Das meiste davon erklärte der Banksicherheitschef Miles Eastin ausführlich. Außerdem breitete er einen im Grunde einfachen Plan aus. Miles würde zum Fitness-Club Doppelte Sieben gehen und die Kontakte aufnehmen, die sich ihm boten. Er würde versuchen, sich beliebt zu machen, und er würde auch alle sich ihm bietenden Gelegenheiten nutzen, um zu Geld zu kommen.
»Das bedeutet ein doppeltes Risiko, darüber müssen Sie sich im klaren sein«, sagte Wainwright. »Wenn Sie was Kriminelles tun und dabei geschnappt werden, dann werden Sie verhaftet und vor Gericht gestellt, und kein Mensch kann Ihnen helfen. Das andere Risiko ist, selbst wenn Sie nicht geschnappt werden, aber der Bewährungsausschuß kriegt davon Wind, dann bringt Sie das mit ebensolcher Sicherheit wieder ins Gefängnis.«
Passierte aber keine der beiden Pannen, fuhr Wainwright fort, dann sollte Miles versuchen, seine Kontakte zu erweitern, sich umhören und Informationen sammeln. Zu Anfang sollte er sich hüten, neugierig zu erscheinen. »Sie lassen es langsam angehen«, mahnte Wainwright ihn. »Nichts überstürzen, immer mit Geduld. Es muß sich herumsprechen; lassen Sie die Leute kommen.«
Erst wenn man Miles akzeptiert hatte, sollte er energischer daran arbeiten, mehr zu erfahren. Er konnte dann erste diskrete Erkundigungen nach gefälschten Kreditkarten einziehen, sich persönlich interessiert zeigen und versuchen, näher an die heranzukommen, die damit handelten. »Es gibt immer jemanden«, erklärte Wainwright, »der einen anderen kennt, der wieder von irgendeinem Kerl gehört hat, der weiß, wo was los ist. Auf die Weise rutschen Sie da rein.«
Von Zeit zu Zeit, sagte Wainwright, würde Eastin ihm berichten. Niemals aber direkt.
Das Problem des Berichtens erinnerte Wainwright an seine Pflicht, von Vic zu erzählen. Er tat das ohne Beschönigung, er ließ keine Einzelheit aus. Während er sprach, sah er, wie Miles Eastin blaß wurde, und ihm fiel die Nacht in Eastins Wohnung wieder ein, der Augenblick der Konfrontation und Überführung, als die instinktive Furcht des jüngeren Mannes vor physischer Gewalt sich so deutlich gezeigt hatte.
»Was auch geschieht«, sagte Wainwright mit Strenge, »ich will nicht, daß Sie später sagen oder denken, ich hätte Sie nicht vor den Gefahren gewarnt.« Er hielt inne, dachte nach. »Jetzt zum Thema Geld.«
Wenn Miles sich bereit erklärte, für die Bank als Spitzel zu arbeiten, sagte der Sicherheitschef, dann garantiere er ihm die Zahlung von fünfhundert Dollar monatlich, bis der Auftrag - so oder so - beendet war. Das Geld werde über einen Mittelsmann gezahlt.
»Wäre ich damit Angestellter der Bank?«
»Absolut nicht.«
Die Antwort war eindeutig, nachdrücklich, endgültig. Wainwright führte aus: Die Bank werde offiziell überhaupt nicht beteiligt sein. Erklärte Miles Eastin sich bereit, die vorgeschlagene Rolle zu übernehmen, so war er von dem Augenblick an auf sich allein gestellt. Geriet er in Schwierigkeiten und versuchte er, die First Mercantile American hereinzuziehen, so werde man jede Verbindung zu ihm leugnen, und kein Mensch werde ihm glauben. »Seit Sie rechtsgültig verurteilt worden und ins Gefängnis gekommen sind«, erklärte Wainwright, »haben wir nicht einmal mehr etwas von Ihnen gehört.«
Miles zog eine Grimasse. »Einseitig mein Risiko.«
»Darauf können Sie Gift nehmen! Aber vergessen Sie nicht: Sie sind hergekommen. Ich bin nicht zu Ihnen gekommen. Also antworten Sie - ja oder nein?«
»Was würden Sie an meiner Stelle tun?«
»Ich bin nicht an Ihrer Stelle, und ich werde es kaum jemals sein. Aber ich sage Ihnen, wie ich es sehe. So wie die Dinge stehen, haben Sie keine große Wahl.«
Einen Augenblick lang blitzten Humor und gute Laune des alten Miles Eastin wieder auf. »Kopf - ich verliere; Zahl - ich verliere. Ich habe den großen Preis für Verlierer gewonnen. Eine Frage habe ich noch.«
»Die wäre?«
»Wenn es klappt, wenn ich - wenn Sie die Beweise bekommen, die Sie brauchen, werden Sie mir dann hinterher helfen, einen Job bei der FMA zu finden?«
»Das kann ich nicht versprechen. Ich sagte schon, die Regeln habe ich nicht erfunden.«
»Aber Sie haben Einfluß genug, um sie ein bißchen zurechtzubiegen.«
Wainwright überlegte eine Weile, bevor er antwortete. Er dachte: Wenn es soweit ist, könnte er letzten Endes immer noch zu Alex Vandervoort gehen und ein gutes Wort für Eastin einlegen. Ein Erfolg wäre das wert. Laut sagte er: »Ich werd's versuchen. Mehr verspreche ich nicht.«
»Sie sind hart«, sagte Miles Eastin. »Gut. Ich mache es.«
Sie sprachen über eine Mittelsperson.
