Hendricks zögerte und schlug dann ein. „Major Joseph Hendricks."
„Klaus Epstein." Der andere Soldat schüttelte ihm ebenfalls die Hand. Er war ein kleiner dunkler Mann mit strähnigem Haar. Epstein zupfte nervös an seinem Ohr. „Ostdeutscher. Gott allein weiß seit wie vielen Jahren bei der Roten Armee. Ich kann mich nicht mehr so recht erinnern. Wir drei waren hier, Rudi und ich, zusammen mit Tasso." Er deutete auf die Frau. „Deshalb sind wir entkommen. Alle anderen befanden sich unten im Bunker."
„Und - sie gelangten hinein?"
Epstein setzte eine Zigarette in Brand. „Zunächst nur einer von ihnen. Der Typ, der sich an Sie gehängt hat. Dann ließ er die anderen hinein."
Hendricks wurde aufmerksam. „Der Typ? Gibt es denn noch andere Typen?"
„Der kleine Junge. David. David, der seinen Teddybär festhält. Das ist die Dritte Variante. Die wirksamste."
„Wie sehen die anderen Typen aus?"
Epstein griff in seine Manteltasche. „Hier." Er warf einen Stoß Fotografien auf den Tisch, die von einer Schnur zusammengehalten wurden. „Schauen Sie selbst."
Hendricks löste das Band.
„Sehen Sie", sagte Rudi Maxer, „deshalb wollten wir Verhandlungen aufnehmen. Ich meine, die Russen. Wir fanden es vor einer Woche heraus. Fanden heraus, daß Ihre Klauen dabei waren, aus eigenem Antrieb neue Typen zu entwickeln. Tief unten in Ihren unterirdischen Fabriken, hinter unseren Linien. Ihr habt zugelassen, daß sie sich selbst produzieren, selbst reparieren. Habt sie immer geschickter werden lassen. Es ist euer Fehler, daß das passiert ist."
Hendricks betrachtete die Fotos. Sie waren in aller Eile geknipst worden, waren verschwommen und dunkel. Die ersten zeigten David. David, wie er zusammen mit ihm die Straße entlangwanderte. David und ein zweiter David. Drei Davids. Alle einander vollkommen ähnlich. Jeder mit einem zerlumpten Teddybär.
Alle mitleiderregend.
„Sehen Sie sich auch die anderen an", riet Tasso.
Die nächsten Bilder waren aus großer Entfernung aufgenommen worden und zeigten einen furchtbar verwundeten Soldaten, der an einem Wegesrand saß, einen Arm in einer Schlinge, einen Beinstumpf ausgestreckt, eine primitive Krücke im Schoß. Dann zwei verwundete Soldaten, beide identisch, und sie standen Seite an Seite.
„Das ist die Erste Variante. Der Verwundete Soldat." Klaus beugte sich nach vorn und ergriff die Bilder. „Sehen Sie, die Krabben wurden entwickelt, um menschliche Wesen anzugreifen. Sie aufzustöbern. Jeder Typ war besser als der vorherige. Sie drangen weiter vor, kamen näher, gelangten an den meisten unserer Verteidigungsanlagen vorbei, in unsere Stellungen. Aber solange sie nur Maschinen waren, Metallkugeln mit Klauen und Hörnern und Fühlern, konnten sie wie jedes andere Objekt entlarvt werden. Wir konnten sie als tödliche Roboter identifizieren, sobald wir sie sahen... "
„Die Erste Variante zerstörte unsere gesamte nördliche Verteidigungslinie", unterbrach Rudi, „lange bevor wir einem von ihnen habhaft wurden. Dann war es zu spät. Sie kamen daher, verwundete Soldaten, die anklopften und um Einlaß baten. Also ließen wir sie herein. Und sobald sie sich drinnen befanden, schlugen sie zu. Wir hielten Ausschau nach Maschinen... "
„Zu dieser Zeit glaubte man noch, es mit nur einem Typ zu tun zu haben", fuhr Klaus Epstein fort. „Niemand vermutete, daß es noch andere Typen geben könnte. Die Bilder wurden uns per Funk übermittelt. Als wir den Kurier zu Ihnen schickten, wußten wir nur von einem Typ. Die Erste Variante. Der große Verwundete Soldat. Wir dachten, das sei alles."
„Ihre Stellung fiel..."
„... der Dritten Variante zum Opfer. David und sein Bär. Er funktionierte noch besser." Klaus lächelte bitter. „Soldaten sind für Kinder eine leichte Beute. Wir holten sie herein und versuchten sie zu füttern. Schließlich fanden wir heraus, hinter was sie her waren. Das heißt, jene, die sich in den Bunkern aufhielten."
