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„Ich weiß es nicht — aber ich kann raten. Es könnte eine Kanone sein, die größere Metallbrocken verschießt.“

„Das habe ich mir gedacht“, sagte Temuchin und runzelte nachdenklich die Stirn. Dann gab er einige kurze Befehle.

Zwei Männer stiegen ab und verschwanden geräuschlos im Unterholz. Sie konnten sich auf kahlen Ebenen verbergen und waren hier im Wald so gut wie unsichtbar. Temuchin wartete schweigend auf ihre Rückkehr.

„Alles wie erwartet“, stellte er fest, als die Späher ihm berichtet hatten. „Der einzige andere Eingang führt zum Fluß und ist ebenso klein. Bei Dunkelheit könnten wir das Fort leicht einnehmen, aber ich will nicht so lange warten. Kannst du mit dieser Waffe umgehen?“ fragte er Jason.

Jason nickte zögernd, weil er ahnte, was Temuchin vorhatte — er hatte es bereits erraten, als er zwei Männer mit einem der toten Soldaten zurückkommen sah. Da Jason keine gute Ausrede einfiel, meldete er sich freiwillig für diese Aufgabe, bevor er dazu gezwungen wurde.

Er zog die Uniform des Gefallenen an. Die Blutflecken wurden mit Lehm beschmiert, um sie einigermaßen zu verdecken. Inzwischen regnete es wieder, was Jason nur recht sein konnte. Während er sich umzog, ließ er sich von dem sprachkundigen Offizier immer wieder „Aufmachen — schnell!“ vorsagen, bis er die beiden einfachen Worte richtig beherrschte. Nur keine komplizierten Redewendungen! Falls die Besatzung einige Fragen stellte, bevor sie öffnete, war er so gut wie tot.

„Verstehst du, was du zu tun hast?“ fragte Temuchin.

„Ganz einfach“, antwortete Jason mit gespielter Zuversicht.

„Ich nähere mich dem Tor von links, während ihr rechts wartet.

Ich rufe den Soldaten zu, sie sollen das Tor öffnen. Sie öffnen es. Ich betrete das Fort und sorge dafür, daß das Tor offenbleibt, bis ihr kommt.“

„Wir beeilen uns.“

„Das weiß ich, aber ich werde mich trotzdem sehr allein fühlen.“ Jason blies das Pulver von der Zündpfanne und füllte trockenes Pulver nach. Er wollte wenigstens einmal schießen können. Ein Stück Leder schützte die Pfanne vor Regenwasser.

„Ich kann nur einmal schießen, weil ich nicht nachladen kann“, erklärte er Temuchin. „Und ich halte nicht viel von diesem Schwert. Leihst du mir das Messer, das ich dir geschenkt habe?“

Temuchin nickte wortlos und gab es Jason, der das Messer in den Gürtel steckte. Der Helm fiel ihm fast über die Augen, aber das war ihm durchaus recht. Er wollte sein Gesicht so wenig wie möglich zeigen.

„Geh jetzt“, forderte Temuchin ihn ungeduldig auf. Jason nickte ihm zu und verschwand im Wald.

Bevor er fünfzig Meter gegangen war, hatte ihn das tropfnasse Unterholz bis auf die Haut durchnäßt. Er stapfte fluchend weiter und fragte sich, wie er dazu gekommen war, diesen verrückten Auftrag anzunehmen, nur um etwas Schießpulver zu erbeuten. Er starrte durch den Regen. Das Fort ragte vor ihm aus dem Dunst auf. Noch zwanzig Meter zu gehen. Er stolperte am Ufer entlang weiter und hätte am liebsten nachgesehen, ob das Pulver in der Zündpfanne seines Vorderladers wirklich noch trocken war; aber das wäre unklug gewesen, deshalb blieb er nicht stehen.

Die beiden Posten auf dem Wachttunn schienen ihn nicht gesehen zu haben; sie ließen sich jedenfalls nichts anmerken.

Jason stapfte näher und hielt dabei sein Gewehr umklammert.

Nun sah er bereits die grob behauenen Steinquader des Forts, zwischen denen der Mörtel abbröckelte, und das Tor aus dicken Holzbohlen mit eisernen Beschlägen.

Er hatte die Mauer schon fast erreicht, als einer der Wächter sich nach vorn beugte und ihm etwas zurief. Jason winkte nur und ging weiter.

Als der Mann nochmals rief, antwortete Jason:

„Aufmachen!“ Er brüllte das Wort heraus, um einen falschen Akzent zu überdecken. Dann stand er vor dem Tor, wo ihn die Wachtposten nicht mehr sehen konnten. Aus der Schießscharte rechts neben ihm wurde ein Gewehrlauf geschoben.

