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Es war natürlich denkbar, daß Supranational nur an einem vorläufigen Liquiditätsengpaß litt, was manchmal den gesündesten Firmen passierte. Alex hoffte, daß es nur das - oder weniger als das - war. Aber als einer der leitenden Direktoren der FMA konnte er es sich nicht leisten, die Augen zu schließen und das Beste zu hoffen. Fünfzig Millionen Dollar vom Geld der Bank waren in die SuNatCo geschleust worden; außerdem hatte die Treuhandabteilung unter Verwendung von Mitteln, deren Hütung und Vermehrung Aufgabe der Bank war, große Mengen Supranational-Aktien gekauft, eine Tatsache, die Alex noch immer kalte Schauer über den Rücken jagte, wenn er daran dachte.

Er kam zu dem Schluß, daß er als erstes, fairerweise, Roscoe Heyward unterrichten müsse.

Am Montag morgen ging er von seinem Büro durch den mit Teppich ausgelegten Korridor im sechsunddreißigsten Stock zu Heywards Büro. Die neueste Nummer von »The D'Orsey Newsletter«, die Lewis ihm am Samstag abend gegeben hatte, hatte Alex bei sich.

Heyward war nicht da. Der Chefsekretärin, Mrs. Callaghan, freundlich zunickend, schlenderte Alex hinein und legte den Informationsbrief mitten auf Heywards Schreibtisch. Er hatte einen Kreis um die Meldung über Supranational gezogen und einen Zettel mit folgendem Text darangeklammert:

Roscoe -ich dachte, Sie sollten das lesen.

A.

Dann kehrte Alex in sein eigenes Büro zurück.

Eine halbe Stunde später stürmte Heyward herein, das Gesicht rot angelaufen, und knallte ihm den Informationsbrief auf den Tisch. »Haben Sie mir diesen Wisch, der eine Beleidigung für jeden intelligenten Menschen darstellt, hingelegt?«

Alex zeigte auf den Zettel, der noch immer angeheftet war. »Es sieht so aus.«

»Dann verschonen Sie mich bitte fortan mit diesen Elaboraten eines eingebildeten Dummkopfs!«

»Na, na! Sicher, Lewis D'Orsey ist eingebildet, und ich stimme auch nicht mit allem, was er schreibt, überein. Sie ja offenbar auch nicht. Aber ein Dummkopf ist er nicht, und manche seiner Ansichten verdienen zumindest Aufmerksamkeit.«

»Das finden Sie vielleicht. Andere nicht. Ich empfehle Ihnen, dies hier zu lesen.« Heyward klatschte ein aufgeschlagenes Magazin auf den Informationsbrief.

Alex warf einen Blick darauf, erstaunt über die Heftigkeit des anderen. »Das habe ich schon gelesen.«

Das Magazin war »Forbes«, der fragliche zweiseitige Artikel eine wilde Attacke gegen Lewis D'Orsey. Alex war zu dem Urteil gelangt, daß der Artikel viele bösartige Spitzen, aber wenig Fakten enthielt. Aber er unterstrich, was er schon wußte -daß Angriffe gegen »The D'Orsey Newsletter« in der Presse des Finanz-Establishments keine Seltenheit waren. Alex erinnerte daran: »>The Wall Street Journal< hat vor einem Jahr etwas Ähnliches gebracht.«

»Dann wundert es mich nur, daß Sie die Augen vor Tatsachen verschließen. D'Orsey hat weder Ausbildung noch Qualifikation als Anlageberater aufzuweisen. In gewisser Hinsicht bedaure ich, daß seine Frau für uns arbeitet.«

Mit Schärfe entgegnete Alex: »Edwina und Lewis D'Orsey halten bewußt eine säuberliche Trennung zwischen ihren beruflichen Tätigkeiten aufrecht, und das wissen Sie genauso gut wie ich. Was die Qualifikation betrifft, so darf ich Sie daran erinnern, daß viele studierte Experten sich in Wirtschaftsprognosen sehr schwer getan haben. Im Gegensatz zu Lewis D'Orsey.«

»Nicht, was Supranational betrifft.«

»Sie glauben also, daß SuNatCo solide ist?«

Alex hatte die letzte Frage mit ruhiger Stimme gestellt, nicht aus Feindseligkeit, sondern wie jemand, der Auskunft sucht. Aber sie schien auf Roscoe Heyward eine nahezu explosive Wirkung zu haben. Heyward blitzte ihn durch seine randlose Brille an; sein gerötetes Gesicht lief noch mehr an. »Ihnen würde natürlich nichts größere Freude bereiten, als einen Rückschlag für SuNatCo zu erleben und damit für mich.«

