„Dann ist das vielleicht die einzige Chance, die wir haben."
Der nächste Raumkreuzer, der groß genug war, um alle überlebenden Mitglieder der Einheit aufnehmen zu können, war nur zwei Stunden Flugzeit entfernt und bewegte sich derzeit Richtung Erde.
Kommandant Morrison blickte von dem Funkgerät auf. „Sie wollen wissen, welche Schwierigkeiten wir hier haben."
„Lassen Sie mich mit ihnen reden." Hall setzte sich vor den Bildschirm. Die goldbetreßte Uniform eines Kreuzerkommandanten flimmerte auf dem Monitor. „Hier spricht Major Lawrence Hall von der Forschungsabteilung dieser Einheit."
„Captain Daniel Davis. Sie haben Probleme, Major?"
Hall schürzte die Lippen. „Ich würde gern erst an Bord Ihres Schiffes Auskunft darüber geben, wenn Sie einverstanden sind."
„Warum nicht jetzt?"
„Captain, Sie werden uns so oder so für verrückt halten. Wir werden alles ausführlich besprechen, wenn wir an Bord sind." Er zögerte. „Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß wir Ihr Schiff nackt betreten werden."
Der Captain wölbte die Augenbrauen. „Nackt?"
„So ist es."
„Ich verstehe." Aber offensichtlich verstand er nicht.
„Wann werden Sie hier eintreffen?"
„Ich würde sagen, in etwa zwei Stunden."
„Es ist jetzt 13 Uhr nach unserer Zeit. Wir können Sie also um 15 Uhr erwarten?"
„Ungefähr, ja", bestätigte der Captain.
„Wir werden warten. Sorgen Sie dafür, daß keiner Ihrer Leute das Schiff verläßt. Öffnen Sie für uns eine Schleuse. Wir gehen ohne einen einzigen Gegenstand an Bord. Sobald wir im Schiff sind, starten Sie sofort."
„Stella Morrison beugte sich über den Monitor. „Captain -wäre es möglich... daß Ihre Leute...?"
„Wir werden vollautomatisch landen", beruhigte er sie. „Keiner von meinen Männern wird an Deck sein. Niemand wird Sie sehen."
„Danke", murmelte sie.
„Das ist doch selbstverständlich." Captain Davis salutierte. „Wir sehen uns dann in zwei Stunden, Kommandant."
„Die Leute sollen sich draußen auf der Wiese versammeln", ordnete Kommandant Morrison an. „Die Kleidung wird bereits hier abgelegt, um zu verhindern, daß irgendwelche Dinge mit nach draußen gelangen und Kontakt mit dem Schiff bekommen."
Hall blickte ihr ins Gesicht. „Wenn wir so unser Leben retten können, ist es das doch wert, oder?"
Leutnant Friendly biß sich auf die Lippen. „Ich werde es auf keinen Fall tun. Ich bleibe hier."
„Sie kommen mit."
„Aber, Major..."
Hall sah auf seine Uhr. „Es ist jetzt 14 Uhr 50. Das Schiff kann jede Minute eintreffen. Ziehen Sie Ihre Uniform aus und gehen Sie nach draußen zum Landeplatz."
„Kann ich denn wirklich nichts mitnehmen?"
„Nichts. Nicht einmal Ihren Strahler... Man wird uns an Bord neue Kleidung aushändigen. Kommen Sie! Ihr Leben hängt davon ab. Außerdem ergeht es allen so."
Friendly zerrte unentschlossen an seinem Hemd. „Nun, ich schätze, ich benehme mich reichlich albern."
Der Bildsprecher summte. Eine Robotstimme erklärte schrilclass="underline" „Bitte verlassen Sie sofort das Gebäude! Bitte verlassen Sie sofort das Gebäude und begeben Sie sich zum Landeplatz! Bitte verlassen Sie sofort das Gebäude! Bitte..."
„So früh?" Hall rannte zum Fenster und hob die Metalljalousie ein wenig an. „Ich habe nichts von der Landung gehört."
Mitten auf dem Landeplatz lag ein schlanker grauer Raumkreuzer. Seine Hülle war von Meteoreinschlägen zerbeult und zerschrammt. Bewegungslos lag er da. Kein Zeichen von Leben war um ihn zu entdecken.
Eine Gruppe nackter Leute bewegte sich bereits zögernd über den Platz auf den Kreuzer zu, der in dem hellen Sonnenlicht glitzerte.
„Dort ist er." Hall streifte sein Hemd ab. „Gehen wir!"
