„Sieht aus wie dein Vater", flüsterte Peretti mißtrauisch. „Bist du sicher, daß du mich nicht auf den Arm nehmen willst?"
Charles führte ihn zur Garage und zeigte ihm die Abfalltonne. Peretti griff mit seinen langen gebräunten Armen hinein und zog die vertrockneten, knusprigen Überreste heraus. Sie breiteten sie aus, falteten sie auseinander, bis sich die Umrisse seines Vaters abzeichneten. Peretti legte die Überreste auf den Boden und schob die abgebrochenen Teile an ihren Platz. Die Überreste waren farblos. Fast durchsichtig. Ein Bernsteingelb, dünn wie Papier. Trocken und leblos.
„Das ist alles", sagte Charles. Tränen traten ihm in die Augen. „Das ist alles, was von ihm übriggeblieben ist. Das Ding hat sich die Innereien angeeignet."
Peretti war bleich geworden. Mit zitternden Händen stopfte er die Überreste zurück in die Abfalltonne. „Es stimmt also wirklich", murmelte er. „Du sagtest, du hast sie beide zusammen gesehen?"
„Sie sprachen miteinander. Sie sahen sich völlig ähnlich. Ich lief ins Haus." Charles wischte die Tränen fort und schneuzte sich; er war am Ende seiner Beherrschung an gelangt. „Es hat ihn gegessen, während ich drinnen war. Dann kam es ebenfalls ins Haus. Ich dachte zuerst, es wäre er. Aber er war es nicht. Es hat ihn getötet und die Innereien verzehrt."
Einen Moment lang war Peretti still. „Ich werde dir jetzt etwas sagen", erklärte er plötzlich. „Ich habe schon von derartigen Dingen gehört. Es ist eine schlimme Sache. Du mußt deinen Kopf gebrauchen und darfst dich nicht ins Bockshorn jagen lassen. Du hast doch keine Angst, oder?"
„Nein", gelang es Charles herauszubringen.
„Als erstes müssen wir herausfinden, wie wir es töten können." Er hob sein Luftdruckgewehr. „Ich weiß nicht, ob es damit gelingt. Es muß verdammt stark sein, daß es deinen Vater überwältigen konnte. Er war ein großer Mann." Peretti dachte nach. „Laß uns von hier verschwinden. Vielleicht kommt es hierher zurück. Man sagt, daß Mörder immer so handeln."
Sie verließen die Garage. Peretti kauerte sich zusammen und äugte erneut durch das Fenster. Mrs. Walton war aufgestanden. Sie sagte irgend etwas, und es klang besorgt. Aber ihre Worte waren nicht zu verstehen. Das Vater-Ding senkte seine Zeitung. Sie stritten sich.
„Um Gottes willen!" rief das Vater-Ding. „Stell bloß nicht etwas derart Dummes an."
„Irgend etwas stimmt nicht", jammerte Mrs. Walton. „Irgend etwas Schreckliches ist geschehen. Ich will doch nur das Krankenhaus anrufen und nachfragen, ob... "
„Du wirst niemand anrufen. Ihm ist schon nichts passiert. Vermutlich spielt er irgendwo."
„So lange ist er nie draußen gewesen. Und er war nie ungehorsam. Als er hinauslief, war er furchtbar verstört - und hatte Angst vor dir! Und ich nehme es ihm nicht einmal übel." Ihre Stimme zitterte vor Elend. „Was ist nur mit dir los? Du benimmst dich so seltsam." Sie verließ das Zimmer und betrat den Korridor. „Ich werde einige unserer Nachbarn anrufen."
Das Vater-Ding blickte ihr nach, bis sie verschwunden war. Dann geschah etwas Entsetzliches. Charles keuchte; selbst Peretti hielt den Atem an.
„Schau dir das an", krächzte Charles. „Was..."
„Donnerwetter", sagte Peretti, und seine dunklen Augen waren weit aufgerissen.
Sobald Mrs. Walton den Raum verlassen hatte, sackte das Vater-Ding in seinem Sessel zusammen. Es erschlaffte. Der Mund klaffte auf. Die Augen wurden leer. Der Kopf fiel nach vorn, wie der einer alten beschädigten Puppe.
Peretti entfernte sich vom Fenster. „Das ist es", flüsterte er. „Das also ist das ganze Geheimnis."
„Was meinst du?" fragte Charles. Er war entsetzt und verwirrt. „Es sieht aus wie jemand, der alle Kraft verloren hat."