»Nein, das ist... «

»Lassen Sie mich ausreden!« Heywards Gesichtsmuskeln zuckten, als seine Wut sich Luft machte. »Ich habe mehr als genug von Ihren kleinkarierten Intrigen und vertrauensschädigenden Umtrieben, wie diesen Schmutz hier zu verbreiten« - er zeigte auf »The D'Orsey Newsletter« -, »und jetzt sage ich Ihnen, hören Sie auf, lassen Sie's genug sein. Supranational war und ist eine solide, fortschrittliche Gesellschaft mit hohem Ertrag und gutem Management. Das SuNatCo-Konto hereingeholt zu haben - wie eifersüchtig Sie persönlich auch sein mögen -, war mein Verdienst; es ist meine Sache. Und ich warne Sie: Halten Sie sich da heraus!«

Heyward machte auf dem Absatz kehrt und stolzierte hinaus.

Mehrere Minuten lang saß Alex Vandervoort schweigend da und versuchte abzuwägen, was gerade geschehen war. Der Ausbruch hatte ihn erstaunt. In den zweieinhalb Jahren, die er Roscoe Heyward kannte und in denen er mit ihm gearbeitet hatte, war es zwischen den beiden zu Meinungsverschiedenheiten gekommen und gelegentlich auch deutlich geworden, daß sie einander nicht mochten. Aber noch nie hatte Heyward, wie an diesem Vormittag, die Selbstbeherrschung verloren.

Alex glaubte, den Grund zu kennen. Das ganze Getöse sollte nur verdecken, daß Roscoe Heyward sich Sorgen machte. Je mehr Alex darüber nachdachte, desto überzeugter war er davon.

Da Alex sich zuvor ebenfalls Sorgen gemacht hatte - und zwar über Supranational -, stellte sich nun die Frage von selbst: Machte auch Heyward sich Sorgen über SuNatCo? Und wenn ja, was war zu tun?

Während er grübelte, kam ihm plötzlich die Erinnerung an eine Bemerkung aus einer kürzlich stattgefundenen Unterhaltung. Alex drückte eine Taste der Sprechanlage. »Versuchen Sie, Miss Bracken zu erreichen«, bat er seine Sekretärin.

Es dauerte fünfzehn Minuten, dann sagte Margots Stimme aufgekratzt: »Hoffentlich hast du einen stichhaltigen Grund. Du hast mich aus der Verhandlung herausgeholt.«

»Hab' ich, Bracken.« Er vergeudete keine Zeit. »In deinem Kaufhaus-Musterprozeß - von dem du uns Samstag abend erzählt hast - hast du einen Privatdetektiv beschäftigt, sagtest du.«

»Ja. Vernon Jax.«

»Ich glaube, Lewis kannte ihn oder hatte von ihm gehört.«

»Richtig.«

»Und Lewis sagte, er wäre ein guter Mann, der schon für die Börsenaufsicht gearbeitet hat.«

»Habe ich auch gehört. Wahrscheinlich deshalb, weil Vernon promovierter Volkswirtschaftler ist.«

Alex fügte diese Information den Notizen hinzu, die er sich schon gemacht hatte. »Ist Jax diskret? Vertrauenswürdig?«

»Absolut.«

»Wie erreiche ich ihn?«

»Das werde ich erledigen. Sag mir, wo und wann du ihn sprechen willst.«

»In meinem Büro, Bracken. Heute - unbedingt.«

Alex betrachtete den unordentlich gekleideten, unauffälligen Mann mit beginnender Stirnglatze, der ihm in der Besprechungsecke seines Büros gegenüber saß. Es war gegen drei Uhr nachmittags.

Jax, schätzte Alex, mochte Anfang Fünfzig sein. Er sah wie ein Kleinstadtkrämer aus, dem es nicht allzu gut ging. Das Oberleder seiner Schuhe war brüchig, und sein Jackett wies Flecke von Essensresten auf. Alex wußte schon, daß Jax als Fahndungsbeamter für die Steuerbehörde gearbeitet hatte, bevor er sich selbständig machte.

»Ich höre, daß Sie promovierter Volkswirtschaftler sind«, begann Alex.

Der andere tat das mit einem Achselzucken ab. »Abenduniversität. Sie wissen ja, wie es ist. Abends hat man Zeit und da...« Seine Stimme verlor sich, er ließ den Satz in der Luft hängen.

»Bilanzwesen? Verstehen Sie viel davon?«

»Ein wenig. Bereite mich gerade auf die Buchsachverständigen-Prüfung vor.«

»Wohl auch Abenduniversität, was?« Alex begann, den anderen zu begreifen.