Er erhob sich und bewegte sich auf das Haus zu. Dann erreichte er die Veranda. Vor der Tür verharrte er, horchte. Noch immer kein Laut. Im Haus war es vollkommen still - zu still.
Olham stand bewegungslos auf der Veranda. Im Haus versuchte man jeden Laut zu vermeiden. Warum? Es war ein kleines Haus; nur ein paar Schritte entfernt, hinter der Tür mußten Mary und Dr. Chamberlain stehen. Trotzdem konnte er nichts hören, kein Stimmengemurmel, einfach nichts. Er starrte die Tür an. Es war eine Tür, die er schon tausendmal geöffnet und geschlossen hatte, jeden Morgen und jeden Abend.
Er legte seine Hand auf den Türknauf. Dann, mit einem Mal, hob er die Hand und betätigte statt dessen die Türglokke. Die Glocke läutete, erklang irgendwo im Innern des Hauses. Olham lächelte. Er hörte, wie sie sich bewegten.
Mary öffnete die Tür. Sobald er ihr Gesicht sah, wußte er Bescheid.
Er rannte los, warf sich in das Gebüsch. Ein Sicherheitsbeamter stieß Mary zur Seite und feuerte an ihr vorbei. Die Büsche barsten auseinander. Olham kroch weiter, sprang auf und rannte los, eilte mit pochendem Herzen in die Dunkelheit hinaus. Ein Scheinwerfer flammte auf, und ein Lichtstrahl kreiste suchend hinter ihm.
Er überquerte die Straße und sprang über einen Zaun. Er prallte auf dem Boden auf und hastete durch einen Hinterhof. Hinter ihm näherten sich Männer, Sicherheitsbeamte, die einander irgendwelche Worte zuriefen, während sie ihm folgten. Olham schnappte nach Luft, seine Brust hob und senkte sich.
Ihr Gesicht... Er hatte es mit einemmal gewußt. Die zusammengekniffenen Lippen, die entsetzten, aufgerissenen Augen. Er stellte sich vor, er hätte so gehandelt, wie ursprünglich geplant, die Tür geöffnet und wäre eingetreten! Sie hatten den Anruf aufgezeichnet und waren sofort zur Stelle gewesen, nachdem er aufgelegt hatte. Wahrscheinlich glaubte Mary ihren Angaben. Kein Zweifel, auch sie hielt ihn für einen Roboter.
Olham lief und lief. Er entkam den Beamten, ließ sie weit hinter sich zurück. Offenbar befanden sich unter ihnen keine guten Läufer. Er kletterte einen Hügel hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter. Gleich würde er das Schiff erreicht haben. Aber wohin danach? Er bewegte sich langsamer und blieb dann stehen. Er konnte den Flitzer bereits sehen; er zeichnete sich gegen den Himmel ab, dort, wo er gelandet war. Die Siedlung lag hinter ihm; er befand sich in den Außengebieten der Wildnis, die die bewohnten Gebiete trennte, wo die Wälder und Einöden begannen. Er überquerte ein verdorrtes Feld und erreichte die ersten Bäume, wo er sich fürs erste verstecken konnte.
Als er den Flitzer fast erreicht hatte, öffnete sich die Luke.
Peters trat heraus, umrahmt von dem Glanz der Innenbeleuchtung. In den Händen hielt er eine schwere BorisPistole. Olham blieb stehen, erstarrte. Peters blickte sich um, versuchte die Dunkelheit zu durchdringen. „Ich weiß, daß Sie irgendwo in der Nahe sind", sagte er. „Kommen Sie her, Olham. Es wimmelt überall nur so von Sicherheitsbeamten."
Olham rührte sich nicht.
„Hören Sie mir zu. Wir werden Sie bald erwischen. Offenbar glauben Sie noch immer nicht, daß Sie ein Roboter sind. Ihr Anruf bei der Frau beweist, daß Sie noch immer von den Illusionen Ihrer künstlichen Erinnerungen beherrscht werden.
Aber Sie sind der Roboter. Sie sind der Roboter, und in Ihrem Innern befindet sich die Bombe. Jeden Moment können Sie oder ich oder irgend jemand anders den Kodesatz aussprechen. Wenn das geschieht, wird die Bombe alles in Kilometern Umkreis zerstören. Das Projekt, die Frau, wir alle werden getötet werden. Verstehen Sie das?"
Olham sagte nichts. Er horchte. Menschen näherten sich ihm, schlichen durch den Wald.
