„Also", sagte Peters. Das Schiff schwebte langsam nach unten, hüpfte auf dem rauhen Boden. Dann herrschte Stille.
„Hören Sie", begann Olham heiser. „Ich kann beweisen, daß ich Spence Olham bin. Holen Sie einen Arzt. Schaffen Sie ihn... "
„Dort kommt die Mannschaft", erklärte Nelson. „Sie werden gleich hier sein." Er blickte Olham nervös an. „Ich hoffe, daß nichts schiefgeht."
„Wir werden fort sein, bevor sie mit der Arbeit beginnen", sagte Peters. „In ein paar Minuten haben wir alles hinter uns." Er legte seinen Druckanzug an. Als er fertig war, ließ er sich von Nelson die Pistole geben. „Ich kümmere mich
um ihn."
Nelson stieg ebenfalls in seinen Druckanzug und arretierte hastig die Verschlüsse. „Was ist mit ihm?" Er deutete auf Olham. „Braucht er auch einen?"
„Nein." Peters schüttelte den Kopf. „Roboter benötigen keinen Sauerstoff."
Die Mannschaft hatte das Schiff fast erreicht. Sie verharrten, warteten. Peters gab ihnen ein Zeichen.
„Kommen Sie!" Er bewegte den Arm, und die Männer kamen vorsichtig näher; steife, groteske Gestalten in plumpen Raumanzügen.
„Wenn Sie die Luke öffnen", sagte Olham, „wird das meinen Tod bedeuten. Das ist Mord."
„Öffnen Sie die Luke", sagte Nelson. Er griff nach dem Schalter.
Olham beobachtete ihn. Er sah, wie sich die Hand des Mannes um das Metallrad legte. Im nächsten Moment würde die Luke aufgleiten und die Innenatmosphäre des Schiffes nach draußen entweichen. Er würde sterben, und schließlich würden sie erkennen, daß sie einen Fehler begangen hatten. Vielleicht würden zu einer anderen Zeit, wenn kein Krieg herrschte, die Menschen nicht auf diese Weise handeln, nicht einen anderen in den Tod hetzen, nur weil sie Angst hatten. Jeder empfand Furcht, jeder war bereit, den Einzelnen um der Gemeinschaft willen zu opfern.
Man wollte ihn töten, weil man nicht Zeit genug hatte, sich von seiner Unschuld zu überzeugen. Man durfte einfach nicht länger warten.
Er sah Nelson an. Nelson war seit Jahren sein Freund gewesen. Sie waren zusammen zur Schule gegangen. Er war Trauzeuge bei seiner Hochzeit gewesen. Nun war Nelson dabei, ihn zu töten. Aber Nelson war nicht schlecht; es war nicht seine Schuld. So waren die Zeiten. Vielleicht hatte sich ähnliches während der Pestepidemien ereignet. Sobald jemand einen Flecken aufwies, hatte man ihn vermutlich auch getötet, ohne einen Moment zu zögern, ohne Überprüfung, allein auf den Verdacht hin. In Zeiten der Gefahr gab es keine andere Möglichkeit.
Er nahm es ihnen nicht übel. Aber er wollte leben. Sein Leben war zu wertvoll, um geopfert zu werden. Olham überlegte nervös. Was konnte er tun? Gab es eine Möglichkeit? Er blickte sich verzweifelt um.
„Komm", sagte Nelson.
„Sie haben recht", erklärte Olham. Der Klang seiner eigenen Stimme überraschte ihn. Es war der Mut der Verzweiflung. „Ich brauche keine Luft. Öffnen Sie die Luke."
Sie erstarrten, blickten ihn verblüft, erregt an.
„Machen Sie schon. Öffnen Sie die Luke. Es spielt keine Rolle." Olhams Hand verschwand unter seinem Jacket. „Ich bin neugierig, wie weit Sie beide laufen können."
„Laufen?"
„Sie haben noch fünfzehn Sekunden zu leben." Unter seiner Jacke bewegten sich seine Finger, und sein Arm wurde plötzlich steif. Er entspannte sich, lächelte knapp. „Sie haben sich geirrt, was den Kode-Satz betrifft. In dieser Hinsicht haben Sie unrecht gehabt. Jetzt noch vierzehn Sekunden."
Zwei entsetzte Gesichter starrten ihn hinter den Helmscheiben der Druckanzüge an. Dann stolperten, rannten sie auf die Luke zu, rissen sie auf. Pfeifend entwich die Luft in das Vakuum. Peters und Nelson drängten sich aus dem Schiff. Olham setzte sich in Bewegung. Er griff nach dem Schott und drückte es zu. Der automatische Druckausgleicher setzte laut zischend ein und erneuerte die Atmosphäre. Olham entließ schaudernd die Luft aus der Lunge.
