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„Wie?“

„Wir zeigen den Nomaden, daß wir diese Sache besser als er verstehen. Und wir sorgen dafür, daß Temuchin einige Fehler macht. Wenn wir es richtig anfangen, ist Kerk nach Abschluß des Feldzugs mit Temuchin gleichberechtigt. Hierzulande zählt nicht der Ruhm vergangener Taten, sondern nur der Erfolg in jüngster Zeit. Wir alle müssen dafür sorgen, daß Kerk nach oben kommt — nur Rhes nicht.“

„Warum ich nicht?“ fragte Rhes erstaunt.

„Du bist für den zweiten Teil des Plans verantwortlich“, erklärte Jason. „Wir haben das Tiefland bisher vernachlässigt, weil es dort keine Erzlagerstätten gibt, aber ich habe während unseres Ausflugs dorthin die Augen offengehalten und außer Schießpulver auch Steinschloßflinten, Kanonen, militärische Uniformen und Mehlsäcke gesehen. Das alles sind eindeutige Beweise.“

„Wofür?“ fragte Kerk irritiert.

„Ist das nicht klar? Das alles beweist die Existenz einer recht fortschrittlichen Zivilisation. Chemie, Ackerbau, Zentralregierung, Steuern, Gießereien, Schmieden, Webereien, Färbereien…“

„Woher weißt du das alles?“ erkundigte Meta sich verblüfft.

„Das sage ich dir heute abend, wenn wir allein sind“, versicherte Jason ihr. „Ich möchte nicht angeben, aber ich weiß, daß ich die richtigen Schlüsse aus meinen Beobachtungen gezogen habe. Dort unten in der Tiefebene gibt es eine Mittelklasse, die unaufhaltsam nach oben drängt, und ich möchte wetten, daß Bankiers und Handelsherren am schnellsten aufsteigen. Rhes muß sich deshalb einen Platz an der Sonne erkaufen. Da er in einer landwirtschaftlich orientierten Zivilisation aufgewachsen ist, kommt er dort unten bestimmt gut zurecht. Und das hier ist sein Schlüssel zum Erfolg.“

Er nahm eine kleine Metallscheibe aus der Tasche, warf sie in die Luft, fing sie auf und gab sie Rhes. „Was ist das?“ fragte der Pyrraner. „Geld. Die Währung des Tieflands. Ich habe die Münze einem toten Soldaten abgenommen. Wir können die Zusammensetzung analysieren und einen Haufen Münzen prägen, die sogar besser als das Original sind. Dann nimmst du sie, etablierst dich als Handelsherr und wartest den nächsten Schachzug ab.“

Rhes betrachtete das Geldstück mißtrauisch. „Und jetzt soll ich wahrscheinlich fragen, woraus dieser Schachzug besteht.“

„Richtig. Du begreifst schnell. Wenn Jason spricht, hören alle anderen zu.“

„Du redest zuviel“, warf Meta ein.

„Ganz recht, aber das ist mein einziges Laster. Der nächste Schachzug besteht daraus, daß Kerk die Nomaden unter seiner Führung vereinigt und sie dazu bringt, Rhes freundlich zu empfangen, wenn er mit seinen Waren nach Norden segelt. Die Klippe ist ein fast unüberwindbares Hindernis, aber ich lasse mir nicht einreden, daß es hier im Norden keinen geeigneten Hafen geben soll. Die Nomaden sind einfach noch nie auf die Idee gekommen, Schiffe oder Boote zu bauen, und die Tiefländer hatten keine Ursache, einen Weg nach Norden zu suchen.

Aber das wird alles geändert. Unter Kerks Führung werden die Händler aus dem Süden freundlich empfangen. Damit beginnt ein neues Zeitalter, denn die Nomaden lernen, was man für ein paar alte Pelze einhandeln kann. Vielleicht können wir sie mit Tabak, Schnaps oder Glasperlen anlocken. Damit ist dann das Eis gebrochen. Zuerst landen die Händler nur mit ihren Waren an der Küste, dann stellen sie einige Zelte auf, um den Schnee abzuhalten. Später folgt eine ständige Ansiedlung und schließlich ein Handelszentrum — genau über unserer Mine.

Der nächste Schritt ist wohl offensichtlich.“

In der folgenden Diskussion wurde nur über Kleinigkeiten gesprochen; Jasons Plan war über jede Kritik erhaben. Er schien einfach und unkompliziert zu sein und wies allen Rollen zu, die sie gern spielten. Nur Meta hatte etwas daran auszusetzen. Sie hatte dieses primitive Leben allmählich satt, aber sie war eine echte Pyrranerin und schwieg deshalb.