„Wenn Sie nicht herauskommen, werden wir Sie jagen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir Sie erwischen. Wir werden Sie nicht noch einmal zur Mondbasis bringen. Sobald Sie entdeckt werden, zerstören wir Sie, und wir werden das Risiko in Kauf nehmen, daß die Bombe dabei explodiert. Ich habe alle verfügbaren Sicherheitskräfte in diesem Gebiet zusammengezogen. Der ganze Bezirk wird Quadratmeter für Quadratmeter abgesucht. Es gibt keinen Ort, zu dem Sie flüchten können. Ein Kordon bewaffneter Männer hat diesen Wald umstellt. Sie haben noch etwa sechs Stunden, bis der letzte Fleck überprüft ist."
Olham entfernte sich lautlos. Peters redete weiter; er hatte ihn noch immer nicht entdeckt. Es war zu dunkel, um etwas zu sehen. Aber Peters hatte recht. Es gab keinen Ort, zu dem er fliehen konnte. Er war jenseits der Siedlung, in den Außenbereichen, wo der Wald begann. Er konnte sich eine Zeitlang verstecken, aber sie würden ihn auf jeden Fall erwischen.
Alles eine Frage der Zeit.
Olham hastete leise durch den Wald. Kilometer um Kilometer, jedes Fleckchen des Bezirks wurde abgesucht, überprüft, kontrolliert. Der Ring schloß sich immer enger, mit jeder Sekunde blieb ihm weniger und weniger Raum.
Was blieb ihm noch? Er hatte den Flitzer verloren, die einzige Hoffnung auf Flucht. Sie waren in seinem Haus; seine Frau war bei ihnen und glaubte zweifellos, daß der echte Olham ermordet worden war. Er ballte die Fäuste. Irgendwo lag ein abgestürztes außerirdisches Nadelschiff, und in ihm die Überreste des Roboters. Irgendwo in der Nähe war das Schiff abgestürzt und auseinandergebrochen.
Und unter den Trümmern lag der beschädigte Roboter.
Schwache Hoffnung keimte in ihm auf. Was wäre, wenn er seine Überreste fand? Wenn er ihnen das Wrack, die Überreste des Schiffes, des Roboters zeigen konnte...
Aber wo? Wo sollte er suchen?
Er marschierte weiter, tief in Gedanken versunken. Vermutlich war es nicht weit von ihm entfernt. Das Schiff mußte in der Nähe des Projektgeländes niedergegangen sein; der Roboter hatte vermutlich den Rest des Weges zu Fuß zurücklegen sollen. Er erklomm eine Anhöhe und sah sich um. Abgestürzt und verbrannt. Gab es einen Anhaltspunkt, irgendeinen Hinweis? Hatte er etwas gelesen, etwas gehört, was daraufhindeutete? Irgendein verlassener Ort, ein einsamer Fleck, wo sich nie Menschen aufhielten?
Plötzlich lächelte Olham. Abgestürzt und verbrannt...
Sutton Wood.
Er beschleunigte seine Schritte.
Es war Morgen. Das Sonnenlicht sickerte durch die verwüsteten Bäume, schien auf den Mann herab, der sich am Rande der Lichtung zusammengekauert hatte. Olham blickte hin und wieder auf und horchte. Sie waren nicht mehr weit entfernt, vielleicht nur noch ein paar Minuten. Er lächelte.
Unter ihm, über die Lichtung verstreut und über die ver kohlten Stümpfe, die einst Sutton Woods gewesen waren, lagen ineinander verkantete Wrackteile. Im Sonnenlicht glitzerten sie ein wenig, glühten mild. Es war nicht allzu schwer gewesen, die Absturzstelle zu finden. Sutton Wood war ein Ort, den er sehr gut kannte; schon oft in seinem Leben, als er noch jünger gewesen war, hatte er sich hier aufgehalten. Er hatte gewußt, wo er die Überreste finden würde. Da war eine Felsgruppe, die schroff aus dem Waldboden aufragte.
Ein landendes Schiff, dessen Pilot den Wald nicht kannte, hatte nur eine geringe Chance, nicht daran zu zerschellen. Und jetzt hockte er geduckt auf den Steinen und blickte auf das Schiff - oder auf das, was von ihm übriggeblieben war hinunter.
Olham stand auf. Er konnte sie hören, und sie waren ganz nah, kamen heran, unterhielten sich mit gedämpften Stimmen. Er spannte die Muskeln an. Alles hing davon ab, wer ihn als erster sah. Falls es Nelson war, hatte er keine Chance. Nelson würde ihn sofort niederschießen. Er würde tot sein, bevor sie das Schiff entdeckten. Aber wenn er Zeit hatte, sie anzurufen, sie einen Moment lang aufzuhalten... Das war alles, was er brauchte. Sobald sie das Schiff sahen, war er gerettet.
Aber wenn sie zuerst schossen...
Ein verkohlter Zweig knackte. Eine Gestalt erschien und kam vorsichtig näher. Olham holte tief Luft. Ihm blieben nur noch ein paar Sekunden, vielleicht die letzten Sekunden seines Lebens. Er hob einen Arm und äugte forschend nach unten.