„Schwerwiegende Störung. Instabilitätsindex hat den Faktor Zehn überschritten."
„Das liegt über der Gefahrenmarke?"
„Ja. Faktor Acht bedeutet Gefahr. Zehn ist ungewöhnlich, vor allem bei einer Person mit Ihrem Psychogramm. Normalerweise stehen Sie bei Vier."
Hall nickte müde. „Ich weiß."
„Wenn Sie mir mehr Daten geben könnten... "
Hall schob das Kinn vor. „Ich kann dir nicht mehr sagen."
„Es ist verboten, während eines Psychotests Informationen zu unterschlagen", erklärte die Maschine unduldsam. „Wenn Sie es doch tun, verfälschen Sie das Ergebnis mei
ner Untersuchung."
Hall erhob sich. „Ich kann dir nicht mehr sagen. Hast du herausfinden können, ob mein seelisches Gleichgewicht gestört ist?"
„Es gibt Hinweise auf erhebliche psychische Störfaktoren. Aber was sie bedeuten oder woher sie rühren, kann ich nicht sagen."
„Danke." Hall schaltete den Tester aus. Er kehrte in sein Quartier zurück. Sein Kopf schwirrte. Begann er den Verstand zu verlieren? Aber er hatte mit seinem Strahler auf etwas geschossen, das wirklich existierte. Ein wenig später hatte er die Atmosphäre im Labor überprüft und in der Luft schwebende Metallpartikel entdeckt, vor allem dort, wo er auf das Mikroskop gefeuert hatte.
Aber wie war so etwas überhaupt möglich? Ein Mikroskop, das zum Leben erwachte und versuchte, ihn zu töten!
Jedenfalls hatte Friendly es aus der Schachtel geholt, und es war völlig unbeschädigt gewesen. Aber wie war es zurück in die Schachtel gekommen?
Er streifte seine Uniform ab und trat unter die Dusche. Während er das warme Wasser über seinen Körper laufen ließ, sann er weiter nach. Der Psychotest-Roboter hatte herausgefunden, daß er einen schweren Schock erlitten hatte, aber dies konnte mehr das Ergebnis als die Ursache seines Erlebnisses sein. Er hatte Friendly davon erzählen wollen, es dann aber doch nicht getan. Wie konnte er von jemand erwarten, daß er eine derartige Geschichte glauben würde?
Er drehte das Wasser ab und griff nach einem der Handtücher auf dem Ständer.
Das Handtuch wickelte sich um sein Handgelenk und zog ihn zur Wand. Rauher Stoff legte sich über seinen Mund und Nase. Wild kämpfte er dagegen an, zerrte und riß an dem Knebel. Auf einmal ließ das Handtuch los. Er stürzte, rutschte über den Boden und prallte mit dem Kopf gegen die Wand. Sterne tanzten vor seinen Augen, dann das Violett übermächtigen Schmerzes.
Hall saß in einer warmen Wasserlache und blickte hinüber zu der Handtuchstange. Das Handtuch bewegte sich nicht mehr, und es unterschied sich in Nichts von den anderen, die dort hingen. Drei Handtücher, dicht nebeneinander, alle identisch, alle bewegungslos. Hatte er das nur geträumt?
Unsicher kam er wieder auf die Beine und rieb sich den Kopf. Er hielt sich so fern wie möglich von der Handtuchstange, als er die Dusche verließ und in seine Kabine huschte. Mit äußerster Vorsicht zog er ein neues Handtuch aus dem Schrank. Es wirkte völlig normal. Er trocknete sich ab und begann sich anzuziehen.
Sein Gürtel schnürte sich um seine Hüfte und versuchte, ihn zu zerquetschen. Es war ein stabiler Gürtel - er besaß breite Metallverstärkungen, an denen sein Strahlerhalfter und andere Dinge befestigt wurden. Schweigend wälzte sich Hall mit dem Gürtel am Boden, kämpfte verbissen. Der Gürtel war wie eine wütende metallene Schlange, und er peitschte mit wilden Schlägen nach dem Mann. Unter Aufbietung all seiner Kräfte gelang es Hall, seinen Strahler zu erreichen.
Unvermittelt ließ der Gürtel los. Er zerstrahlte ihn und ließ sich dann in einen Sessel fallen, schnappte keuchend nach Luft.
Die Lehnen des Sessels schlossen sich um ihn. Aber diesmal war sein Strahler schneller. Er mußte sechs Feuerstöße abgeben, bevor der Sessel sich auflöste und er in Sicherheit war.
Halb angekleidet stand er in der Mitte des Zimmers, und seine Brust hob und senkte sich angestrengt.