„Warten Sie auf mich!"
„Aber dann schnell." Hall hatte sich bereits ausgezogen. Die beiden Männer eilten hinaus auf den Korridor. Unbekleidete Soldaten hasteten an ihnen vorbei. Sie stürmten durch die Korridore und näherten sich rasch dem Ausgang, sprangen die Stufen hinunter, hinaus auf den Landeplatz. Aus allen Gebäuden der Forschungseinheit drangen nackte Männer und Frauen und gingen schweigend auf das Schiff zu.
„Was für ein Anblick", erklang dann eine Stimme. „Solange wir leben, wird uns das anhängen."
„Aber zumindest werden wir leben", bemerkte jemand anders.
„Lawrence!"
Hall wollte sich umdrehen.
„Bitte, schauen Sie sich nicht um. Gehen Sie weiter. Ich bin dicht hinter Ihnen."
„Was für ein Gefühl ist es denn, Stella?" fragte Hall.
„Ich finde es reichlich ungewöhnlich."
„Aber es ist die Sache wert?"
„Ich glaube schon."
„Was meinen Sie, wird uns jemand glauben?"
„Ich habe da meine Zweifel", erwiderte sie. „Ich bin mir selbst nicht mehr sicher."
„Jedenfalls werden wir lebend davonkommen."
„Ich hoffe es."
Hall blickte zu der Rampe hinauf, die sich aus der geöffneten Schleuse zu ihnen hinunterschob. Die ersten Männer begannen bereits die schräge Metallplatte emporzusteigen, schoben sich durch die runde Schleuse und verschwanden im Schiff.
„Lawrence... "
Ein seltsamer Unterton schwang in ihrer Stimme mit. „Lawrence, ich..."
„Ja?"
„Ich habe Angst."
„Angst!" Er blieb stehen. „Warum?"
„Ich weiß es nicht", stammelte sie.
Von allen Seiten drängten jetzt die Mitglieder des Forschungsteams heran. „Denken Sie nicht mehr daran. Versuchen Sie die Angst zu überwinden." Er setzte einen Fuß auf die Rampe. „Auf geht's."
„Ich möchte zurück!" Panik entstellte ihre Stimme. „Ich..."
Hall lachte. „Dazu ist es jetzt zu spät, Stella." Er stieg die Rampe hinauf, hielt sich an dem Geländer fest. Er war eingekeilt in einen Menschenknäuel, der nach oben drängte und sie mittrug. Sie erreichten die Schleuse. „Jetzt haben wir's geschafft."
Sein Vordermann verschwand in der Öffnung.
Hall ging hinter ihm her, hinein in das dunkle Innere des Schiffes, in die stille Finsternis, die vor ihm lag. Stella Morri
son folgte ihm.
Um genau 15 Uhr landete Captain Davis sein Schiff im Zentrum des Landeplatzes. Relais ließen die Schleuse mit einem lauten Krachen aufgleiten. Davis und die anderen Offiziere des Schiffes warteten im Kontrollraum, saßen unruhig vor den Schaltpulten.
„Nun", sagte Captain Davis nach einer Weile, „Wo stecken sie?"
Nervosität machte sich unter den Offizieren breit. „Vielleicht ist etwas schiefgegangen?"
„Vielleicht war das Ganze nur ein verdammter Witz?"
Sie warteten und warteten.
Aber niemand kam.
Entbehrlich
Der Mann trat auf die Veranda und sah dem neuen Tag ins Gesicht. Klar und kalt bot er sich ihm dar - und noch immer bedeckte Tau den Rasen. Er knöpfte seinen Mantel zu und steckte die Hände in die Taschen.
Als der Mann die Treppe hinunterging, wandten sich die beiden Raupen, die am Briefkasten gewartet hatten, ihm interessiert zu.
„Da geht er", bemerkte die erste. „Vermerk das in deinem Bericht."
Als die andere ihre Fühler zu drehen begann, verharrte der Mann und drehte sich rasch hemm.
„Ich habe das gehört", sagte er. Dann setzte er einen Fuß auf die niedrige Mauer, wischte die Raupen hinunter, auf den Betonboden, und zertrat sie.
Er hastete weiter durch den Vorgarten und näherte sich dem Bürgersteig. Nervös blickte er sich um. Im Kirschbaum raschelte ein Vogel und pickte mit glänzenden Augen nach den Kirschen. Der Mann beobachtete ihn. Alles in Ordnung? Oder... Der Vogel flog davon. Vögel waren harmlos. Von ihnen drohte keine Gefahr.