„Nächstes Jahr wird es einen geben, der dich aufhebt und nach unten trägt. Und sobald ihn die Leute gekauft haben, ist er auch schon wieder veraltet. Das haben sie im Sinn -sie wollen, daß man immer kauft und kauft. Sie bringen die neuen Modelle so schnell sie können auf den Markt. Wir haben noch nicht 1972, sondern noch immer 1971. Warum ist dieses Ding jetzt schon im Angebot? Können die denn nicht warten?"
Mike Foster antwortete nicht. All das hatte er schon tausendmal gehört. Niemals gab es etwas Neues, nur neue Chromverzierungen und ähnliche Kinkerlitzchen; trotzdem mußten die bisherigen Modelle irgendwie doch veralten. Die Argumente seines Vaters waren laut, ungeduldig, fast hysterisch, aber sie ergaben keinen Sinn. „Dann kaufen wir uns eben ein altes Modell", stieß er hervor. „Mir ist es egal, mir ist jeder recht. Selbst ein schon längere Zeit gebrauchter Bunker."
„Nein, du willst den neuen. Einen, der glänzt und glitzert, um die Nachbarn zu beeindrucken. Einen Haufen Skalen und Knöpfe und Apparate. Wieviel verlangen sie denn dafür?"
„Zwanzigtausend Dollar."
Sein Vater stieß die Luft aus. „Einfach so, hm?"
„Sie bieten auch bequeme Ratenzahlung an."
„Klar. Dann kannst du das Ding für den Rest deines Lebens abzahlen. Zinsen, Bearbeitungsgebühren... und wie lange läuft eigentlich die Garantie?"
„Drei Monate."
„Was geschieht, wenn er zusammenbricht? Vielleicht hört er dann auf zu sterilisieren und entseuchen. Er wird vermutlich nach Ablauf der drei Monate auseinanderfallen."
Mike Foster schüttelte den Kopf. „Nein. Er ist groß und robust."
Sein Vater lief rot an. Er war ein kleiner Mann, dünn und leicht und schmächtig. Er mußte plötzlich an sein Leben voller verlorener Kämpfe zurückdenken, daran, wie er sich mühsam hochgearbeitet und sorgfältig alles zusammengehalten hatte, seine Arbeitsstelle, sein Geld, sein Möbelgeschäft, wie er vom Buchhalter zum Geschäftsführer und schließlich zum Besitzer aufgestiegen war. „Sie flößen uns Furcht ein, damit die Geschäfte weiter wie geschmiert laufen", schrie er verzweifelt seine Frau und seinen Sohn an.
„Sie wollen nur eine weitere Depression vermeiden."
„Bob", mahnte ihn seine Frau leise, „hör auf damit. Ich kann das nicht mehr länger ertragen."
Bob Foster blinzelte. „Wovon sprichst du überhaupt?" knurrte er. „Ich bin müde. Diese gottverdammten Steuern. Ein kleiner Laden hat heutzutage praktisch keine Überlebenschancen mehr, die großen Konzerne raffen alles an sich. Dagegen sollte es ein Gesetz geben." Seine Stimme wurde leiser. „Ich glaube, ich habe keinen Hunger mehr." Er schob seinen Stuhl zurück und stand auf. „Ich werde mich auf die Couch legen und ein Nickerchen machen."
Das verhärmte Gesicht seiner Frau glühte vor Zorn. „Du mußt endlich einen Bunker kaufen! Ich kann es nicht mehr ertragen, wie man über uns redet. Alle Nachbarn und Geschäftsleute, alle, die uns kennen. Ich kann nirgendwo mehr hingehen und nichts mehr tun, ohne etwas davon zu hören. Seit dem Tag, an dem sie diese Fahne hißten. Anti-Z. Der letzte in der Stadt. Diese Dinger, die über uns kreisen, diese Nationalen Sicherheitsflieger, und jeder außer uns zahlt dafür."
„Nein", erklärte Bob Foster. „Ich werde mir keinen kaufen."
„Warum nicht?"
„Weil", erwiderte er einfach, „weil ich mir keinen leisten kann."
Stille trat ein.
„Du hast alles in dieses Geschäft gesteckt", sagte Ruth schließlich. „Und trotzdem geht es zugrunde. Du bist wie eine Beutelratte, du stopfst alles in dieses miese kleine Loch hinein. Niemand hat mehr Interesse an Holzmöbeln. Du bist ein Fossil - ein Unikum." Sie schlug auf den Tisch, der wie ein aufgeschrecktes Tier zu hüpfen begann und die leeren Teller zusammenschob. Dann huschte er furiengleich aus dem Zimmer und in die Küche, und die Teller klapperten in seinem Spültank, während er davonstob.
Bob Foster seufzte müde. „Hören wir auf zu streiten. Ich bin im Wohnzimmer. Laß mich ein wenig schlafen, nur eine Stunde. Vielleicht können wir später noch einmal darüber reden."
„Immer erst später", bemerkte Ruth bitter.
