„Hoffentlich gibt es ein zweites“, meinte Kerk ohne große Begeisterung. „Bisher sieht alles nach einem Rückzug aus.“
„Richtig, das ist gerade die Absicht dahinter. In den Bergen suchen wir uns ein einsames Tal, das zu Fuß unerreichbar wäre. Dort bauen wir ein Musterdorf und besiedeln es mit einem kleinen Stamm Barbaren, die wir dorthin verschleppen.
Sie bekommen alles, was sie sich nur wünschen können und werden später wieder entlassen. Aber inzwischen leihen wir uns ihre Moropen und Camudis und alles andere.“
„Aber warum denn?“ fragte Meta erstaunt.
„Wir gründen einen eigenen Stamm. Die kämpfenden Pyrraner. Gefährlicher und aktiver als jeder andere Stamm. Wir müssen das Barbarenspiel so gut beherrschen, daß unser Anführer Kerk nach einiger Zeit Temuchin verdrängen kann.
Ich bin davon überzeugt, daß das alles bei euch in besten Händen ist, während ich abwesend bin.“
„Ich wußte gar nicht, daß du uns verlassen wolltest“, meinte Kerk erstaunt. „Was hast du vor?“
Jason lächelte geheimnisvoll. „Ich ziehe als Jongleur durchs Land, um eure Ankunft vorzubereiten.“
7
„Wenn du lachst oder auch nur lächelst, breche ich dir den Arm“, drohte Meta.
Jason mußte sich beherrschen, um nicht breit zu grinsen.
„Ich lache nie über die Kleidung einer Dame“, behauptete er.
„Ich finde, daß du gut aussiehst.“
„Meinst du?“ zischte sie. „Und ich finde, daß ich wie ein Pelztier aussehe, das überfahren worden ist.“
„Siehst du, Grif ist hier“, sagte er und wies auf die Tür. Der Junge war gerade noch rechtzeitig gekommen, denn wenn man es recht überlegte, wirkte Meta in diesem Aufzug wirklich unappetitlich…
„Na, komm nur herein, Grif, mein Junge!“ Jason versuchte den Eindruck zu erwecken, das Grinsen sei ausschließlich für den grimmig dreinblickenden Neunjährigen bestimmt.
„Das gefällt mir nicht“, murmelte Grif wütend. „Ich mag keine verrückte Bekleidung. Niemand trägt solche Kostüme.“
„Wir drei tragen sie“, antwortete Jason laut, weil er hoffte, daß Meta dann eher zuhören würde. „Und bei den Barbaren, zu denen wir wollen, ist das die übliche Kleidung. Du wirst sehen, daß wir uns nicht von den Einheimischen unterscheiden.“
Es wurde allmählich Zeit, das Thema zu wechseln. Jason warf einen Blick auf Grifs und Metas Hände.
„Ihr seid schön braun geworden“, stellte er fest, „und eure Haut hat etwa die richtige Farbe. Trotzdem fehlt noch etwas“, fügte er hinzu und nestelte einen kleinen Lederbeutel von seinem Gürtel. „Die Nomaden fetten ihre Haut zum Schutz vor Wind und Kälte ein. Das müßt ihr jetzt auch machen. Halt!“
rief er, als die beiden Pyrraner die Fäuste ballten. „Ich verlange schließlich nicht, daß ihr ranziges Morope-Fett wie die Einheimischen nehmt! Das hier ist saubere, neutrale, geruchlose Vaseline. Ihr braucht sie noch, darauf könnt ihr euch verlassen!“
Jason rieb sich mit Vaseline ein, und die beiden folgten widerwillig seinem Beispiel. Dabei wurde ihr Gesichtsausdruck noch mürrischer. Jason konnte nur hoffen, daß sie allmählich begriffen, worum es hier ging — sonst war das Spiel zu Ende, bevor es richtig begonnen hatte. Bisher war alles genau nach Plan gegangen, und Jason wollte nun Temuchins Horden infiltrieren, wenn es ihm gelang, Meta und Grif zur Zusammenarbeit zu bewegen.
„Los, kommt mit“, forderte Jason sie auf. „Wir sind jetzt an der Reihe.“
Sie traten ins Freie und gingen zu Kerk hinüber, der die Verladung überwachte. Ein betäubtes Morope wurde eben in eine breite Tragschlinge gelegt. Die Pinasse schwebte wenige Meter über dem Boden, und der Pilot ließ eben ein Stahlseil auslaufen.