»Von heute an«, sagte Wainwright eindringlich, »werden wir beide uns nicht mehr direkt treffen. Das ist zu gefährlich; wir beide werden möglicherweise beobachtet. Wir brauchen jemanden, der Nachrichten weiterleiten kann - in beiden Richtungen - und Geld; jemanden, dem wir beide absolut vertrauen.«
Miles sagte langsam: »Da wäre Juanita Nunez. Wenn sie dazu bereit ist.«
Wainwright sah ihn ungläubig an. »Die Kassiererin, die Sie... «
»Ja. Aber sie hat mir verziehen.« In seiner Stimme klang eine Mischung von Überschwang und Erregung mit. »Ich habe sie besucht, und, der Himmel segne sie, sie hat mir verziehen!«
»Der Teufel soll mich holen.«
»Fragen Sie sie selbst«, sagte Miles Eastin. »Es gibt absolut keinen Grund, warum sie mitmachen sollte. Aber ich glaube... ich glaube, vielleicht tut sie's doch.«
5
Wie zuverlässig war Lewis D'Orseys Instinkt in bezug auf Supranational Corporation? Wie solide war Supranational? Dieser Gedanke beschäftigte und quälte Alex Vandervoort weiter.
An einem Samstagabend hatte das Gespräch zwischen Alex und Lewis über SuNatCo stattgefunden. Während des ganzen verbleibenden Wochenendes grübelte Alex über die Empfehlung des »D'Orsey Newsletter« nach, Supranational-Aktien zu jedem auf dem Markt erhältlichen Kurs zu verkaufen, und über Lewis' Zweifel an der Solidität des Konzerns.
Das gesamte Thema war von überragender, ja, lebenswichtiger Bedeutung für die Bank. Doch es konnte eine delikate Situation entstehen, in der er, wie Alex einsah, mit Behutsamkeit vorgehen mußte.
Vor allem war Supranational jetzt ein Großkunde, und jeder Kunde würde mit Recht ungehalten sein, wenn seine eigenen Bankiers abträgliche Gerüchte über ihn in Umlauf setzten, besonders wenn sie falsch waren. Und Alex machte sich keine Illusionen: Begann er erst einmal, Erkundigungen einzuziehen und Fragen zu stellen, würde sich das sehr schnell herumsprechen.
Aber waren die Gerüchte falsch? Gewiß fehlte es - wie Lewis D'Orsey zugegeben hatte - an Substanz. Aber das hatte auch für die ersten Gerüchte über so aufsehenerregende Pleiten gegolten wie die von Penn Central, Equity Funding, Franklin National Bank, Security National Bank, American Bank & Trust, U. S. National Bank of San Diego und andere. Und dann gab es ja noch Lockheed, die zwar nicht pleite, aber dem sehr nahegekommen waren, bis eine Spende der US-Regierung sie ausgelöst hatte. Mit beunruhigender Deutlichkeit erinnerte Alex sich an Lewis D'Orseys Bemerkung über den SuNatCo-Vorsitzenden Quartermain, der in Washington nach einem Kredit a la Lockheed Ausschau halte - nur hatte Lewis das Wort »Subvention« gebraucht, was der Wahrheit recht nahe kam.