„Meta“, krächzte er, „hilf einem Veteranen.“ Er schwankte im Sattel, als sie den Kopf ins Freie steckte, und ließ dann los.
Sie fing ihn auf, bevor er den Boden berührte, und trug ihn ins Zelt.
„Du mußt etwas essen“, sagte Meta streng. „Du hast genug getrunken.“
„Unsinn“, antwortete Jason und leerte seinen Becher. „Ich habe Durst. Der Medikasten hat mir Eisen injiziert, um den Blutverlust wenigstens teilweise wettzumachen. Außerdem bin ich zu müde, um zu essen.“
„Eigentlich brauchst du eine Bluttransfusion.“
„Das ist hier nicht leicht zu verwirklichen. Am besten trinke ich viel Wasser und esse jeden Abend Ziegenleber.“
„Aufmachen!“ brüllte jemand vor dem Camach. „Ich spreche mit Temuchins Stimme.“
Meta versteckte den Medikasten und ging zum Eingang.
Grif, der am Feuer hockte, hielt plötzlich eine Lanze in der Hand. Ein Soldat steckte den Kopf ins Zelt.
„Du kommst jetzt zu Temuchin.“
„Du kannst ihm sagen, daß ich sofort komme.“
Der Soldat wollte noch etwas hinzufügen, aber Meta stieß ihn zurück und verschloß den Eingang.
„Du kannst nicht gehen“, sagte sie.
„Mir bleibt keine andere Wahl. Wir haben die Wunden genäht, das ist annehmbar, und die Antibiotika sind nicht zu sehen. Das Eisen sickert bereits ins Knochenmark.“
„Das meine ich nicht“, erklärte Meta ihm aufgebracht.
„Ich weiß, aber dagegen können wir nichts unternehmen.“
Jason griff nach dem Medikasten. „Ein schmerzstillendes Mittel für mein Bein und ein anderes Mittel, damit ich wach werde. Dieses Zeug kostet mich etliche Jahre meines Lebens, und ich kann nur hoffen, daß jemand meine Bemühungen anerkennt.“
Als er aufstand, hielt Meta ihn an den Armen fest. „Nein, ich lasse dich nicht fort.“
Jason entschied sich für eine andere Taktik; er küßte sie. Grif schnaubte verächtlich und wandte sich ab. Meta ließ die Hände sinken.
„Das gefällt mir nicht, Jason“, meinte sie zögernd. „Ich fühle mich so… hilflos.“
„Du kannst viel tun, aber im Augenblick muß ich allein zurechtkommen. Sobald ich Temuchin gezeigt habe, wie man Schießpulver explodieren läßt, verschwinden wir aus seinem Lager und kehren zum Schiff zurück. Ich erzähle ihm, daß ich die Pyrraner holen will — und genau das habe ich vor. Aber das ist noch lange nicht alles…“
Meta warf ihm einen zweifelnden Blick zu, ließ ihn jedoch wortlos gehen.
Temuchin erwartete Jason in seinem Camach, wo die Pulverfässer säuberlich nebeneinander aufgereiht standen.
„Laß sie explodieren“, befahl er.
„Nicht hier und nicht gleichzeitig, es sei denn, du wolltest den halben Stamm in die Luft jagen. Ich brauche einen Behälter, den ich verschließen kann.“
„Sag mir, was du brauchst, damit ich es bringen lasse.“
Temuchin wollte seine Experimente offenbar mit höchster Geheimhaltung durchführen, was Jason nur recht sein konnte.
Der Camach war warm und behaglich; Jason ließ sich auf die Felle zurücksinken und griff nach einer Lammkeule, bis die verlangten Gegenstände gebracht wurden. Als sie endlich vor ihm standen, wischte er sich die Hände an der Jacke ab und machte sich an die Arbeit.
Er schüttelte eine Handvoll Pulver in einen Lederlappen, drehte ihn zusammen und stopfte ihn in einen kleinen Tonkrug, den er mit Lehmbrei verschloß, nachdem er das Pulver zusammengedrückt hatte. Temuchin stand dabei hinter ihm und beobachtete jede Bewegung. Jason stieß eine große Nadel durch den Pfropfen und die Lederhülle bis zum Pulver und stopfte einen ölgetränkten Lappen als Lunte in das Loch. Dann wog er die Bombe prüfend in der Hand.
„Schön, jetzt fehlt nur noch der große Knall“, sagte er zu Temuchin.
