Die Tassos kamen auf ihn zu. Hendricks spannte sich und sah ihnen ruhig entgegen. Das vertraute Gesicht, der Gürtel, die dicke Bluse, die Granate sorgsam an ihrem Platz.
Die Granate...
Als die Tassos nach ihm griffen, keimte ein letzter ironischer Gedanke in Hendricks' Bewußtsein auf. Er fühlte sich ein wenig besser, als er darüber nachdachte. Die Granate. Gebaut von der Zweiten Variante, um die anderen Varianten zu zerstören. Einzig aus diesem Grunde.
Sie waren bereits dabei, Waffen zu entwickeln, um sich gegenseitig damit zu bekämpfen.
Der Infiltrant
„Irgendwann in der nächsten Zeit werde ich mir ein paar Tage freinehmen", sagte Spence Olham beim Frühstück. Er blickte sich zu seiner Frau um. „Ich schätze, ich habe mir ein wenig Erholung verdient. Zehn Jahre sind eine lange Zeit."
„Und das Projekt?"
„Man wird den Krieg auch ohne mich gewinnen. Die Erde ist nicht wirklich in Gefahr." Olham setzte sich an den Tisch und zündete sich eine Zigarette an. „Die Nachrichtenmaschinen fälschen die Berichte, damit es so aussieht, als wären uns die Außerirdischen weit überlegen. Weißt du, was ich in meinem Urlaub gern tun möchte? Ich würde gern einen Campingausflug in die Berge vor der Stadt machen, wo wir damals waren. Erinnerst du dich? Ich bekam eine Pilzvergiftung, und du wärst damals beinahe auf eine Blindschleiche getreten."
„Sutton Wood?" Mary begann den Frühstückstisch abzuräumen. „Der Wald ist vor ein paar Wochen abgebrannt. Ich dachte, du wüßtest das. Das Feuer ist durch einen Blitzschlag entstanden."
Olhams Schultern sackten nach vorn. „Hat man nicht einmal versucht, etwas dagegen zu unternehmen?" Er verzog die Lippen. „Kein Mensch kümmert sich mehr um diese Dinge. Sie denken nur noch an den Krieg." Er biß die Zähne zusammen, und er sah wieder die Bilder vor sich: die Außerirdischen, der Krieg, die Nadelschiffe.
„Wie sollte man auch an etwas anderes denken?"
Olham nickte. Natürlich hatte sie recht. Die schwarzen kleinen Schiffe von Alpha Centauri hatten die Linien der irdischen Kreuzer mühelos durchbrochen und sie wie eine Herde aufgeschreckter Hühner erscheinen lassen. Es hatte nur Rückzugsgefechte gegeben, und schließlich griff der Krieg auf die Erde über.
Bis schließlich in den Laboratorien von Westinghouse die Schutzkuppel erfunden wurde. Sie wurde über den Hauptstädten der Erde errichtet und schließlich über den ganzen Planeten ausgedehnt, und die Kuppel war die erste wirksame Verteidigung, die erste Antwort auf die Angriffe der Außerirdischen - wie sie von den Nachrichtenmaschinen bezeichnet wurden.
Aber den Krieg zu gewinnen, das war eine andere Sache. Jedes Laboratorium, jede Projektgruppe arbeitete Tag und Nacht unermüdlich daran, weitere Antworten zu finden: eine Offensivwaffe, die das Kriegsglück wenden konnte. So auch zum Beispiel seine Projektgruppe. Jeden Tag, Jahr für Jahr.
Olham erhob sich und drückte seine Zigarette aus. „Wie das Schwert das Damokles. Es schwebt immer über uns. Ich werde müde. Ich sehne mich danach, einmal richtig auszuspannen. Aber ich befürchte, es geht jedem so."
Er holte sein Jackett aus dem Schrank und trat auf die Veranda. Der Flitzer mußte jeden Moment eintreffen, der schnelle kleine Käfer, der ihn zum Projekt bringen würde.
„Ich hoffe, Nelson verspätet sich nicht." Er blickte auf seine Uhr. „Es ist schon kurz vor sieben."
„Da kommt der Käfer", sagte Mary und spähte zwischen den Häuserreihen hindurch. Die Sonne glitzerte auf den Dächern und spiegelte sich auf den schweren Bleiplatten. In der Siedlung war es still; nur eine Handvoll Menschen war bereits erwacht. „Wir sehen uns später. Und wage ja nicht, Überstunden zu machen."
Olham öffnete die Tür des Flitzers und glitt hinein, lehnte sich mit einem Seufzer in den Sitz zurück. Neben Nelson befand sich noch ein älterer Mann in dem Käfer.