„Aufmachen — schnell!“ rief Jason und schlug mit dem Gewehrkolben ans Tor. „Aufmachen!“ Er blieb ans Holz gelehnt stehen, wo ihm keine Gefahr von dem Gewehr drohte, und hämmerte weiter gegen das Tor.

Im Innern des Forts waren Stimmen und Schritte zu hören, aber Jasons Herz schlug so laut, daß es alle anderen Geräusche zu übertönen drohte. Endlich ein willkommenes Gerassel — die Sicherungsketten wurden abgenommen, und Jason hörte, daß sich ein Riegel langsam bewegte. Er spannte den Hahn seines Gewehrs, um sofort schießen zu können. Als das Tor aufschwang, warf er sich dagegen und stieß es völlig auf.

Er bewegte sich weiter und erreichte den offenen Innenhof jenseits des Torbogens. Aus dem Augenwinkel heraus sah er, daß er den Mann hinter dem Tor außer Gefecht gesetzt hatte — er sank jedenfalls zu Boden. Mehr fiel ihm nicht auf, denn er merkte, daß sein eigenes Ende bevorstand.

Ein halbes Dutzend Soldaten standen ihm mit schußbereiten Gewehren gegenüber. Jason stieß einen lauten Schrei aus und stürzte sich auf die Männer, die vor Überraschung zu schießen vergaßen. Bevor er sein Messer zog, feuerte er noch seine Muskete ab und sah, daß ein Gegner in die Brust getroffen zusammensank.

Der Nahkampf war turbulent. Jason schlug dem nächsten Soldaten das Gewehr über den Kopf, trat nach einem anderen und stach blindlings um sich. Einer der Männer fiel gegen ihn, und Jason benützte ihn als Schild, während er die Angreifer abwehrte.

Er spürte einen stechenden Schmerz im Bein und an den Rippen; kurz darauf dröhnte sein Helm von einem schweren Schlag. Jason merkte, daß er fiel, und blieb liegen. Über ihm erschien ein Mann mit gezücktem Schwert; Jason parierte den Hieb und revanchierte sich mit einem Stich, der den anderen schreiend zusammensinken ließ. Inzwischen war der Kampf bereits entschieden.

Ein Nomade landete im Hof. Er mußte aufs Tor zugaloppiert sein und die letzten Meter im Sprung zurückgelegt haben.

Jason merkte, daß Temuchin selbst als erster gekommen war.

Der rotbärtige Barbar schwang sein Schwert und zwei Angreifer nieder. Damit war der Ausgang des Kampfes gewiß.

Sobald keine unmittelbare Gefahr mehr bestand, raffte Jason sich auf und suchte einen sicheren Platz an der Mauer. Sein Kopf dröhnte noch immer, und als er den Helm abnahm, sah er eine tiefe Beule im Metall. Er betastete vorsichtig seinen Kopf; kein Blut — alles in Ordnung. Aber er blutete aus zwei Schnittwunden am Oberkörper und am Bein. Besonders die erste Wunde blutete heftig, aber da er sein Verbandsmaterial in der Satteltasche zurückgelassen hatte, mußte er warten, bis er zu seinem Reittier zurückkam, bevor er die Wunden versorgen konnte.

Als Temuchin im Hof des Forts erschienen war, hatte Jason nicht mehr am Ausgang des Kampfes gezweifelt. Die Soldaten dieser Garnison hatten nie mit Barbaren kämpfen müssen, und ihre primitiven Musketen waren dabei eher hinderlich. Die Besatzung starb, während die Nomaden anscheinend nur einen Gefallenen zu beklagen hatten, der am Tor lag, wo ihn eine Kugel getroffen hatte.

Die Nomaden gingen von einem Gefallenen zum anderen und sammelten ihre Siegeszeichen ein. Temuchin erschien mit einem blutigen Schwert in der Hand im Innenhof und deutete auf die Leichen am Tor.

„Drei davon gehören dem Jongleur“, sagte er zu einem seiner Männer. „Die restlichen Daumen gehören mir.“ Der Krieger verbeugte sich und zog seinen Dolch. Temuchin wandte sich an Jason. „Hier gibt es viele Räume mit allen möglichen Dingen. Zeig mir das Schießpulver.“

Jason erhob sich rasch, viel schneller, als er eigentlich wollte, und merkte erst dann, daß er noch immer das Bowiemesser umklammert hielt. Er wischte es an der Kleidung eines Gefallenen ab und streckte es Temuchin entgegen, der es ihm wortlos aus der Hand nahm. Der Nomadenführer ging ins Fort voraus, und Jason bemühte sich, ihm ohne Humpeln zu folgen.

Ahankk und ein weiterer Offizier bewachten die Tür eines Lagerkellers. Temuchins Nomaden durften das Fort und die Leichen der Gefallenen plündern, aber hier hatten sie nichts zu suchen. Jason betrat den Raum und blieb am Eingang stehen.