„Sie werden dafür sorgen, daß man mich abholt?"
„Ja. Sobald wie möglich."
Hendricks blickte zu ihr auf. Forschend betrachtete er sie. „Sie sagen die Wahrheit?" Ein seltsamer Ausdruck prägte sein Gesicht; hungrige Gier. „Sie werden zu mir zurückkehren? Sie werden dafür sorgen, daß man mich zur Mondbasis schafft?"
„Ich werde Sie zur Mondbasis holen. Aber sagen Sie mir, wo sie liegt. Wir haben nur noch sehr wenig Zeit."
„In Ordnung." Hendricks ergriff einen Kieselstein und setzte sich auf. „Schauen Sie zu."
Hendricks begann in der Asche zu kratzen. Tasso stand neben ihm, beobachtete die Bewegungen des Kiesels. Hendricks zeichnete eine primitive Mondkarte.
„Das sind die Apenninen. Hier liegt der Krater Archimedes. Die Mondbasis befindet sich hinter diesem Ausläufer der Apeninnen, über zweihundert Meilen davon entfernt. Ich weiß nicht genau, wo. Niemand auf der Erde weiß es. Aber wenn Sie über den Apenninen sind, signalisieren Sie, indem Sie eine rote und eine grüne Leuchtrakete abschießen, in kurzem Abstand gefolgt von zwei roten Raketen. Der Basiscomputer wird Ihr Signal registrieren. Die Basis liegt natürlich unter der Mondoberfläche. Man wird Sie mit MagnetStrahlen einweisen."
„Und die Kontrollen? Kann ich sie bedienen?"
„Die Kontrollen arbeiten automatisch. Alles, was Sie zu tun haben, ist das richtige Signal zur richtigen Zeit zu geben."
„Das werde ich tun."
„Der Sitz absorbiert den Großteil des Andruckschocks. Sauerstoff und Temperatur werden automatisch überwacht. Das Schiff wird die Erde verlassen und den Raum erreichen. Es wird sich automatisch bis zum Mond steuern und einen Orbit einschlagen, hundert Kilometer über der Oberfläche. Der Orbit wird Sie über die Basis hinwegführen. Wenn Sie sich über den Apeninnen befinden, schießen Sie die Signalraketen ab."
Tasso glitt in das Schiff und setzte sich in den Andrucksessel. Die Sicherheitsgurte rasteten von selbst ein. Sie berührte die Kontrollen. „Zu schade, daß nicht Sie starten können, Major. Alles hier steht für Sie bereit, und Sie können die Reise nicht antreten."
„Lassen Sie mir die Pistole hier."
Tasso löste die Waffe von ihrem Gürtel. Sie hielt sie in der Hand und sah sie nachdenklich an. „Entfernen Sie sich nicht zu weit von diesem Ort. Sonst wird es sehr schwer werden, Sie zu finden."
„Ich werde hier beim Brunnen bleiben."
Tasso betätigte den Startschalter, glitt mit ihren Fingern über das glatte Metall des Schaltpultes. „Ein schönes Schiff, Major. Gut konstruiert. Ich bewundere eure Kunstfertigkeit.
Ihr Menschen habt immer gute Arbeit geleistet. Habt hübsche Dinge erfunden. Eure Arbeit, eure Schöpfungen sind eure größten Leistungen."
„Geben Sie mir die Pistole", verlangte Hendricks ungeduldig und streckte die Hand aus. Er kam auf die Beine.
„Leben Sie wohl, Major." Tasso warf die Pistole an Hendricks vorbei. Die Pistole klapperte über den Boden, hüpfte und rutschte davon. Hendricks eilte ihr nach. Er bückte sich und hob sie auf.
Die Luke des Schiffes schloß sich knackend. Die Riegel wurden vorgeschoben. Hendricks trat zurück. Die Innentür glitt zu. Schwankend hob er die Pistole.
Ohrenbetäubender Donner ertönte. Das Schiff schoß aus dem Metallkäfig hervor und verschmolz das Netz. Hendricks duckte sich, wich zurück. Das Schiff stieg empor, den driftenden Aschewolken entgegen, und verschwand im Himmel.
Hendricks stand noch lange Zeit da, bis nichts mehr zu sehen war. Alles war still. Die Morgenluft war frostig und ruhig. Betäubt begann er in die Richtung zurückzugehen, aus der er gekommen war. Es war besser, wenn er sich bewegte. Es würde bis zum Eintreffen der Hilfe noch lange Zeit vergehen - falls sie überhaupt eintraf.
Er suchte in seinen Taschen, bis er eine Zigarettenpak-kung fand. Grimmig setzte er eine Zigarette in Brand. Sie hatten alle Zigaretten von ihm gewollt. Aber Zigaretten waren knapp.
Eine Eidechse kroch heran, durch die Asche. Er hielt inne, bewegte sich nicht. Die Eidechse verschwand. Über ihm kletterte die Sonne am Himmel hinauf. Einige Fliegen ließen sich neben ihm auf einem flachen Stein nieder. Hendricks schlug nach ihnen.
