Hendricks lachte rauh. „Ich kam von den UN-Bunkern. In meiner Nähe befanden sich ständig Menschen."
„Vielleicht sahen Sie eine Gelegenheit, in die sowjetischen Linien einzudringen. Vielleicht sahen Sie eine Chance. Vielleicht... "
„Die sowjetischen Linien waren bereits überrollt. Ihre Stellungen wurden erobert, bevor ich meinen Kommandobunker verließ. Vergessen Sie das nicht."
Tasso schob sich an seine Seite. „Das beweist überhaupt nichts, Major."
„Wie das?"
„Es scheint, daß es zwischen den einzelnen Varianten kaum Verständigung gibt. Jede wurde in einer anderen Fabrik hergestellt. Sie arbeiten offenbar nicht zusammen. Sie hätten demnach zu den sowjetischen Linien aufbrechen können, ohne etwas von den Erfolgen der anderen Varianten zu ahnen. Und sogar ohne die anderen Varianten zu kennen."
„Woher wissen Sie eigentlich so viel über die Klauen?" fragte Hendricks.
„Ich habe sie gesehen. Ich habe sie beobachtet, als sie die sowjetischen Bunker übernommen haben."
„Du weißt wirklich sehr viel", bemerkte Klaus. „Aber in Wirklichkeit hast du doch nur wenig zu sehen bekommen. Seltsam, daß du ein solch hervorragender Beobachter sein sollst."
Tasso lachte. „Mißtraust du jetzt mir?"
„Vergessen wir's", erklärte Hendricks. Schweigend gingen sie weiter.
„Müssen wir den ganzen Weg zu Fuß zurücklegen?" fragte Tasso schließlich. „Ich bin daran nicht gewöhnt." Sie blickte sich in der Ascheebene um, die sich so weit man sehen konnte erstreckte. „Wie schrecklich das alles ist."
„Es ist überall so", versicherte Klaus.
„Auf eine Art wünsche ich, daß du im Bunker gewesen wärest, als der Angriff begann."
„Wenn nicht ich, dann wäre jemand anders bei dir gewesen", brummte Klaus.
Tasso lachte, steckte die Hände in ihre Taschen. „Das glaube ich auch."
Sie marschierten weiter und beobachteten sorgfältig die öde Ebene aus stummer Asche, die sie umgab.
Die Sonne begann unterzugehen. Hendricks marschierte langsam weiter und winkte Tasso und Klaus zurückzubleiben. Klaus duckte sich und stützte den Gewehrkolben auf den Boden.
Tasso setzte sich mit einem Seufzer auf einen Betonblock. „Das tut gut."
„Sei still", befahl Klaus scharf.
Hendricks kletterte die Anhöhe hinauf, die vor ihm lag. Jene Anhöhe, die der Russe einen Tag zuvor erklommen hatte. Hendricks legte sich nieder und beobachtete durch das Fernglas das vor ihm liegende Gelände.
Es war nichts zu entdecken. Nur Asche und ab und zu ein paar Bäume. Aber dort, nicht mehr als fünfzig Meter entfernt, befand sich der Eingang zu ihrem vorgeschobenen Kommandobunker. Der Bunker, von dem er aufgebrochen war. Hendricks beobachtete schweigend weiter. Keine Bewegung zeigte sich. Kein Anzeichen von Leben. Nichts rührte sich.
Klaus schob sich näher an ihn heran. „Wo ist er?"
„Dort unten." Hendricks reichte ihm das Fernglas. Ascheschleier drifteten über den abendlichen Himmel. Die Welt begann sich in Dunkelheit zu hüllen. Es würde nicht mehr lange bis zum Anbruch der Nacht dauern.
„Ich sehe nichts", erklärte Klaus.
„Dieser Baum dort. Der Stumpf. Bei dem Steinhaufen. Der Eingang befindet sich rechts neben dem Haufen."
„Wenn Sie es sagen, wird es wohl stimmen."
„Sie und Tasso geben mir von hier Rückendeckung. Sie werden die ganze Strecke bis zum Bunkereingang beobachten können."
„Sie wollen allein hinuntergehen?"
„Mit meiner Plakette bin ich sicher. Der Boden um den Bunker wimmelt von Klauen. Sie halten sich unter der Asche versteckt. Wie Krabben. Ohne die Plakette haben Sie keine Chance."
„Vermutlich haben Sie recht."
„Ich werde langsam gehen. Sobald ich mir sicher bin..."
„Wenn sie wirklich unten im Bunker sind, dann werden Sie nicht in der Lage sein, zu uns zurückzukehren. Die Dinger sind flink. Sie können es sich nicht vorstellen."
