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In Temuchins Lager gab es genügend Frauen, die das Zelt aufbauen konnten, so daß die Männer danebenstehen und gaffen konnten, wie es ihre Gewohnheit war. Jason hielt sich nicht damit auf, die Arbeit zu überwachen. Das überließ er Meta, denn Temuchin hatte ihm bestellen lassen, er wünsche ihn sofort nach seiner Ankunft bei sich zu sehen.

Die beiden Wachtposten am Eingang des Zelts traten zur Seite, als Jason erschien. Offenbar hatte es sich inzwischen herumgesprochen, daß dieser Jongleur etwas Besonderes war.

Temuchin stand allein in der Mitte des Zelts; von dem Messer in seiner Hand tropfte rotes Blut. Jason blieb stehen und atmete dann erleichtert auf, als er merkte, daß das Blut von einem Ziegenkadaver stammte, den Temuchin zu Zielübungen benützt hatte.

„Das Messer ist gut ausbalanciert“, stellte Temuchin fest.

„Ein gutes Wurfmesser.“

Jason nickte schweigend, denn er wußte, daß er nicht hierher befohlen worden war, um nur diese Feststellung zu hören.

„Erzähl mir alles, was du über Schießpulver weißt“, forderte Temuchin ihn auf.

„Da gibt es nicht viel zu erzählen.“

Temuchin warf einen Blick auf das Messer in seiner Hand.

„Erzähl mir alles. Sofort. Könntest du Schießpulver zum Knallen bringen, anstatt es nur abbrennen zu lassen?“

Jason saß in der Klemme. Wenn Temuchin den Verdacht hatte, er werde belogen, würde er keine Sekunde lang zögern, den Jongleur als Zielscheibe für sein Wurfmesser zu benützen.

Temuchin schien zu wissen, was mit Schießpulver möglich war, deshalb konnte Jason ihn nicht täuschen, sondern mußte etwas riskieren.

„Ich habe noch nie Schießpulver gesehen, aber ich weiß, was darüber erzählt wird. Ich habe gehört, wie man es zur Explosion bringt.“

„Das habe ich mir gedacht.“ Temuchin nickte vor sich hin.

„Du weißt bestimmt mehr.“

„Viele Menschen haben Geheimnisse, die sie nie verraten wollen. Aber Temuchin ist mein Herr, und ich will ihm in jeder Beziehung behilflich sein.“

„Gut. Vergiß das nicht. Sag mir nun, was du von den Leuten in der Tiefe weißt.“

„Nichts“, antwortete Jason verblüfft.

„Richtig, niemand weiß etwas von den Tiefländern, aber das wird jetzt anders. Ich habe einen Überfall vor, und du begleitest mich. Ich kann etwas Schießpulver brauchen. Mach dich also bereit — wir brechen mittags auf. Nur du weißt, daß es sich um mehr als einen Jagdausflug handelt. Sei also vorsichtig, damit du nichts verrätst.“

„Ich würde lieber sterben, als jemand ein Wort davon erzählen!“

Jason kehrte nachdenklich in seinen Camach zurück und erzählte Meta sofort, was er gehört hatte.

„Seltsam“, murmelte Meta mit gerunzelter Stirn. Jason nickte zustimmend. „Wie will er eine zehn Kilometer hohe Felswand überwinden? Trotzdem kennt er Schießpulver, das nur im Tiefland hergestellt wird. Nun, wir werden ja sehen.“

Jason zeigte auf ihr Funkgerät, das im Stahlkasten lag. „Ihr nehmt um Mitternacht Verbindung mit Kerk auf und berichtet ausführlich. Wahrscheinlich seid ihr hier nicht gefährdet, aber falls es Schwierigkeiten gibt, soll er euch herausholen.“

„Nein. Wir bleiben hier, bis du zurückkommst“, versicherte Meta ihm. „Keine Angst, wir wissen, was wir zu tun haben.“

„Richtig“, stimmte Grif zu. „Dieser Planet ist im Vergleich zu Pyrrus ganz harmlos. Nur das Essen ist schlechter.“ Jason sah die beiden an, öffnete den Mund und schloß ihn wieder, weil es wirklich nichts zu sagen gab. Er packte einen Ledersack mit Kleidungsstücken und anderen notwendigen Dingen und versteckte einen winzigen Sender und Empfänger im hohlen Stiel seiner Axt. Jasons Bewaffnung bestand nur aus dieser Axt und einem kurzen Schwert; er halte es aufgegeben, sich als Bogenschütze zu versuchen, weil er dafür kein Talent hatte. Jetzt hing er sich einen Schild über den linken Arm, winkte Meta zum Abschied zu und ritt davon.