„Wir drei haben Glück gehabt", sagte Rudi. „Klaus und ich - wir besuchten gerade Tasso, als es geschah. Dies ist ihr Zuhause." Er beschrieb mit seiner großen Hand einen Kreis. „Dieser kleine Keller. Wir waren fertig und wollten die Leiter hinaufklettern, um zurückzukehren. Vom Wall aus sahen wir, daß sie überall um den Bunker herumwimmelten. Der Kampf war noch immer im Gange. David und sein Bär. Hunderte von ihnen. Klaus schoß dabei die Fotos."
Klaus verschnürte die Bilder wieder.
„Und das gleiche ist all Ihren Stellungen zugestoßen?" fragte Hendricks.
„Ja."
„Aber was ist mit unseren Stellungen?" Ohne es zu bemerken, berührte er die Plakette an seinem Handgelenk.
„Können sie... "
„Sie werden nicht von Ihren Strahlplaketten beeinflußt. Für sie bedeutet es keinen Unterschied, ob man nun Russe, Amerikaner, Pole oder Deutscher ist. Es ist völlig gleich. Sie tun, wofür sie entwickelt worden sind. Führen ihren Auftrag aus. Sie vernichten das Leben, wo immer sie es antreffen."
„Sie werden von der Warme angezogen", fügte Klaus hinzu. „Ihr habt sie von Anfang an so konstruiert. Natürlich, jene, die ihr entwickelt habt, werden von den Strahlplaketten abgehalten, die Sie tragen. Inzwischen haben sie das überwunden. Diese neuen Varianten sind mit Blei isoliert."
„Was ist mit der anderen Variante?" fragte Hendricks. „Der David-Typ, der Verwundete Soldat - wie sieht die andere Variante aus?"
„Wir wissen es nicht." Klaus deutete auf die Wand. An der Wand hingen zwei scharfkantige Metallplaketten. Hendricks erhob sich und betrachtete sie. Sie waren verbogen und zerbeult.
„Die linke stammt von dem Verwundeten Soldaten", erläuterte Rudi. „Wir haben einen von ihnen erwischt. Er schlich in der Nahe unseres alten Bunkers herum. Wir erledigten ihn vom Wall aus, auf die gleiche Weise wie diesen David, der sich an Sie gehängt hatte."
Der Plakette waren Zeichen eingestanzt: I - V. Hendricks griff nach der anderen Plakette. „Und diese stammt vom David-Typ?"
„Ja." Die Prägung lautete hier: III - V.
Klaus lehnte sich über Hendricks' breite Schultern und warf einen Blick auf die beiden Kennzeichen. „Sie sehen, mit wem wir es zu tun haben. Es gibt noch einen anderen Typ. Vielleicht hat man ihn wieder eingestampft. Vielleicht funktionierte er nicht. Aber es muß eine Zweite Variante gegeben haben oder noch geben. Dort steht eine Eins und dort eine Drei."
„Sie haben Glück gehabt", bemerkte Rudi. „Der David hat Sie die ganze Zeit begleitet und Sie nicht angefallen. Vielleicht dachte er, daß Sie irgendwo in einen Bunker gelangen würden."
„Einer dringt ein und alles ist aus", bestätigte Klaus. „Sie sind flink. Der erste läßt alle anderen hinein. Sie sind unnachgiebig. Maschinen, die nur ein Ziel haben. Sie sind nur für eine Aufgabe konzipiert worden." Er wischte sich einen Schweißtropfen von der Oberlippe. „Wir haben es gesehen."
Stille kehrte ein.
„Geben Sie mir noch eine Zigarette, Yankie", bat Tasso schließlich. „Sie schmecken gut. Ich habe fast vergessen, wie gut sie schmecken."
Es war Nacht. Der Himmel war schwarz. Keine Sterne waren durch die dahintreibenden Aschewolken zu erkennen. Klaus hob vorsichtig die Luke, damit Hendricks hinausschauen konnte.
Rudi wies in die Dunkelheit. „In dieser Richtung liegen die Bunker. Wo wir bisher lebten. Sie sind nicht mehr als eine halbe Meile von hier entfernt. Es war reines Glück. Klaus und ich waren nicht dort, als es geschah. Gerettet durch unsere Begierde."
„Alle anderen müssen tot sein", sagte Klaus mit gesenkter Stimme. „Alles ging so schnell. Am Morgen fällte das Politbüro seine Entscheidung. Man informierte uns - den Vorposten. Unser Kurier wurde sofort losgeschickt. Wir sahen ihm nach, wie er in Richtung Ihrer Stellungen verschwand, und gaben ihm Feuerschutz, bis er nicht mehr zu sehen war."