„Das ist unmöglich", flüsterte er. „Ich muß den Verstand verloren haben."
Schließlich zog er Hose und Stiefel an und trat auf den leeren Korridor. Er ging zum Lift und fuhr hinauf zur obersten Etage des Gebäudes.
Kommandant Morrison blickte von ihrem Schreibtisch auf, als Hall durch den Robotkontrollschirm trat. Ein Klingeln ertönte.
„Sie sind bewaffnet", sagte der Kommandant vorwurfsvoll.
Hall starrte den Strahler in seiner Hand an. Dann legte er ihn auf den Schreibtisch. „Tut mir leid."
„Was wollen Sie? Was ist mit Ihnen los? Ich habe den Bericht der Testmaschine hier vorliegen. Der Bericht besagt, daß während der letzten vierundzwanzig Stunden Ihr Instabilitätsindex auf Zehn gestiegen ist." Sie musterte ihn forschend. „Wir beide kennen uns schon sehr lange, Lawrence. Was ist nur los mit Ihnen?"
Hall holte tief Atem. „Stella, heute morgen hat mein Mikroskop versucht, mich zu erwürgen."
Ihre blauen Augen weiteten sich. „Was?"
„Und dann, als ich mich nach der Dusche abtrocknen wollte, versuchte mich eines der Handtücher zu ersticken. Ich konnte mich befreien, aber als ich mich anzog, da hat mein Gürtel..." Er verstummte. Stella Morrison war aufgesprungen.
„Wache!" rief sie.
„Warten Sie, Stella." Hall ging auf sie zu. „Hören Sie doch. Dies ist eine ernste Sache. Ich bin nicht verrückt. Viermal haben irgendwelche Gegenstände versucht, mich umzubringen. Gewöhnliche Dinge, die plötzlich zu einer tödlichen Bedrohung wurden. Vielleicht ist es das, wonach wir bis jetzt vergeblich gesucht haben. Vielleicht ist..."
„Ihr Mikroskop hat versucht, Sie zu töten?"
„Es wurde lebendig. Seine beiden Okulare legten sich um meine Kehle."
Lange Zeit herrschte Schweigen. „Hat es außer Ihnen
noch jemand bemerkt?"
„Nein."
„Was haben Sie getan?"
„Ich habe es zerstrahlt."
„Irgendwelche Überreste?"
„Nein", gab Hall zögernd zu. „Tatsache ist, daß das Mikroskop wieder völlig in Ordnung zu sein scheint. Genau wie zuvor. Es befand sich in seiner Schachtel."
„Ich verstehe." Kommandant Morrison nickte den beiden Wachen zu, die auf ihren Ruf hin eingetreten waren. „Bringen Sie Major Hall nach unten zu Captain Taylor und sperren Sie ihn ein, bis wir eine Möglichkeit haben, ihn zurück zur Erde zu bringen, um ihn dort untersuchen zu lassen."
Schweigend sah sie zu, als die beiden Wachen Halls Arme mit magnetischen Klammern fesselten.
„Tut mir leid, Major", erklärte sie. „Solange Sie für Ihre Geschichte keine Beweise vorlegen können, müssen wir annehmen, daß Sie unter psychotischen Halluzinationen leiden. Und der Planet ist noch nicht so gut erforscht, daß wir es uns erlauben können, einen Psychotiker frei herumlaufen zu lassen. Sie könnten eine Menger Ärger anrichten."
Die Wachen zerrten ihn zur Tür. Hall ließ sich ohne Widerstand abführen. In seinem Kopf dröhnte es, und seine Gedanken summten. Vielleicht hatte sie recht. Vielleicht hatte er wirklich den Verstand verloren.
Sie erreichten Captain Taylors Büro. Einer der Wachen betätigte die Türglocke.
„Wer ist da?" erkundigte sich die Robottür schrill.
„Kommandant Morrison hat Befehl gegeben, diesen Mann der Aufsicht des Captains zu unterstellen."
Eine zögernde Pause folgte, dann: „Der Captain ist beschäftigt."
„Es handelt sich um eine dringende Angelegenheit."
In der Robottür klickten Relais, während sie nach einer
Entscheidung suchte. „Der Kommandant hat Sie geschickt?"
„Ja. Öffne jetzt."
„Bitte treten Sie ein", erklärte der Roboter schließlich. Er entriegelte das Schloß und gab den Weg frei.
Die Wache drückte die Tür auf. Und blieb stehen.
Auf dem Boden lag Captain Taylor, und sein Gesicht war blau, seine Augen traten hervor. Nur Kopf und Füße waren sichtbar. Ein rot-weiß gestreifter Teppichläufer hatte sich um ihn gewickelt und zog sich mehr und mehr zusammen.