Der Nomadenführer stolzierte hinaus, und Jason folgte ihm; er hielt die Bombe in der einen und eine blakende Öllampe in der anderen Hand. Vor Temuchins Camach war der ganze Platz abgesperrt worden, und die Krieger hatten dafür gesorgt, daß die Neugierigen nicht zu nahe kamen. Die Nachricht, daß sich hier etwas Seltsames und Gefährliches ereignen solle, hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet, und die Nomaden waren aus allen Teilen des Lagers zusammengeströmt. Jason legte die Bombe vorsichtig zu Boden und wandte sich an die Menge.
„Bei der Explosion entstehen ein Knall, Rauch und Flammen. Manche von euch wissen, was ich damit meine.
Achtung, es geht los!“
Er bückte sich und zündete die Lunte an. Sie brannte langsam genug, so daß er noch einige Sekunden daneben stehenbleiben konnte, um sich zu überzeugen, daß alles in Ordnung war. Erst dann wandte er sich ab und ging zu Temuchin zurück.
Sekunden später kam die große Enttäuschung, als die Lunte rauchte, Funken sprühte und offensichtlich erlosch. Jason wartete noch einige Zeit länger, obwohl die Zuschauer murrten und spöttische Bemerkungen machten. Er hatte keine Lust, sich über die Bombe zu beugen, wenn sie explodierte. Erst als Temuchin nach seinem Messer griff, näherte Jason sich vorsichtig der Bombe und warf einen Blick auf das rauchgeschwärzte Zündloch. Er nickte weise und kehrte zum Camach zurück.
„Die Lunte ist erloschen, bevor sie das Pulver erreicht hat.
Wir brauchen ein größeres Loch oder eine bessere Lunte — und mir ist eben eingefallen, welches Rezept die Lieder der Alten für diesen Fall empfehlen. Ich stelle jetzt eine bessere Lunte her. Laß niemand näher kommen, bis ich zurückkehre.“ Bevor Temuchin widersprechen konnte, war Jason im Zelt verschwunden.
Die besten Zünder enthielten Pulver, damit sie selbst unter Luftabschluß brannten. Er brauchte einen Zünder dieser Art.
Hier gab es mehr als genug Pulver — aber worin konnte er es einrollen? Papier wäre richtig gewesen; Papier war hier jedoch nicht erhältlich. Oder doch? Jason überzeugte sich davon, daß der Zelteingang gut verschlossen war, bevor er seinen Medikasten aus der Tasche holte. Er hatte ihn trotz des großen Risikos mitgenommen, weil er unter keinen Umständen vor Schwäche ohnmächtig werden wollte.
Er brauchte nur eine Sekunde, um die Nachfüllkammer zu öffnen. Ober den Ampullen lag die zusammengefaltete Inspektionsliste, die für Jasons Zwecke gerade groß genug war.
Er steckte den Medikasten wieder ein.
Die Herstellung des Zünders war einfach genug, obwohl er praktisch jedes Pulverkorn einzeln einwickeln mußte, damit die Körner nicht zusammenklebten und zu schnell abbrannten.
Schließlich rieb er das weiße Papier noch mit öl und Lampenruß ein. „So, das muß reichen“, murmelte er vor sich hin und trat wieder ins Freie.
Dort sah es inzwischen ungünstig für ihn aus. Die Nomaden machten sich laut über den Versuch lustig, und Temuchin war vor Wut kreidebleich. Die Bombe lag noch immer an der gleichen Stelle. Jason ignorierte die für ihn bestimmten Zurufe und beugte sich über den Tonkrug, um ein größeres Loch in den Lehmpfropfen zu stoßen. Dann steckte er den neuen Zünder in das Loch.
„Diesmal klappt es“, sagte er laut, während er das Papier entzündete.
Funken sprühten, und das Papier brannte mit heller Flamme.
Jason stellte sich erschrocken vor, wie das Feuer von einem Pulverkorn zum anderen sprang. Er wandte sich ab und sprang weg.
Diesmal folgte eine eindrucksvolle Explosion. Die Bombe detonierte krachend, und einzelne Trümmer rissen Löcher in die umliegenden Camachs oder verwundeten einige der Zuschauer leicht. Jason wurde von der Druckwelle zu Boden geschleudert.
Temuchin war unbeweglich stehengeblieben, aber sein Gesichtsausdruck war jetzt etwas freundlicher als zuvor. Die vereinzelten Schmerzensschreie gingen im allgemeinen Jubel unter. Jason richtete sich vorsichtig auf, betastete seinen Körper und fand keine neuen Verletzungen. Er humpelte zu Temuchin hinüber.