Als er Temuchins Camach erreichte, sah er dort weniger als fünfzig Mann versammelt. Da sie alle normal ausgerüstet waren, konnte der Ausflug nicht lange dauern. Nachdem Jason einige abweisende Blicke registriert hatte, fiel ihm auf, daß er der einzige Außenseiter in dieser Gesellschaft war, die aus hohen Offizieren und Angehörigen von Temuchins Stamm bestand „Ich kann auch den Mund halten“, erklärte Jason Ahankk, der nur mit einem kurzen Fluch antwortete. Als Temuchin erschien, brachen sie auf und ritten in Doppelreihe aus dem Lager.

Der Ritt war hart, und Jason stellte dankbar fest, daß sein wochenlanges Training im Sattel sich jetzt bezahlt machte. Die Gruppe ritt zunächst nach Osten davon, aber sobald das Lager hinter einigen Hügeln verschwunden war, schwenkten die Nomaden nach Süden ab und trabten in diese Richtung weiter.

Rechts und links von ihnen erhoben sich Berge, während sie ein Tal nach dem anderen durchquerten und dabei immer höher kletterten. Jason litt unter der Kälte, weil die eisige Luft bei jedem Atemzug schmerzte, aber die Barbaren schienen nichts davon zu merken.

Bei Sonnenuntergang wurde hastig eine kalte Mahlzeit eingenommen; dann ging der Ritt weiter. Jason war durchaus damit einverstanden, denn er war während der Rast beinahe am Boden festgefroren. Sie ritten jetzt hintereinander her, und Jason folgte kurze Zeit später dem Beispiel der meisten anderen, die abgestiegen waren, um ihre Moropen auf dem engen Pfad zu führen. Auf diese Weise verschaffte er sich wenigstens etwas Bewegung und erfror nicht im Sattel.

Als sie einen Punkt erreichten, an dem zwei Täler zusammentrafen, sah Jason nach rechts und erkannte verblüfft ein graues Meer, das in einiger Entfernung jenseits der fast senkrecht abfallenden Klippen begann. Ein Meer? Nein, bestimmt nicht — schließlich befanden sie sich in der Mitte eines Kontinents. Und in großer Höhe. Dann fiel ihm plötzlich ein, welches Meer er vor sich hatte: ein Wolkenmeer, auf das er herabsah.

Jason wartete und beobachtete, bis der Pfad nach unten führte. Dann hielt er sein Reittier an, um sich wieder in den Sattel zu schwingen. Irgendwo vor ihm lag das Ende der Welt.

Hier endete der Herrschaftsbereich der Nomaden an den senkrechten Felswänden, die aus der Tiefebene aufstiegen. Der warme Südwind brachte Wolken mit, die an der Klippe nach oben stiegen und in der Kälte abregneten. Jason fragte sich, ob die Menschen dieses Gebiets am Fuß der Felswand jemals die Sonne zu Gesicht bekamen.

Der Pfad führte weiter bergab. Die Gruppe passierte einen schmalen Einschnitt zwischen riesigen Felsbrocken, und Jason wußte, daß das Ziel nicht mehr weit entfernt sein konnte, als er dort zwei Posten Wache halten sah. Kurze Zeit später hielt die Kolonne an. Jason sollte zu Temuchin kommen.

Temuchin kaute langsam auf einem zähen Stück Fleisch herum, und Jason mußte warten, bis der Nomadenführer diesen Leckerbissen mit einem großen Schluck Achadh hinuntergespült hatte. Im Osten wurde es bereits hell; ein neuer Tag brach an.

„Du führst mein Morope“, befahl Temuchin und ging voraus. Jason griff nach den Zügeln des störrischen Tiers und zerrte es hinter sich her. Drei Offiziere folgten ihm. Der Pfad knickte unerwartet scharf ab und endete auf einer großen ebenen Fläche, deren Begrenzung die Klippe bildete.

Temuchin ging darauf zu und starrte nachdenklich auf die geschlossene Wolkendecke hinab. Jason interessierte sich mehr für die Maschine.

Das Ding war eine riesige Winde, deren acht Meter langer A-Rahmen mit der Spitze über die Klippe hinausragte. Jason konnte sich vorstellen, wie lange es gedauert haben mußte, bis dieser handgeschmiedete Rahmen fertig war — und bis er hier oben angebracht und abgestützt worden war. Ein schwarzes Seil führte durch eine Rolle an der Spitze des Rahmens und von dort weiter durch eine Öffnung zwischen den Felsbrocken; dort war es auf die Trommel einer großen Winde gewickelt.