„Genau." Peretti nickte langsam, grimmig und an allen Gliedern zitternd. „Es wird von außerhalb kontrolliert."
Angst erfaßte Charles. „Du meinst, von ganz außerhalb, aus dem Weltraum?"
Peretti schüttelte angewidert den Kopf. „Außerhalb des Hauses! Vom Garten aus. Du weißt, wie man am besten nach etwas sucht?"
„Nicht besonders gut." Charles mühte sich, seine Gedanken zu sammlen. „Aber ich kenne jemand, der das perfekt beherrscht." Verzweifelt versuchte er sich an den Namen zu erinnern. „Bobby Daniels."
„Das ist dieser kleine schwarze Bursche, nicht wahr? Und er hat Ahnung davon?"
„Er ist der Beste."
„In Ordnung", erklärte Peretti. „Gehen wir zu ihm. Wir müssen dieses Ding finden, das sich irgendwo hier versteckt hat. Das es dort drinnen kontrolliert und am Leben erhält... "
„Es ist irgendwo in der Nähe der Garage", sagte Peretti zu dem kleinen, schmalgesichtigen schwarzen Jungen, der neben ihnen in der Dunkelheit hockte. „Als es ihn erwischte, befand er sich in der Garage. Also schau dort nach."
„In der Garage?" fragte Daniels.
„In der Nähe der Garage. Walton hat bereits in der Garage nachgesehen. Du schaust dich draußen um. In der Umgebung."
Neben der Garage befand sich ein kleines Blumenbeet, und zwischen Garage und der Rückseite des Hauses erhob sich ein Bambusgestrüpp vor einem Haufen aus vermoderndem Unrat. Der Mond war aufgegangen; sein kaltes, fahles Licht sickerte vom Himmel und schuf verschwommene Schattengebilde. „Wenn wir es nicht bald entdecken", bemerkte Daniels, „muß ich wieder nach Hause. Ich darf nicht mehr viel länger draußen bleiben." Er war nicht älter als Charles. Vielleicht neun.
„In Ordnung", nickte Peretti. „Dann schau dich um."
Die drei Jungen trennten sich und begannen sorgfältig den Boden zu untersuchen. Daniels arbeitete mit unglaublicher Schnelligkeit; sein schmaler kleiner Körper bewegte sich wie ein Blitz hin und her, während er zwischen den Blumen herumwühlte, Steine hochhob, unter die Veranda äugte, Pflanzen zur Seite bog, seine kunstfertigen Hände über Blätter und Stengel gleiten ließ und die Kompost- und Unkrauthäufchen umgrub. Kein Quadratzentimeter blieb verschont.
Nach kurzer Zeit hielt Peretti inne. „Ich werde Wache schieben. Vielleicht befinden wir uns in Gefahr. Vielleicht kommt das Vater-Ding heraus und versucht uns aufzuhalten." Er postierte sich mit seinem Luftdruckgewehr vor der Hintertreppe, während Charles und Bobby Daniels weitersuchten. Charles arbeitete langsam. Er war müde und seine Glieder fühlten sich kalt und taub an. Alles erschien ihm mit einem Mal unglaublich; das Vater-Ding und das, was seinem eigenen Vater zugestoßen war, seinem wirklichen Vater. Aber das Entsetzen trieb ihn an; vielleicht konnte dies auch seiner Mutter zustoßen, oder ihm. Jedem anderen. Vielleicht der ganzen Welt.
„Ich habe es gefunden!" rief Daniels mit seiner dünnen, hohen Stimme. „Kommt schnell her!"
Peretti hob sein Gewehr und kam vorsichtig näher. Charles hastete zu Daniels hinüber; er richtete den flackernden gelben Lichtstrahl seiner Taschenlampe auf die Stelle, wo der schwarze Junge stand.
Der Junge hatte eine Betonplatte zur Seite gerückt. Das Licht glitzerte auf einem metallenen Körper, der in der feuchten, modrigen Erde eingebettet war. Ein dünnes, viel-gliedriges Etwas mit endlos langen, geknickten Beinen wühlte sich wie rasend in den Boden. Es war wie eine Ameise gepanzert; ein rotbrauner Käfer, der sich rasch ihren Blicken entzog. Das Gewirr der Beine grub und kratzte den Dreck zur Seite. Plötzlich gab der Boden unter dem Ding nach. Der bösartig wirkende Schwanz peitschte wild hin und her, während es hinein in den Tunnel kroch, den es geschaffen hatte.