„Das ist das letzte Tier“, erklärte Kerk ihnen. „Die beiden anderen und die Ziegen sind bereits abgeliefert. Ihr seid als nächste an der Reihe.“
Sie beobachteten schweigend, wie die Last angehoben wurde. Dann verschwand die Pinasse damit in der Dunkelheit.
„Wie steht es mit der Ausrüstung?“ fragte Jason.
„Alles an Ort und Stelle. Wir haben den Camach für euch aufgebaut. Ihr seht wirklich gut aus mit euren Kostümen.
Allmählich glaube ich fast, daß ihr mit dieser Maskerade Erfolg haben könntet.“
Kerk hatte recht. Hier draußen in Kälte und Wind war ihre Kleidung durchaus den äußeren Umständen angepaßt.
Vielleicht sogar besser als Kerks beheizter Schutzanzug, der das Gesicht frei ließ. Jason warf einen prüfenden Blick auf Kerks Backen.
„Am besten gehst du wieder hinein oder reibst dich mit Fett ein“, riet er ihm. „Du hast anscheinend Frost abbekommen.“
„Ich bin ganz erstarrt. Wenn ihr mich nicht mehr braucht, gehe ich hinein und taue mich wieder auf.“
„Danke für die Hilfe. Wir werden jetzt allein fertig.“
„Viel Glück“, sagte Kerk und schüttelte ihnen nacheinander die Hand. „Wir bleiben ständig in Funkverbindung.“
Jason, Meta und Grif warteten schweigend, bis die Pinasse sie abholte. Der Flug auf die Ebene hinab dauerte nicht lange.
Das war gut, denn die Kabine erschien den drei ›Nomaden‹ zu feucht und überheizt.
Als die Pinasse wieder gestartet war, deutete Jason auf den halbkugelförmigen Camach. „Macht es euch dort drinnen gemütlich“, forderte er Meta und Grif auf. „Ich will nur kontrollieren, ob die Moropen gut festgebunden sind. Unser Zelt wird elektrisch beheizt und beleuchtet — wir können die Vorteile der Zivilisation noch einen letzten Abend lang genießen.“
Wenige Minuten später betrat er den behaglich warmen und hell erleuchteten Camadi, legte den äußeren Pelz ab und verschloß den Eingang hinter sich. Er nahm einen eisernen Kochtopf von der Wand, füllte ihn mit Wasser aus einer Lederflasche, die er mit Plastik ausgekleidet hatte, um den Geschmack des Wassers zu verbessern, und setzte den Topf aufs Feuer. Meta und der Junge beobachteten ihn aufmerksam.
„Das ist Char“, erklärte Jason ihnen und brach einen schwarzen Klumpen von einem größeren Ziegel ab. „Das Zeug besteht aus Blättern eines Strauchs, die getrocknet und gepreßt werden. Der Geschmack ist erträglich, und ihr gewöhnt euch am besten daran.“ Er ließ den Klumpen ins Wasser fallen, das sich sofort purpurrot färbte.
„Danke, ich mag lieber nichts“, sagte Grif mißtrauisch.
„Du mußt es trotzdem versuchen. Wir dürfen nicht anders als die Barbaren leben, wenn wir sie unterwandern wollen. Da fällt mir übrigens ein anderer wichtiger Punkt ein.“
Jason zog seinen rechten Ärmel hoch und begann seinen Halfter abzuschnallen. Meta und Grif starrten ihn ungläubig an.
„Was ist los? Was tust du da?“ fragte Meta, als er die Pistole und den Halfter in einen Stahlkasten legte.
„Ich nehme meine Pistole ab“, erklärte Jason ihr geduldig.
„Die Barbaren dürfen sie nicht sehen, sonst sind wir verraten.
Ihr müßt eure Waffen ebenfalls…“
Bevor er den Satz zu Ende gesprochen hatte, sah er sich zwei Pistolenmündungen gegenüber. Jason lächelte gelassen.
„Genau das meine ich damit. Sobald ihr aufgeregt seid, fuchtelt ihr mit euren Pistolen herum. Dieser Reflex kann euch verraten, deshalb müssen wir die Pistolen unter Verschluß halten, um sie nur im Notfall zu verwenden. Wir müssen die Einheimischen mit ihren eigenen Waffen besiegen.“ Er rollte ein Fell auf, in dem es klirrte und klimperte. „Seht euch das an.