„Ich möchte nur einmal hinein. Nur für ein paar Minuten. Ich werde nichts beschädigen - das verspreche ich. Ich werde nicht einmal irgend etwas anfassen."
Der Verkäufer war jung und blond und gutaussehend, gerade erst Anfang Zwanzig. Er zögerte, war unsicher, wie er reagieren sollte. Dieser Junge war eine richtige Nervensäge. Aber er besaß eine Familie, und das bedeutete möglicherweise einen Geschäftsabschluß. Der Verkauf verlief nur stockend; es war Ende September, und um diese Zeit war das Geschäft immer rückläufig. Es hatte also wenig Sinn, dem Jungen zu sagen, er solle verschwinden und seine Nachrichtenbänder verhökern; aber andererseits widersprach es natürlich allen vernünftigen Geschäftsgepflogenheiten, irgendwelche Blagen zwischen den Ausstellungsstücken herumkriechen zu lassen. Sie stahlen einem die Zeit; sie beschädigten die Waren; und sie klauten Kleinigkeiten, wenn niemand aufpaßte.
„Tut mir leid", wehrte der Verkäufer ab. „Sieh mal, am besten schickst du deinen alten Herrn zu uns. Hat er schon unsere Neuheiten gesehen?"
„Ja", sagte Mike Foster gespreßt.
„Warum greift er dann nicht zu?" Der Verkäufer wies mit einer großartigen Geste auf das gewaltige, glitzernde Aus stellungsstück. „Wir machen ihm für seinen alten Bunker ein gutes Angebot, wenn er sich noch in gutem Zustand befindet und es wert ist. Was für ein Modell hat er denn im Augenblick?"
„Wir haben keinen Bunker", erwiderte Mike Foster.
Der Verkäufer blinzelte. „Wie war das?"
„Mein Vater sagt, es ist Geldverschwendung. Er sagt, daß den Leuten Angst eingejagt wird, um sie dazu zu bringen, Dinge zu kaufen, die sie gar nicht brauchen. Er sagt..."
„Dein Vater ist ein Anti-Z?"
„Ja", gab Mike Foster unglücklich zu.
Der Verkäufer stieß zischend den Atem aus. „In Ordnung, Junge. Schade, daß wir nicht ins Geschäft kommen. Du kannst nichts dafür." Er zögerte. „Was zum Teufel ist nur mit ihm los? Beteiligt er sich denn zumindest an den N ATS?"
„Nein."
Der Verkäufer fluchte lautlos. Ein Parasit, der sich durchschmarotzte, der sicher war, weil der Rest der Gemeinschaft dreißig Prozent des Einkommens dafür aufbrachte, um das Zivilschutzsystem leistungsfähig zu halten. Es gab immer ein paar von diesen Subjekten, in jeder Stadt. „Und was sagt deine Mutter dazu?" erkundigte sich der Verkäufer. „Ist sie damit einverstanden?"
„Sie sagt..." Mike Foster verstummte. „Darf ich denn nicht nur für einen Augenblick hineingehen? Ich werde wirklich nichts beschädigen. Nur einmal möchte ich hinein."
„Wie sollten wir je etwas verkaufen, wenn wir Kinder darin herumlaufen lassen? Wir denken nicht daran, diesen Bunker als Vorführmodell preisreduziert abzugeben - damit sind wir schon zu oft auf die Nase gefallen." Die Neugier des Verkäufers wuchs. „Wie wird man überhaupt zu einem Anti-Z? Hat er schon immer so gedacht, oder hat er irgendwann schlechte Erfahrungen gesammelt?"
„Er sagt, daß sie den Menschen soviel Autos und Wasch maschinen und Fernsehgeräte verkauft haben, wie sie brauchen. Er sagt, NATS und Bombenbunker sind zu nichts nütze, deshalb gibt es dabei keine Bedarfsdeckung. Er sagt, die Fabriken können weiter Waffen und Gasmasken produzieren, soviel sie wollen, und solange die Menschen Angst haben, werden sie auch in Zukunft dafür bezahlen, weil sie glauben, daß sie sterben werden, wenn sie es nicht tun, und selbst wenn jemand keine Lust mehr hat, in jedem Jahr Geld für ein neues Auto auszugeben, wird er doch nie damit aufhören, Bunker zum Schutz seiner Kinder zu kaufen."
„Und du glaubst das?" fragte der Verkäufer.
„Ich wünschte, wir hatten einen Bunker", gestand Mike Foster. „Wenn wir einen Bunker wie den dort hatten, dann würde ich jede Nacht hinuntergehen und darin schlafen. Er wäre immer da, wenn wir ihn brauchten."