„Was schlagen Sie vor?"
Klaus dachte nach. „Ich weiß nicht. Bringen Sie sie dazu, an die Oberfläche zu kommen, so daß Sie sie sehen können."
Hendricks löste das Funkgerat vom Gürtel und zog die Antenne heraus. „Fangen wir also an."
Klaus gab Tasso ein Zeichen. Geschickt kletterte sie die Anhöhe zu ihnen hinauf.
„Er wird allein nach unten gehen", informierte Klaus sie. „Wir geben ihm von hier aus Deckung. Sobald du bemerkst, daß er zurückkommt, halte dich schußbereit. Die Dinger sind schnell."
„Du bist nicht sehr optimistisch", stellte Tasso fest.
„Nein, das bin ich wirklich nicht."
Hendricks kontrollierte sorgfältig seine Waffe. „Möglicherweise ist alles in Ordnung."
„Sie haben sie nicht gesehen. Es waren Hunderte. Und alle glichen sich wie ein Ei dem anderen. Sie quollen wie Ameisen heraus."
„Ich sollte in der Lage sein, dies festzustellen, ohne den ganzen Weg zurückzulegen." Hendricks entsicherte sein Gewehr und nahm es in die rechte und das Funkgerät in die linke Hand. „Nun, wünschen Sie mir Glück."
Klaus bot ihm die Hand an. „Gehen Sie nicht hinunter, ehe Sie nicht völlig sicher sind. Reden Sie von hier oben aus mit ihnen. Bringen Sie sie dazu, daß sie sich zeigen."
Hendricks erhob sich. Er kletterte die Anhöhe hinunter.
Später ging er langsamer und näherte sich dem Steinhaufen und den Trümmern neben dem abgestorbenen Baumstumpf. Dort lag der Eingang zum vorgeschobenen Kommandobunker.
Nichts rührte sich. Er hob das Funkgerat und schaltete es ein. „Scott! Können Sie mich hören?"
Stille.
„Scott! Hier spricht Hendricks. Können Sie mich hören? Ich stehe vor dem Bunker. Sie müßten mich durch das Periskop sehen können."
Er horchte, hielt das Funkgerät fest umklammert. Nichts. Nur statisches Rauschen. Er ging weiter. Eine Klaue wühlte sich aus der Asche und huschte auf ihn zu. Einige Schritte vor ihm stoppte sie und erstarrte dann. Eine zweite Klaue erschien, eine von den großen, die mit Fühlern ausgerüstet waren. Sie näherte sich ihm, beobachtete ihn aufmerksam und blieb dann respektvoll einige Schritte hinter ihm zurück. Sekunden später gesellte sich eine große Klaue hinzu. Stumm verfolgten ihn die Roboter, während er langsam auf den Bunker zuschritt.
Hendricks blieb stehen, und hinter ihm hielten auch die Klauen an. Er war jetzt nah genug. Fast vor der Bunkertreppe.
„Scott! Können Sie mich hören? Ich stehe direkt über Ihnen. Draußen. An der Oberfläche. Empfangen Sie mich?"
Er wartete, hielt das Gewehr schußbereit an der Seite, das Funkgerät fest an sein Ohr gepreßt. Die Zeit verging. Er lauschte konzentriert, doch dort war nur Schweigen. Schweigen, und das milde statische Rauschen.
Dann, fern und metallisch...
„Hier spricht Scott."
Die Stimme klang neutral. Kalt. Er konnte sie nicht identifizieren.
„Scott! Hören Sie, ich stehe genau über Ihnen. Ich befinde mich draußen, vor dem Bunkereingang."
„Ja."
„Können Sie mich sehen?"
„Ja."
„Durch das Periskop? Sie haben das Periskop auf mich gerichtet?"
„Ja."
Hendricks dachte nach. Um ihn herum hatte sich ein Kreis aus still wartenden Klauen gebildet, und ihre graumetallenen Leiber waren überall. „Ist im Bunker alles in Ordnung? Hat sich nichts Ungewöhnliches ereignet?"
„Alles in Ordnung."
„Würden Sie bitte zur Oberfläche heraufkommen? Ich möchte Sie einen Moment lang sehen." Hendricks holte tief Atem. „Kommen Sie zu mir herauf. Ich möchte mit Ihnen reden."
„Kommen Sie herunter."
„Ich gebe Ihnen den Befehl."
Stille.
„Kommen Sie nun?" Hendricks horchte. Keine Antwort ertönte. „Ich gebe Ihnen den Befehl, zu mir an die Oberfläche zu kommen."