„Nun?" sagte Olham, als der Käfer davonschoß. „Gibt es irgend etwas Neues?"
„Das Übliche", antwortete Nelson. „Man hat ein paar Schiffe der Außerirdischen erwischt und einen weiteren Asteroiden aus strategischen Gründen aufgegeben."
„Es wird Zeit, daß unser Projekt zu einem Ergebnis führt. Vielleicht liegt es nur an der Propaganda der Nachrichtenmaschinen, aber im letzten Monat hatte ich wirklich von allem die Nase voll. Alles wirkt so ernst und bedrohlich, daß das eigentliche Leben dabei ganz verblaßt."
„Sie meinen also, daß der Krieg vergeblich geführt wird?" fragte der ältere Mann plötzlich. „Sie sind doch selbst ein wichtiger Bestandteil des Krieges."
„Das ist Major Peters", stellte Nelson ihn vor. Olham und Peters schüttelten einander die Hände. Olham musterte den älteren Mann.
„Was führt Sie so früh zu uns?" fragte er. „Ich kann mich nicht erinnern, Sie schon früher hier in der Stadt oder beim Projekt gesehen zu haben."
„Nein, ich gehöre nicht zum Projekt", erwiderte Peters, „aber ich bin über Ihre Arbeit im Bilde. Meine eigene Arbeit ist von anderer Art."
Er wechselte mit Nelson einen Blick. Olham bemerkte es und runzelte die Stirn. Der Käfer erhöhte seine Geschwindigkeit, huschte über das unfruchtbare, kahle Land hinweg, der fernen Silhouette der Projektanlagen entgegen.
„Was machen Sie beruflich?" erkundigte sich Olham. „Oder ist es Ihnen nicht erlaubt, darüber zu sprechen?"
„Ich bin bei der Regierung", erklärte Peters. „Bei der FSA, dem Sicherheitsdienst."
„Oh?" Olham wölbte die Augenbrauen. „Hat man Informationen über feindliche Infiltranten in dieser Region?"
„Um ehrlich zu sein, Mr. Olham, bin ich hier, um mit Ihnen zu reden."
Olham war verwirrt. Er dachte über Peters' Worte nach, aber er konnte sich nicht vorstellen, was er von ihm wollte.
„Sie wollen mit mir reden? Warum?"
„Ich bin hier, um Sie als Spion der Außerirdischen zu verhaften. Deshalb bin ich so früh am Morgen aufgestanden. Packen Sie ihn, Nelson..."
Die Pistole bohrte sich in Olhams Rippen. Nelsons Hände zitterten, bebten vor unterdrückter Erregung, und sein Gesicht war bleich. Er holte tief Atem und stieß die Luft mit einem zischenden Laut wieder aus.
„Sollen wir ihn jetzt töten?" flüsterte er Peters zu. „Ich schlage vor, wir töten ihn sofort. Wir dürfen nicht warten."
Olham starrte in das Gesicht seines Freundes. Er öffnete den Mund, wollte etwas sagen, brachte aber kein Wort heraus. Die beiden Männer blickten ihn starr an, saßen steif und ernst vor Furcht da. Olham fühlte sich wie betäubt. Sein Kopf schmerzte, und vor seinen Augen drehte sich alles.
„Ich verstehe nicht", murmelte er.
In diesem Moment ließ der Flitzer den Boden unter sich und schoß in die Höhe, dem Himmel entgegen. Unter ihnen wurde das Projektgelände kleiner und kleiner und verschwand. Olham schloß den Mund.
„Wir können noch ein wenig warten", erklärte Peters. „Ich möchte ihm zuvor noch einige Fragen stellen."
Olham starrte benommen geradeaus, während der Käfer durch das All raste.
„Die Verhaftung ist erfolgt", sagte Peters zum Bildsprecher. Auf dem Monitor erschien das Gesicht des Sicherheitschefs. „Das dürfte für jeden eine Erleichterung sein."
„Irgendwelche Komplikationen?"
„Keine. Er ist ohne Verdacht zu schöpfen in den Käfer eingestiegen. Anscheinend hielt er meine Anwesenheit für nicht besonders ungewöhnlich."
„Wo befinden Sie sich jetzt?"
„Wir sind noch unterwegs, innerhalb der Schutzkuppel. Wir fliegen mit Höchstgeschwindigkeit. Man kann davon ausgehen, daß die kritische Periode vorbei ist. Ich bin froh, daß die Startdüsen dieses Flitzers sich in gutem Zustand befanden. Wenn es in jenem Augenblick einen Versager gegeben hätte... "