„Vielleicht gibt es gar keinen Krieg", bemerkte der Verkäufer. Er spürte die Verzweiflung und die Furcht des Jungen, und er lächelte ihn beruhigend an. „Mach dir doch nicht dauernd Sorgen. Vielleicht hast du dir nur zuviel Videofilme angesehen - geh doch zur Abwechslung einmal nach draußen und spiele mit anderen Kindern."
„Draußen ist niemand sicher", sagte Mike Foster. „Man muß sich schon unter der Erde aufhalten. Und ich habe keinen Platz, an den ich hinkönnte."
„Schick doch deinen alten Herrn einmal vorbei", schlug der Verkauf er unbehaglich vor. „Vielleicht können wir ihn überreden. Es gibt da sehr viele verschiedene Teilzahlungsmöglichkeiten. Sag ihm, er soll nach Bill O'Neill fragen. Okay?"
Mike Foster ging davon, die dunkle nächtliche Straße hinunter. Er wußte, daß er schon längst zu Hause sein sollte, aber seine Füße bewegten sich nur schleppend, und sein Körper war schwer und erschöpft. Seine Müdigkeit ließ ihn sich an das erinnern, was der Gymnastiklehrer am Vortag während der Übungen zu ihm gesagt hatte. Sie trainierten gerade das Luftanhalten und mußten die Lunge mit Sauerstoff füllen und dann laufen. Er hatte sich dabei nicht gerade hervorgetan; die anderen rannten noch immer mit rotem Gesicht, wenn er stehenblieb, den Atem ausstieß und krampfhaft nach Luft schnappend dastand.
„Foster", sagte der Lehrer wütend, „du bist tot. Weißt du das eigentlich? Wenn das jetzt ein Gasangriff gewesen wäre..." Bekümmert schüttelte er den Kopf. „Geh dort hinüber und übe für dich allein weiter. Du mußt es besser können, wenn du überleben willst."
Und er wollte überleben, doch ohne Bunker...
Als er die Veranda des Hauses betrat, sah er, daß im Wohnzimmer noch alle Lampen brannten. Er konnte die Stimme seines Vaters hören, und - leiser - die seiner Mutter, die sich in der Küche aufhielt. Er schloß die Tür und zog den Mantel aus.
„Bist du das?" fragte sein Vater. Bob Foster saß ausgestreckt in seinem Lehnstuhl, und in seinem Schoß lagen ein Haufen Tonbänder und Geschäftspapiere aus seinem kleinen Möbelladen. „Wo bist du gewesen? Das Essen steht seit einer halben Stunde auf dem Tisch." Er hatte die Jacke ausgezogen und die Ärmel hochgekrempelt. Seine Arme waren bleich und dünn, aber muskulös. Er war müde; seine Augen waren schattenumrandet, und das Haar begann bereits schütter zu werden. Nervös schichtete er die Bänder von einem Stoß auf den anderen um.
„Es tut mir leid", erklärte Mike Foster.
Sein Vater warf einen Blick auf die Taschenuhr; er war vermutlich der einzige Mann, der noch immer eine Uhr trug. „Geh dir die Hände waschen. Was hast du denn gemacht?" Er musterte seinen Sohn. „Du siehst merkwürdig aus. Geht es dir gut?"
„Ich war in der Stadt", sagte Mike Foster.
„Was wolltest du denn da?"
„Mir die Bunker anschauen."
Wortlos griff sein Vater nach einer Handvoll Berichte und stopfte sie in eine Mappe. Seine dünnen Lippen preßten sich zusammen; tiefe Linien gruben sich in seine Stirn. Er schnaubte wutentbrannt, als einige Bänder nach allen Seiten davonrollten; ungeschickt bückte er sich, um sie aufzuheben. Mike Foster machte keine Anstalten, ihm zu helfen. Er ging zum Wandschrank hinüber und hängte seinen Mantel an den Haken. Als er sich umdrehte, schob seine Mutter bereits den gedeckten Abendtisch in das Eßzimmer.
Sie aßen schweigend, konzentrierten sich auf ihre Teller und blickten nicht einmal auf. Schließlich sagte sein Vater: „Was hast du denn gesehen? Wohl dieselben alten Hüte, oder?"
„Sie haben das neue 72er Modell ausgestellt", antwortete Mike Foster.
„Es ist auch nicht anders als das 71er." Sein Vater warf wütend die Gabel auf den Tisch, der sie auffing und absorbierte. „Ein paar neue Kleinigkeiten und ein bißchen mehr Chrom. Das ist alles." Plötzlich starrte er seinen Sohn herausfordernd an. „Das stimmt doch, oder?"
Mike Foster spielte bedrückt mit dem Hühnerfrikassee. „Die neuen besitzen einen absolut funktionssicheren Lift. Man kann nicht mehr mitten im Schacht steckenbleiben. Man muß nur einsteigen, und alles geht von da an vollautomatisch."