Noch eine Sekunde länger und...
Draußen vor dem Fenster hatten die beiden Männer die Mannschaft erreicht. Die Gruppe verteilte sich, und die
Männer rannten in alle Richtungen davon. Einer nach dem anderen warfen sie sich auf den Boden, suchten Deckung. Olham setzte sich an das Steuerpult. Er aktivierte die Kontrollen. Als sich das Schiff in den Himmel schraubte, kamen die Männer wieder auf die Beine und blickten ihm mit offenen Mündern nach.
„Tut mir leid", murmelte Olham, „aber ich muß zurück zur Erde."
Er steuerte das Schiff auf dem gleichen Kurs zurück, den sie gekommen waren.
Es war Nacht. Rings um das Schiff zirpten Grillen, erfüllten die frostige Dunkelheit mit ihren Lauten. Olham beugte sich über den Bildsprecher. Langsam formten sich die Umrisse; der Anruf war ohne Schwierigkeiten durchgekommen. Erleichtert atmete er auf.
„Mary", stieß er hervor. Die Frau starrte ihn an. Sie keuchte.
„Spence! Wo bist du? Was ist geschehen?"
„Das kann ich dir jetzt nicht sagen. Hör zu, ich muß schnell sprechen. Sie können die Verbindung jeden Augenblick unterbrechen. Du mußt zum Projekt fahren und Dr. Chamberlain suchen. Wenn er dort nicht ist, dann nimm irgendeinen anderen Arzt. Bring ihn zum Haus und sorge dafür, daß er dort bleibt. Er soll seine Apparate mitbringen, Röntgengerat, Fluoroskop, alles."
„Aber... "
„Tu, was ich dir sage. Beeile dich. Er soll sich in einer Stunde bereithalten." Olham schob sich näher an den Bildschirm heran. „Ist alles in Ordnung? Bist du allein?"
„Allein?"
„Ist jemand bei dir? Hat... hat Nelson oder sont jemand mit dir gesprochen?"
„Nein, Spence. Ich verstehe das alles nicht."
„In Ordnung. Ich werde in einer Stunde bei dir im Haus sein. Und sprich mit niemand darüber. Sorge unter irgendeinem Vorwand dafür, daß Chamberlain kommt. Gib an, daß du schwerkrank bist."
Er unterbrach die Verbindung und blickte auf seine Uhr. Einen Moment später verließ er das Schiff, schritt in die Dunkelheit hinein. Vor ihm lag ein knapper Kilometer.
Er begann schneller zu gehen.
Licht schimmerte durch das Fenster - die Stehlampe. Er kauerte am Zaun und beobachtete das Haus. Kein Laut ertönte, keine Bewegung war zu entdecken. Er hob seine Uhr und las bei Sternenlicht die Zeit ab. Fast eine Stunde war inzwischen vergangen.
Ein Flitzerkäfer huschte die Straße entlang und verschwand wieder.
Olham sah zum Haus hinüber. Der Arzt mußte bereits eingetroffen sein. Vermutlich befand er sich zusammen mit Mary im Wohnzimmer und wartete auf ihn. Olham kam ein Gedanke. Hatte sie das Haus überhaupt verlassen können? Vielleicht hatte man sie daran gehindert. Vielleicht tappte er geradewegs in eine Falle.
Aber was blieb ihm anders übrig?
Mit den Untersuchungen, Aufnahmen und Berichten des Arztes hatte er eine Chance, eine Chance zu beweisen, daß er noch immer Olham war. Wenn er erreichte, daß man ihn untersuchte, daß er lang genug lebte, um von ihm getestet zu werden...
Auf diese Weise konnte er es beweisen. Vermutlich war dies auch die einzige Möglichkeit. Seine einzige Hoffnung befand sich im Innern des Hauses. Dr. Chamberlain war ein geachteter Mann. Er war ein Stabsarzt des Projekts. Er würde es wissen, sein Wort in dieser Angelegenheit würde Gewicht besitzen. Er würde ihrer Hysterie, ihrem Wahnsinn
mit Tatsachen begegnen.
Wahnsinn. - Das war es. Wenn sie nur warten, langsamer vorgehen, in Ruhe handeln würden. Aber sie konnten nicht warten. Er mußte sterben, augenblicklich sterben, ohne Untersuchung, ohne Verhandlung, ohne Prüfung. Der einfachste Test würde es beweisen, aber sie hatten keine Zeit, auch nur den einfachsten Test durchzuführen. Sie konnten nur noch an die Gefahr denken. An Gefahr, und sonst an nichts anderes.