Hall seufzte. „Wirklich ein stilles Fleckchen. Ich hätte nichts dagegen, später einmal wieder hierher zurückzukommen."
„Die Erde wirkt dagegen wie eine Wüste." Friendly zog eine Packung Zigaretten aus der Tasche und schob sie dann unangebrochen wieder zurück. „Wissen Sie, diese Welt hat auf mich eine absonderliche Wirkung. Ich habe das Rauchen aufgegeben. Vielleicht liegt es an dem Anblick der paradiesischen Natur. Alles wirkt so - so verdammt unberührt. So unbefleckt. Ich kann hier weder rauchen noch einen Papierfetzen einfach fortwerfen. Es ist für mich einfach unmöglich, wie die Sonntagsausflügler Abfall herumliegen zu lassen."
„Die Sonntagsausflügler werden noch früh genug auftauchen", bemerkte Hall. Er setzte sich wieder vor das Mikroskop. „Ich werde noch einige Gewebeproben untersuchen. Vielleicht stoße ich doch noch auf einen tödlich wirkenden Erreger."
„Versuchen Sie es nur." Leutnant Friendly sprang vom Tisch herunter. „Wir sehen uns später; Sie können mir ja Bescheid geben, wenn Sie Erfolg gehabt haben. In Raum Eins findet eine große Versammlung statt. Wir sind fast soweit, daß wir der E. A. Grünlicht für die erste Ladung Kolonisten geben können."
„Sonntagsausflügler!"
Friendly grinste. „Das befürchte ich auch."
Die Tür schloß sich hinter ihm, und seine Schritte verklangen draußen auf dem Gang. Hall war allein in dem Laboratorium.
Eine Weile saß er in Gedanken versunken da. Schließlich beugte er sich nach vorn und zog den Objektträger aus der Halterung des Mikroskops, suchte einen neuen heraus und hielt ihn gegen das Licht, um die Beschriftung zu lesen. Im Labor war es warm und still. Sonnenlicht fiel durch die Fenster und ergoß sich über den Boden. Draußen schwankten die Bäume leicht im Wind. Er fühlte sich ein wenig müde.
„Ja, ja, die Sonntagsausflügler", brummte er und schob den neuen Objektträger in die Halterung. „Und alle stehen bereit, über diese Welt herzufallen und die Bäume zu fällen, die Blumen herauszureißen, in die Seen zu spucken und das Gras in Brand zu setzen. Und nicht einmal der gewöhnliche Schnupfenvirus ist vorhanden, um..."
Er verstummte, seine Stimme wurde erstickt...
Erstickt, weil sich plötzlich die beiden Okulare des Mikroskops um seine Kehle geschlungen hatten und ihn zu erwürgen drohten. Hall zerrte an den Okularen, aber sie bohrten sich immer fester in seine Kehle, Stahlklauen, die so heftig zudrückten wie die Würgeschlinge einer Garotte.
Endlich gelang es ihm, das Mikroskop auf den Boden zu schleudern, und er sprang auf. Geschwind kroch das Mikroskop auf ihn zu und hüpfte an seinem Bein hinauf. Er schmetterte es mit seinem anderen Fuß davon und zog seinen Strahler.
Das Mikroskop begann zu fliehen, rollte mit den Schrauben der Grobeinstellung von ihm fort. Er feuerte. Es löste sich in einer Wolke von Metallteilchen auf.
„Guter Gott!" Zitternd setzte sich Hall und wischte den Schweiß aus seinem Gesicht. „Was zum..." Er massierte seine Kehle. „Was zum Teufel war das?"
Der Versammlungsraum war überfüllt. Fast alle Offiziere des Unternehmens Planet Blau waren anwesend. Kommandant Stella Morrison klopfte mit einem dünnen Plastikstab auf die große Kontrollkarte.
„Dieses umfangreiche ebene Gebiet ist hervorragend geeignet für die eigentliche Stadt. Es liegt nahe genug am Wasser, und das Klima ist abwechslungsreich genug, um den Siedlern genügend Gesprächsstoff liefern zu können. Umfangreiche Vorkommen von verschiedenen Mineralien befinden sich in unmittelbarer Nähe. Die Kolonisten können ihre eigenen Fabriken errichten und brauchen also nichts zu importieren. Dort drüben erstreckt sich das größte Waldgebiet des Planeten. Wenn sie vernünftig sind, werden sie es in Ruhe lassen. Aber wenn sie es vorziehen, lieber Zeitungspapier daraus zu machen, so ist das nicht unser Problem."
Sie wandte sich um und blickte die schweigend dasitzenden Männer an.