Am nächsten Morgen begann der neue Feldzug. Temuchin hatte seine Befehle am Vorabend gegeben, und das Heer setzte sich bei Tagesanbruch in Bewegung. Frauen, Kinder und alle überzähligen Moropen blieben im Lager zurück; jeder Krieger brachte seine eigenen Waffen und Verpflegung für sich selbst mit und war für sich und sein Reittier verantwortlich. Der Aufbruch begann ungeordnet, aber die Krieger fanden sich bald in kleinen Gruppen zusammen, die in die gleiche Richtung ritten.

Jason ritt neben Kerk her; die 94 Pyrraner folgten in Doppelreihe. Er drehte sich nach ihnen um. Die Frauen waren zurückgeblieben, und Rhes hatte acht Männer mitgenommen, während die anderen das Schiff bewachen mußten. Folglich blieben 96 Männer übrig, die einen halben Kontinent erobern sollten, den die Nomaden besetzt hielten. Eine fast unmögliche Aufgabe — aber die Pyrraner ließen sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen.

Außerhalb des Lagers kam mehr Ordnung in das Gewühl.

Boten waren zu allen Stämmen unterwegs gewesen, um ihnen mitzuteilen, daß sie heute aufbrechen sollten. Die Horde versammelte sich. Von allen Seiten strömten Reiter heran, bis die Ebene bis zum Horizont voller Krieger war, die in Gruppen hinter ihren Anführern ritten. Jason erkannte in der Ferne Temuchins schwarzes Banner und machte Kerk darauf aufmerksam.

„Temuchin läßt das Schießpulver auf zwei Moropen transportieren und hat mich aufgefordert, in seiner Nähe zu bleiben. Er hat euch absichtlich nicht erwähnt, aber wir bleiben bei ihm, ob es ihm paßt oder nicht. Nur ich kann mit dem Pulver umgehen — und ich bleibe bei meinem Stamm. Dagegen kann er nichts ausrichten.“

„Das werden wir bald merken“, stellte Kerk fest und trieb sein Morope an. Die Pyrraner folgten ihm, als er auf Temuchin zuritt. Jason wollte sich dem Nomadenführer nähern, um sein Argument vorzutragen, aber das war überflüssig. Temuchin warf den Pyrranern einen kurzen Blick zu und wandte sich ab, ohne Jason zu Wort kommen zu lassen.

„Sieh nach, ob deine Bomben gut festgebunden sind“, befahl er Jason. „Du bist für sie verantwortlich.“

Als die Truppen versammelt waren, formierte Temuchin sie mit Hilfe von Hornsignalen und Winkzeichen zu einer kilometerbreiten Linie und ließ sie auf ganzer Front gleichzeitig vorrücken. Dieser Vormarsch, der im Morgengrauen begonnen hatte, dauerte bis zum frühen Nachmittag ohne Rast und Unterbrechung an. Die ausgeruhten Moropen waren ohne weiteres dazu imstande, doch sie mußten mit Sporen vorangetrieben werden. Das unablässige Geschaukel störte die Nomaden nicht, die praktisch im Sattel aufgewachsen waren, aber Jason war bald wundgeritten und müde. Die Pyrraner ließen sich nicht anmerken, ob ihnen der Ritt etwas ausmachte.

Kleiner Trupps ritten dem Heer voraus, und am späten Nachmittag stießen die Invasoren auf die Opfer dieser Vorhut.

Zuerst lag nur ein einzelner Mann neben seinem toten Reittier, dann war es eine Familie, die das Unglück gehabt hatte, den Pfad der heranrückenden Armee zu kreuzen. Temuchin führte einen totalen Krieg und ließ kein lebendes Wesen hinter sich zurück. Sein Gedankengang war brutal einfach. Wer Krieg führt, will siegen. Was den Sieg fördert, ist vernünftig. Es ist vernünftig, einen Dreitagesritt in einem Tag zurückzulegen, wenn der Feind dadurch überrascht wird. Es ist vernünftig, unterwegs alle Fremden zu töten, damit sie den Gegner nicht warnen können, und es ist vernünftig, ihr Eigentum zu zerstören, damit die Krieger sich nicht mit Beute beladen können, die nur hinderlich wäre.

Die Wahrheit dieser Überlegungen des Heerführers zeigte sich, als seine Truppen kurz vor Einbruch der Abenddämmerung eine größere Siedlung der Wiesel an den Ausläufern des Gebirges überfielen.

Als die Reiter auf dem letzten Hügel erschienen, wurde im Dorf Alarm gegeben, aber diese Warnung kam zu spät Die beiden Enden der Schlachtlinie trafen hinter dem Lager zusammen, obwohl Jason gesehen zu haben glaubte, daß einige Moropen in letzter Sekunde entkommen waren. Das überraschte ihn, denn er hätte gedacht, daß Temuchin bessere Arbeit leisten würde.