Frage: Sie sind selbst Bankier, und Ihre eigene Bank profitiert von dem Gesetz, über das wir sprechen; warum also treten Sie für eine Änderung ein?
Vandervoort: Erstens bin ich für Fairneß. Zweitens brauchen die Banken diese vielen Krücken in Gestalt protektionistischer Gesetze nicht. Meiner Meinung nach fahren wir besser - und damit meine ich bessere Dienstleistung und bessere Ertragslage - ohne sie.
Frage: Hat es in Washington nicht Empfehlungen hinsichtlich der von Ihnen erwähnten Änderungen gegeben?
Vandervoort: Ja. Den Bericht der Hunt-Kommission 1971 und Gesetzesvorschläge, die sich daraus ergaben und die den Verbrauchern zugute kommen würden. Aber der ganze Komplex ist im Kongreß blockiert, wobei Sonderinteressen - einschließlich unserer eigenen Banklobby - den Fortschritt aufhalten.
Frage: Rechnen Sie damit, daß Sie sich durch Ihre Offenheit in diesem Gespräch die Feindschaft anderer Banker zuziehen werden?
Vandervoort: Darüber hatte ich wirklich nicht nachgedacht.
Frage: Vom Bankgeschäft abgesehen, haben Sie eine Gesamtmeinung über die gegenwärtige wirtschaftliche Lage?
Vandervoort: Ja, aber eine Gesamtmeinung darf sich nicht auf die Wirtschaft beschränken.
Frage: Bitte formulieren Sie Ihre Meinung - und beschränken Sie sie nicht.
Vandervoort: Unser größtes Problem, und unser größtes Pflichtversäumnis als Nation, ist die Tatsache, daß heute fast alles gegen den einzelnen ausgerichtet ist und zugunsten der großen Institutionen - große Konzerne, große Geschäftshäuser, große Gewerkschaften, große Banken, große Regierung. Der einzelne hat deshalb nicht nur Schwierigkeiten, voranzukommen und sich dort zu halten, sondern ihm fällt es oft schwer genug, einfach nur zu überleben. Und immer, wenn etwas Schlimmes passiert - Inflation, Abwertung, Depression, Verknappungen, Steuererhöhungen, sogar Kriege -, haben nicht die großen Institutionen darunter zu leiden, oder doch nur wenig, sondern es trifft nur den einzelnen.
Frage: Sehen Sie da irgendwelche historischen Parallelen?
Vandervoort: Allerdings. Es mag sich sonderbar anhören, aber am nächsten kommt meiner Meinung nach das Frankreich unmittelbar vor der Revolution. Damals ging jedermann trotz Unruhe und schlechter Wirtschaftslage von der Annahme aus, daß die Geschäfte wie gewohnt weitergehen würden. Statt dessen stürzte der Pöbel -bestehend aus einzelnen Menschen, die sich auflehnten -die Tyrannen, die ihn unterdrückten. Ich sage nicht, daß bei uns jetzt genau vergleichbare Umstände herrschen, aber in vieler Hinsicht sind wir der Tyrannei über das Individuum wieder sehr nahegekommen. Und Leuten, die ihre Familien wegen der Inflation nicht mehr ernähren können, mitzuteilen, >euch ist es noch nie so gut gegangene, das kommt dem Rat: >Sollen sie doch Kuchen essen< peinlich nahe. Deshalb sage ich, wenn wir unsere derzeitige Lebensform und unsere persönliche Freiheit, die wir angeblich hochschätzen, bewahren wollen, dann täten wir gut daran, wieder an die Interessen des einzelnen zu denken und etwas für ihn zu tun.
Frage: Und in Ihrem eigenen Falle würden Sie damit beginnen, darauf hinzuwirken, daß die Banken dem einzelnen besser dienen.
Vandervoort: Ja.
»Liebling, das ist großartig! Ich bin stolz auf dich, und ich liebe dich mehr denn je«, sagte Margot zu Alex, als sie am Tage vor der Veröffentlichung des Interviews ein Vorausexemplar las. »Das ist das Ehrlichste, was ich je gehört habe. Aber deine Bank-Kollegen werden dich nicht gerade dafür lieben. Die werden deine Eier zum Frühstück wollen.«
»Einige schon«, sagte Alex. »Andere nicht.«
Aber jetzt, da er die Fragen und Antworten gedruckt gesehen hatte, war er trotz der Woge des Erfolges, die ihn emporgetragen hatte, doch ein wenig in Sorge.