Es wurde heißer. Schweiß lief ihm über das Gesicht, tropfte in seinen Kragen. Sein Mund war trocken.
Schließlich blieb er wieder stehen und setzte sich auf einen Schutthaufen. Er öffnete sein Medikamentenkästchen und schluckte einige Schmerztabletten. Er blickte sich um. Wo war er?
Etwas lag da vor ihm. Auf dem Boden ausgestreckt. Stumm und reglos.
Hendricks hob schnell seine Waffe. Es sah wie ein Mensch aus. Dann erinnerte er sich. Es waren die Überreste von Klaus. Die Zweite Variante. Dort, wo Tasso ihn ver-schmort hatte. Er sah Rädchen und Relais und Metallteile, die in der Asche verstreut lagen. Sie glitzerten und funkelten im Sonnenlicht.
Hendricks kam auf die Beine und ging hinüber. Er stocherte mit dem Fuß in den Innereien und drehte die geschmolzene Gestalt ein wenig. Er konnte die Metallhülle erkennen, die Aluminiumrippen und Verstrebungen. Weitere Drähte fielen heraus. Wirkten wie Sehnen. Drähte und Schaltungen und Relais. Zahllose Motoren und Drähte.
Er bückte sich. Die Gehirnkapsel war bei dem Sturz zerbrochen. Das künstliche Gehirn war sichtbar geworden. Er blickte es an. Ein Labyrinth von Schaltungen. Miniaturisierte Röhren. Drähte, so fein wie Haare. Er berührte die Gehirnkapsel. Sie rollte zur Seite. Die Typenplatte wurde sichtbar. Hendricks starrte sie an.
Und wurde bleich.
IV-V.
Lange Zeit starrte er die Plakette an. Die Vierte Variante. Nicht die Zweite. Sie hatten sich geirrt. Es gab noch weitere Typen. Nicht nur drei. Vielleicht sehr viel mehr. Zumindest vier. Und Klaus war nicht die Zweite Variante.
Aber wenn Klaus nicht die Zweite Variante war...
Plötzlich fuhr er zusammen. Etwas näherte sich ihm, bewegte sich durch die Asche neben dem Hügel. Was war das? Er reckte sich, um nachzusehen. Gestalten. Gestalten, die langsam daherschritten und sich ihren Weg durch die Asche bahnten.
Hendricks duckte sich eilig und hob seine Waffe. Schweiß rann ihm in die Augen. Er kämpfte die aufsteigende Panik nieder, als sich die Gestalten näherten.
Die erste war ein David. Der David entdeckte ihn und beschleunigte seine Schritte. Die anderen folgten ihm hastig. Ein zweiter David. Ein dritter. Drei Davids, alle identisch, näherten sich ihm ohne einen Laut, ohne Ausdruck, und ihre dünnen Beine bewegten sich unermüdlich. Und sie umklammerten ihre Teddybären.
Er zielte und schoß. Die beiden ersten Davids lösten ich in Staub auf. Der dritte kam heran. Und da war eine Gestalt hinter ihm. Kletterte stumm hinter ihm her, über die graue Asche. Ein Verwundeter Soldat, der den David überragte. Und...
Und hinter dem Verwundeten Soldaten erschienen zwei Tassos, schritten nebeneinander daher. Schwerer Gürtel, russische Armeehose, Bluse, langes Haar. Die vertraute Gestalt, die er vor einer kleinen Weile noch gesehen hatte. Im Andrucksessel der Rakete. Zwei schlanke stumme Gestalten, beide identisch.
Sie waren jetzt sehr nah. Der David bückte sich plötzlich und ließ seinen Bären los. Der Bär rannte über den Boden. Automatisch krümmte sich Hendricks Finger um den Abzug. Der Bär verschwand, löste sich in Nebel auf. Die beiden Tasso-Typen eilten weiter, ausdruckslos, Seite an Seite, wirbelten die graue Asche auf.
Als sie ihn fast erreicht hatten, hob Hendricks die Pistole und feuerte.
Die beiden Tassos verschwanden. Aber schon kletterte eine neue Gruppe die Böschung hinauf, fünf oder sechs Tassos nebeneinander, alle identisch, und sie näherten sich ihm mit großen Schritten.
Und er hatte ihr das Schiff und den Signalkode gegeben. Durch seine Hilfe befand sie sich auf dem Weg zum Mond, zur Mondbasis. Er hatte ihr die Möglichkeit dazu verschafft.
Er hatte recht mit der Granate gehabt... Sie war mit dem Wissen der anderen Typen hergestellt worden, des DavidTyps und des Verwundeter-Soldat-Typs. Und des KlausTyps. Nicht von menschlichen Wesen. Sie war in einer der unterirdischen Fabriken hergestellt worden, ohne menschliche Überwachung.