Ihr Mann verschwand im Wohnzimmer, eine schmächtige, nach vorn gebeugte Gestalt, mit zerzausten, grauen Haaren und hochgezogenen Schultern, so daß sie wie gebrochene Flügel wirkten.
Mike erhob sich. „Ich mach mich jetzt an die Hausaufgaben", erklärte er und folgte seinem Vater, und auf seinem Gesicht lag ein seltsamer Ausdruck.
Im Wohnzimmer war es still; das Videogerät war ausgeschaltet und das Lampenlicht gedämpft. Ruth befand sich in der Küche und programmierte den Herd für die Mahlzeiten des nächsten Monats. Bob Foster lag ausgestreckt auf der Couch, hatte die Schuhe ausgezogen und ein Kissen unter seinen Kopf geschoben. Sein Gesicht war grau vor Müdigkeit. Mike zögerte für einen Moment und sagte dann: „Darf ich dich etwas fragen?"
Sein Vater grunzte und richtete sich auf, öffnete die Augen. „Was?"
Mike nahm Platz und sah ihn an. „Erzähl mir noch einmal, wie du dem Präsidenten einen Ratschlag erteilt hast."
Sein Vater setzte sich hin. „Ich habe dem Präsidenten keinen Rat gegeben. Ich habe nur mit ihm gesprochen."
„Erzähl mir davon."
„Ich habe dir das schon millionenmal erzählt. Immer wieder, schon als du noch ein Baby warst. Du warst dabei." Seine Stimme wurde weicher, als er sich daran erinnerte. „Du warst damals noch ein richtiger Knirps - wir mußten dich tragen."
„Wie hat er ausgesehen?"
„Nun", begann sein Vater, in eine Routine abgleitend, die er im Lauf der Jahre erworben hatte, „er sah fast so aus wie im Fernsehen. Nur etwas kleiner."
„Warum war er hier?" fragte Mike eifrig, obwohl er jede Einzelheit kannte. Der Präsident war sein Held, der Mann, den er auf der ganzen Welt am meisten bewunderte. „Warum hat er sich auf den weiten Weg bis in unsere Stadt gemacht?"
„Er war auf einer Rundreise." Bitterkeit schlich sich in die Stimme seines Vaters. „Er kam ganz zufällig vorbei."
„Was war das für eine Reise?"
„Er hat Städte im ganzen Land besucht." Die Bitterkeit nahm zu. „Wollte nachschauen, wie wir zurechtkommen. Wollte sich überzeugen, ob wir genug NATS und Bombenbunker und Impfdosen und Gasmasken und Radarsysteme gekauft haben, um einen Angriff abwehren zu können. Die General Electronics Company hatte damals gerade damit begonnen, ihre großen Ausstellungsräume und Modelle einzurichten und vorzuführen - alles blitzend und funkelnd und teuer. Die ersten Verteidigungsausrüstungen für den Privatgebrauch." Er preßte die Lippen zusammen. „Alles war per bequemer Ratenzahlung erhältlich. Anzeigen, Plakate, Scheinwerfer, und gratis dazu Gardenien und Geschirr für die Damen."
Mike Foster atmete schwer. „Das war auch der Tag, an dem wir die Zivilschutzfahne erhielten", sagte er sehnsüchtig. „Das war der Tag, an dem er uns die Fahne gegeben hat. Und man hat sie am Flaggenmast im Stadtzentrum aufgezogen, und alle Leute waren anwesend und schrien und jubelten."
„Du erinnerst dich daran?"
„Ich... ich glaube schon. Ich erinnere mich an die Leute und an den Lärm. Und es war heiß. Es war Juni, oder?"
„Der 10. Juni 1965. Ein richtig großes Ereignis. Nur die wenigsten Städte besaßen die große, grüne Fahne. Die Leute kauften noch immer Autos und Fernsehgeräte. Sie hatten noch nicht entdeckt, daß diese Zeit vorüber war. Fernsehgeräte und Autos haben einen Zweck - aber man kann nur eine bestimmte Anzahl von ihnen bauen und verkaufen."
„Er hat dir die Fahne gegeben, nicht wahr?"
„Nun, er überreichte sie uns Geschäftsleuten. Die Industrie- und Handelskammer hatte alles arrangiert. Ein Wettstreit zwischen den Städten, um zu erfahren, wer am schnellsten am meisten kaufen kann. Um etwas für unsere Stadt und gleichzeitig etwas für das Geschäft zu tun. Natürlich stellten sie es so dar, daß man besser auf die Gasmasken und Bombenbunker achtgibt, wenn man sie selbst kauft. Als ob wir jemals Telefonzellen oder Bürgersteige beschädigt hätten. Oder Autobahnen, nur weil der Staat sie bezahlte. Oder die Streitkräfte. Hat es nicht immer eine Armee gegeben? Hat die Regierung nicht immer für die Verteidigung der Bevölkerung gesorgt? Ich schätze, die Verteidigung kostete zuviel. Ich schätze, sie haben einen Haufen Geld gespart und dadurch das nationale Budget ausgeglichen."