergoß sich Avrils rotes Haar. Ihre Küsse berauschten ihn. Er atmete ihren süßen, betörenden Duft ein. Ihr herrlicher gertenschlanker, hingebungsvoller Leib war unter ihm. Das, schrien seine Sinne, war das Beste im Leben, auf Erden und im Himmel, hier, jetzt.
Die einzige bittersüße Traurigkeit dabei war der Gedanke daran, daß er so viele Jahre gewartet hatte, um es zu finden.
Wieder suchten Avrils Lippen die seinen und fanden sie.
Sie drängte ihn: -»Jetzt, Rossie! Jetzt, Süßer! Jetzt!«.
Das Schlafzimmer war, wie Heyward bei seiner Ankunft bemerkt hatte, genormtes Hilton - sauber, zweckmäßig-bequem, eine charakterlose Schachtel. Ein Wohnraum des gleichen Genres lag auf der anderen Seite der Tür; auch diesmal, wie bei den vorangegangenen Treffen, hatte Avril eine Suite genommen.
Seit dem späten Nachmittag waren sie hier. Nach der Umarmung hatten sie ein wenig geschlafen, waren aufgewacht, hatten sich wieder geliebt - wenn auch diesmal nicht bis zum Höhepunkt - und hatten dann noch eine Stunde geschlummert. Jetzt zogen beide sich an. Heywards Uhr zeigte acht.
Er war erschöpft, körperlich ausgelaugt. Mehr als alles andere wollte er nach Hause und ins Bett - allein. Er fragte sich, wie bald er sich mit einigem Anstand davonmachen konnte.
Avril war im Wohnzimmer gewesen und hatte telefoniert. Als sie wieder hereinkam, sagte sie: »Ich habe das Abendessen für uns bestellt, Süßer. Es wird gleich hier sein.«
»Das ist großartig, meine Liebe.«
Avril hatte einen durchsichtigen Unterrock und einen Slip angezogen. Keinen BH. Sie fing an, ihr langes Haar zu bürsten, das in Unordnung geraten war. Er saß auf dem Bett und beobachtete sie, trotz seiner Müdigkeit der Tatsache bewußt, daß jede ihrer Bewegungen geschmeidig und sinnlich war. Verglichen mit Beatrice, die er täglich sah, war Avril so jung. Plötzlich kam er sich niederschmetternd alt vor.
Sie gingen ins Wohnzimmer, wo Avril sagte: »Machen wir den Champagner auf.«
Er stand auf einer Anrichte in einem Eiskübel. Heyward hatte ihn schon vorhin bemerkt. Inzwischen war das Eis zum größten Teil geschmolzen, aber die Flasche war noch kalt. Ungeschickt hantierte er an Draht und Korken.
»Nein, nicht den Korken bewegen«, wies Avril ihn an. »Halt die Flasche schief, halt dann den Korken fest und dreh die Flasche.«
Es ging ganz leicht. Sie wußte so viel.
Sie nahm ihm die Flasche ab und schenkte zwei Gläser ein. Er schüttelte den Kopf. »Du weißt, daß ich nicht trinke, Liebes.«
»Probier's mal, man fühlt sich herrlich jung danach.« Sie reichte ihm ein Glas. Als er kapitulierte und es nahm, schoß ihm die Frage durch den Kopf, ob sie ihn wohl durchschaut hatte.
Nach zweimaligem Nachfüllen, als der Zimmerservice das Abendessen brachte, fühlte er sich tatsächlich jünger.
Als der Kellner gegangen war, sagte Heyward: »Du hättest mich zahlen lassen sollen.« Vor ein paar Minuten hatte er seine Brieftasche gezogen, aber Avril hatte abgewinkt und die Rechnung abgezeichnet.
»Warum, Rossie?«
»Weil du mir erlauben mußt, dir wenigstens etwas von deinen Auslagen zu ersetzen - die Hotelrechnungen, die Flugkarte hierher von New York.« Er hatte erfahren, daß Avril ein Apartment in Greenwich Village hatte. »Das ist zuviel, du sollst nicht alles allein bezahlen.«
Sie sah ihn forschend an, dann lachte sie silberhell. »Ja, glaubst du denn, daß ich das alles bezahle?« Sie schloß mit einer Handbewegung die ganze Suite ein. »Von meinem Geld? Rossie, Baby, du mußt verrückt sein!«
»Aber wer zahlt es denn?«
»Supranational natürlich, Dummchen! Das hier wird denen alles in Rechnung gestellt - die Suite, das Essen, mein Flugticket, meine Zeit.« Sie ging zu seinem Stuhl hinüber und küßte ihn; ihre Lippen waren voll und feucht. »Mach dir doch darüber keine Gedanken!«
Er saß ganz still, zerschmettert und schweigend, und verarbeitete den Schock, den das eben Gesagte ihm versetzt hatte. Die besänftigende Wirkung des Champagners lief noch durch seinen Körper, aber in seinem Kopf war es klar.