„Seien wir realistisch. Einige von Ihnen waren der Meinung, dem Emigrations-Amt die Zustimmung zu verweigern und ihn für uns selbst zu behalten und später einmal hierher zurückzukehren. Mir gefällt dieser Gedanke so sehr wie jedem anderen auch, aber das würde uns nur einen Haufen Ärger einbringen. Dies hier ist nicht unser Planet. Wir sind hier, um eine bestimmte Aufgabe zu erledigen. Wenn wir mit der Arbeit fertig sind, müssen wir weiter. Und wir sind fast fertig. Vergessen wir das also. Alles, was noch zu tun bleibt, besteht darin, unser Einverständnis durchzugeben und dann unsere Sachen zusammenzupacken."
„Liegt der Laborbericht über die bakteriologische Unbedenklichkeit schon vor?" fragte Wood, der stellvertretende Kommandant.
„Natürlich haben wir dieses Problem mit besonderer Sorgfalt behandelt. Aber nach den bisher vorliegenden Informationen gibt es keine Hinweise auf gefährliche Erreger. Ich glaube, wir können uns ruhigen Gewissens mit dem E. A. in Verbindung setzen. Man wird dann ein Schiff losschik-ken, uns abholen und die ersten Siedler hier absetzen. Es gibt keinen Grund..." Sie brach ab.
Stimmengemurmel erfüllte den Raum. Köpfe drehten sich der Tür zu.
Kommandant Morrison runzelte die Stirn. „Major Hall, darf ich Sie daran erinnern, daß es verboten ist, während einer Konferenz hier einzutreten!"
Hall taumelte und hielt sich an dem Türgriff fest. Wie ab wesend sah er sich in dem Konferenzraum um. Schließlich richteten sich seine glasigen Augen auf Leutnant Friendly, der drüben auf der anderen Seite des Raumes saß.
„Kommen Sie her", sagte er heiser.
„Ich?" Friendly rutschte tiefer in seinen Sessel.
„Major, was hat das zu bedeuten?" Wood, der Stellvertretende Kommandant, funkelte ihn verärgert an. „Sind Sie betrunken oder..." Er entdeckte in Halls Hand den Strahler. „Stimmt irgend etwas nicht, Major?"
Beunruhigt erhob sich Leutnant Friendly, näherte sich Hall und legte seine Hand auf Halls Schulter. „Was ist los? Was haben Sie?"
„Kommen Sie mit ins Labor."
„Haben Sie etwas entdeckt?" Der Leutnant musterte forschend Halls erstarrtes Gesicht. „Was ist geschehen?"
„Kommen Sie." Hall ging den Korridor hinunter, und Fri-endly folgte ihm. Dann stieß Hall die Labortür auf und bewegte sich zögernd in den Raum hinein.
„Was ist geschehen?" wiederholte Friendly.
„Mein Mikroskop."
„Ihr Mikroskop? Was ist damit?" Friendly betrat nach ihm das Labor. „Es ist nirgends zu sehen."
„Es ist weg."
„Weg? Wo ist es denn?"
„Ich habe es zerstrahlt."
„Sie haben es zerstrahlt?" Friendly starrte sein Gegenüber an. „Ich verstehe nicht. Warum haben Sie das getan?"
Halls Lippen bewegten sich, doch kein Laut drang aus seinem Mund.
„Ist mit Ihnen alles in Ordnung?" fragte Friendly besorgt. Dann bückte er sich und zog eine schwarze Plastikschachtel aus einem Regal unter dem Tisch. „Sagen Sie, ist das ein Witz?"
Er nahm Halls Mikroskop aus der Schachtel. „Was mein ten Sie damit, als Sie sagten, Sie hätten es zerstrahlt? Hier ist es doch, da, wo es hingehört. Aber nun verraten Sie mir endlich, was das ganze bedeuten sollte. Haben Sie etwas auf dem Objektträger entdeckt? Eine neue Bakterienkultur? Tödlich? Giftig?"
Hall näherte sich langsam dem Mikroskop. Tatsächlich, es war sein Gerät. Dort befand sich auch der Kratzer, knapp oberhalb der Feineinstellung. Und eine der beiden Halterungen für die Objektträger war leicht verbogen. Er strich mit dem Finger darüber.
Vor fünf Minuten hatte dieses Mikroskop versucht, ihn zu töten. Und er wußte, daß er es restlos zerstrahlt hatte.
„Vielleicht sollten Sie sich einem Psychotest unterziehen", schlug Friendly mitfühlend vor. „Sie sehen aus, als hätten Sie einen Schock erlitten. Wenn es nicht etwas schlimmeres ist."
„Vielleicht haben Sie recht", murmelte Hall.
Der Psychotest-Roboter summte, während er die Informationen verarbeitete und auswertete. Schließlich wechselten seine farbigen Kontrolldioden von rot zu grün. „Nun?" fragte Hall.