3
»Daß man Sie nicht gekreuzigt hat, Alex«, verkündete Lewis D'Orsey, »haben Sie nur der Tatsache zu verdanken, daß es >The New York Times< war. Hätten Sie das alles irgendeiner anderen Zeitung im Lande gesagt, dann hätten die Direktoren Ihrer Bank sich von Ihnen losgesagt und Sie verstoßen wie einen Aussätzigen. Nicht so im Falle der >Times<. Das hüllt Sie in den Mantel der Wohlanständigkeit, aber fragen Sie mich nicht, warum.«
»Lewis«, bat Edwina D'Orsey, »könntest du deine Rede vielleicht kurz unterbrechen und Wein nachschenken?«
»Ich halte keine Rede.« Ihr Mann erhob sich vom Tisch und ergriff eine zweite Karaffe Clos de Vougeot 1962. An diesem Abend sah Lewis so schwächlich und unterernährt aus wie eh und je. Er fuhr fort: »Ich lasse mich ruhig und deutlich über >The New York Times< aus, die ich für ein steriles, rosarotes Schmutzblatt halte, dessen durch nichts gerechtfertigtes Prestige ein Monument des amerikanischen Schwachsinns ist.«
»Sie hat eine größere Auflage als dein Informationsbrief«, sagte Margot Bracken. »Kannst du sie vielleicht deshalb nicht leiden?«
Sie und Alex Vandervoort waren zu Gast bei Lewis und Edwina D'Orsey in deren elegantem Cayman Manor-Penthouse. Auf dem Tisch schimmerten im weichen Kerzenlicht Tafellinnen, Kristall und poliertes Silber. An der einen Seite des großen Eßzimmers umrahmte ein breites, tiefes Fenster die flimmernden Lichter der tief unter ihnen liegenden Stadt. Durch die Lichter wand sich schwarz der Lauf des Flusses.
Eine Woche war vergangen seit der Veröffentlichung des kontroversen Interviews mit Alex.
Lewis stocherte an einem Rinds-Medaillon herum und sagte herablassend zu Margot: »Mein vierzehntägiger Informationsbrief repräsentiert hohe Qualität und überlegenen Intellekt. Die meisten Tageszeitungen, einschließlich der >Times<, sind vulgäre Quantität.«
»Hört auf mit der Stichelei, ihr beiden!« Edwina wandte sich Alex zu. »Mindestens ein Dutzend Leute haben mir diese Woche in der Bank gesagt, daß sie das Interview gelesen hätten und daß sie Ihre Offenheit bewundern. Wie war denn die Reaktion in der Zentrale?«
»Gemischt.«
»Ich wette, ich kenne einen, der nicht begeistert war.«
»Sie haben recht.« Alex lachte in sich hinein. »Roscoe war nicht der Anführer der Gratulationscour.«
Heywards ganze Haltung war in letzter Zeit noch eisiger geworden. Alex hatte den Verdacht, daß Heyward sich nicht nur über die Aufmerksamkeit ärgerte, die Alex zuteil wurde, sondern auch über die Erfolge der Sparkampagne und der Geldläden; Roscoe Heyward hatte sich gegen beides ausgesprochen.
Eine andere miesmacherische Prophezeiung Heywards und seiner Anhänger im Direktorium hatte sich auf die Einlagen der Spar- und Darlehenskassen in Höhe von 18 Millionen Dollar bezogen. Trotz erheblichen Geschreis von seiten ihrer Geschäftsleitungen hatten sie ihre Einlagen doch nicht von der First Mercantile American abgezogen. Auch sah es nicht so aus, als würde das noch kommen.
»Von Roscoe und einigen anderen abgesehen«, sagte Edwina, »sollen Sie nach allem, was ich höre, jetzt einen ziemlich starken Anhang in der Bank haben.«
»Vielleicht bin ich gerade >in<, wie ein Modegag, der schnell wieder vergeht.«
»Oder eine Sucht«, sagte Margot. »Auf mich wirkst du gewohnheitsbildend.«
Er lächelte. Es hatte ihm in der letzten Woche Auftrieb gegeben, Glückwünsche von Leuten zu hören, die er selbst schätzte und respektierte, wie Tom Straughan, Orville Young, Dick French und Edwina, und von anderen, darunter Nachwuchs-Führungskräfte, deren Namen er vorher nicht einmal gekannt hatte. Mehrere Direktoren hatten angerufen und sich beifällig geäußert. »Sie tun sehr viel für das Image der Bank«, hatte Leonard L. Kingswood am Telefon gesagt. Und wenn Alex durch den FMA-Tower ging, war das manchmal wie ein Triumphzug gewesen, mit all den Angestellten und Sekretärinnen, die ihn grüßten und ihm zulächelten.