»Meine Zeit.« Das tat weher als alles andere. Bis jetzt hatte er angenommen, daß Avril ihn nach den Bahamas angerufen, ein Treffen vorgeschlagen hatte, weil sie ihn mochte, weil sie genossen hatte - ebensosehr wie er selbst -, was zwischen ihnen geschehen war.
Wie hatte er so naiv sein können? Natürlich war das ganze Unternehmen von Quartermain arrangiert und von Supranational finanziert worden. Hätte sein gesunder Menschenverstand ihm das nicht sagen müssen? Oder hatte er sich abgeschirmt, indem er sich diese Fragen nicht stellte, weil er es nicht wissen wollte? Noch etwas: Wenn Avril für »meine Zeit« bezahlt wurde, was war sie dann? Eine Hure? Und wenn sie das war, was war dann Roscoe Heyward? Er schloß die Augen. Lukas 18, Vers 13, dachte er: Gott, sei mir Sünder gnädig!
Eines konnte er natürlich tun. Sofort. Er konnte feststellen, wieviel bisher ausgegeben worden war, und Supranational einen persönlichen Scheck über diese Summe zuschicken. Er begann zu rechnen, dann erkannte er, daß er keinerlei Vorstellung von Avrils Preis hatte. Sein Instinkt sagte ihm, daß er nicht gering sein konnte.
Überhaupt bezweifelte er, ob das klug sein würde. Sein Finanzdirektoren-Verstand argumentierte: Wie sollte Supranational die Zahlung verbuchen? Und realistischer noch: Er konnte das Geld praktisch nicht entbehren. Außerdem, was würde geschehen, wenn er Avril wieder brauchte? Und das würde bestimmt bald der Fall sein, wie er jetzt schon wußte.
Das Telefon läutete und füllte das kleine Zimmer mit Lärm. Avril meldete sich, sagte ein paar Worte und verkündete dann:
»Für dich.«
»Für mich?«
Als er den Hörer nahm, dröhnte eine Stimme: »Hallo, Roscoe!«
»Wo sind Sie, George?« fragte Heyward scharf.
»Washington. Hab' wirklich gute Nachricht über SuNatCo. Quartals-Gewinn- und Verlustrechnung. Sie lesen das morgen in den Zeitungen.«
»Sie rufen mich hier an, um mir das zu sagen?«
»Hab' Sie unterbrochen, wie?«
»Nein.«
Big George lachte glucksend. »Nur ein freundschaftlicher Anruf, alter Junge. Um mich zu überzeugen, daß alles richtig geregelt ist.«
Wenn er protestieren wollte, begriff Heyward, dann war jetzt der richtige Augenblick. Aber wogegen protestieren? Gegen die großzügige Überlassung von Avril? Oder wegen seiner eigenen akuten Verlegenheit?
Die dröhnende Telefonstimme übertönte seine Ratlosigkeit. »Der Q-Investments-Kredit schon okay?«
»Nicht ganz.«
»Lassen sich Zeit, was?«
»Nicht unbedingt. Es sind gewisse Formalitäten nötig.«
»Machen wir voran damit, oder ich muß 'ner anderen Bank das Geschäft geben und vielleicht auch etliches von Supranational dahin übertragen.«
Die Drohung war klar. Sie überraschte Heyward auch nicht, denn Druck und Zugeständnisse gehörten zum normalen Bankgeschäft.
»Ich tu mein Bestes, George.«
Ein Grunzen. »Avril noch da?«
» Ja.«
»Geben Sie sie mir.«
Heyward hielt Avril den Hörer hin. Sie lauschte kurz, sagte: »Ja, mach' ich«, lächelte und legte auf.
Sie ging in das Schlafzimmer, wo er einen Koffer aufschnappen hörte, und einen Augenblick später tauchte sie mit einem großen braunen Umschlag wieder auf. »Georgie sagte, ich soll dir das geben.«