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Peretti lief in die Garage und holte die Harke heraus, klemmte damit den Schwanz des Käfers ein. „Schnell! Erschießt es mit dem Luftgewehr!"

Daniels ergriff das Gewehr und legte an. Der erste Schuß trennte den Schwanz vom Körper des Käfers. Der Käfer zuckte und wand sich, der Schwanz zitterte und einige Beine brachen ab. Es war ungefähr dreißig Zentimeter lang, ähnelte einem großen Tausendfüßler. Verzweifelt kämpfte es, um in seinen Bau zu flüchten.

„Schieß noch einmal", befahl Peretti.

Daniels hantierte an dem Gewehr. Der Käfer krümmte sich und zischte. Sein Kopf zuckte hin und her; er drehte sich und biß nach der Harke, die ihn festhielt. Seine bösartigen Augen glühten haßerfüllt. Sekundenlang zerrte er vergeblich an der Harke; dann, abrupt, überraschend, peitschte er in irrwitziger Raserei den Boden, so saß sie furchterfüllt zurückwichen.

Irgend etwas blitzte in Charles Gehirn auf. Ein lautes Summen, metallisch und scharf, wie von einer Milliarde Metalldrähte, die gleichzeitig zu tanzen und zu vibrieren begannen. Gewalttätig hielt ihn die unbekannte Kraft in ihrem Griff; das dröhnende metallische Summen betäubte und verwirrte ihn. Er rappelte sich mühsam auf und wich zurück; die beiden anderen Jungen folgten mit bleichen Gesichtern und zitternden Gliedern seinem Beispiel.

„Wenn wir es nicht mit dem Gewehr töten können", keuchte Peretti, „müssen wir es ertränken. Oder verbrennen. Oder sein Gehirn durchbohren." Verbissen kämpfte er, um die Harke festzuhalten und den Käfer gegen den Boden zu pressen.

„Ich besitze eine Büchse Formaldehyd", flüsterte Daniels. Nervös hantierte er an dem Luftdruckgewehr. „Wie funktioniert das Ding? Ich weiß nicht..."

Charles nahm ihm das Gewehr ab. „Ich werde es töten." Er kniete nieder, zielte und legte den Finger um den Abzug. Der Käfer wand sich, kämpfte verzweifelt. Sein Kraftfeld dröhnte in seinen Ohren, aber er ließ das Gewehr nicht los. Sein Finger krümmte sich...

„Das genügt, Charles", sagte das Vater-Ding. Kräftige Finger griffen nach ihm, umklammerten schmerzhaft seine Handgelenke. Das Gewehr fiel zu Boden, als er sich verbissen wehrte. Das Vater-Ding bewegte sich auf Peretti zu. Der Junge machte einen Satz zur Seite und der Käfer, vom Druck der Harke befreit, schlüpfte triumphierend in seinen Tunnel hinein.

„Ich werde dir eine Tracht Prügel verpassen, Charles", brummte das Vater-Ding. „Was ist nur in dich gefahren? Deine arme Mutter ist schon ganz krank vor Sorge."

Es war die ganze Zeit über in ihrer Nähe gewesen, hatte sich in dem Schatten verborgen, in der Dunkelheit gekauert und sie beobachtet. Seine ruhige, gefühllose Stimme, eine schreckliche Parodie auf die seines Vaters, war dicht an seinem Ohr, während es ihn unerbittlich in Richtung Garage zerrte. Sein kalter Atem strich ihm über das Gesicht, verbreitete einen frostigen, süßlichen Geruch, wie faulende Erde. Seine Kräfte waren ungeheuerlich; es gab nichts, das Charles dagegen unternehmen konnte.

„Hör auf, dich zu wehren", sagte es ruhig. „Komm schon, komm in die Garage. Es ist zu deinem Besten. Du kannst mir vertrauen, Charles."

„Hast du ihn gefunden?" rief seine Mutter.

„Ja, ich habe ihn gefunden."

„Was hast du mit ihm vor?"

„Ich werde ihm eine kleine Abreibung verpassen." Das Vater-Ding stieß die Garagentür auf. „In der Garage." In dem Zwielicht verzerrte ein leises Lachein, humorlos und völlig ohne Gefühl, seine Lippen. „Geh du nur zurück ins Wohnzimmer, June. Ich kümmere mich schon darum. Der Bursche hat eine Abreibung verdient. Aber du bist ja immer dagegen gewesen."

Zögernd schloß sich die Hintertür. Als das Licht erlosch, bückte sich Peretti und griff nach dem Luftgewehr. Unvermittelt blieb das Vater-Ding stehen.

„Geh nach Hause, Junge", knurrte es.

Unschlüssig stand Peretti da, hielt das Luftgewehr fest umklammert.

„Verschwinde schon", befahl das Vater-Ding. „Laß dieses Spielzeug fallen und verschwinde." Langsam bewegte es sich auf Peretti zu, hielt Charles mit der einen Hand fest, griff mit der anderen nach Peretti. „In der Stadt sind Luftge wehre verboten, Bursche. Weiß dein Vater überhaupt, daß du so ein Ding hast? Es gibt da eine städtische Verordnung. Ich schätze, du gibst es mir jetzt besser, bevor..."

Peretti schoß und traf es in das Auge.

Das Vater-Ding knurrte und schlug eine Hand vor das zerstörte Auge. Abrupt sprang es auf Peretti zu. Peretti eilte den Weg hinunter und versuchte das Gewehr zu laden. Das Vater-Ding erreichte ihn. Seine kraftigen Hände entrissen Peretti das Gewehr. Stumm zerschmetterte das Vater-Ding das Gewehr an der Hauswand.

Charles riß sich los und lief wie betäubt davon. Wo konnte er sich verstecken? Es befand sich zwischen ihm und dem Haus. Schon kam es auf ihn zu, eine schwarze Gestalt, die vorischtig heranschlich, in die Dunkelheit äugte und nach ihm suchte. Charles wich zurück. Wenn er sich doch nur igendwo verstecken könnte...

Der Bambus.

Rasch kroch er in das Gewirr des Bambusgestrüpps. Die Schäfte waren groß und alt. Sie schlossen sich hinter ihm mit einem leisen Rascheln. Das Vater-Ding wühlte in seinen Taschen; es entzündete ein Streichholz und setzte damit die ganze Packung in Brand. „Charles", sagte es. „Ich weiß, daß du dich hier irgendwo befindest. Es ist sinnlos, daß du dich versteckst. Du machst alles nur noch schlimmer."

Sein Herz hämmerte. Charles kroch durch den Bambus, über faulenden Müll und Schmutz. Unkraut, Abfalle, Papier, Schachteln, alte Kleider, Bretter, Konservenbüchsen, Flaschen. Spinnen und Eidechsen krabbelten vor ihm davon. Der Bambus raschelte im Nachtwind. Insekten summten über den Unrat.

Und da war noch etwas.

Eine Gestalt, eine stille, reglose Gestalt, die aus dem Abfallhaufen wuchs, wie manche Pilze. Ein weißer Leib, eine breiige Masse, die feucht im Mondlicht glitzerte. Das Gebil de war von einem Gewebe überzogen, ähnelte einem schimmeligen Kokon. Es besaß schwach ausgebildete Arme und Beine. Einen rudimentären, halb herausgeformten Kopf. Noch waren die Gesichtszüge nicht zu erkennen. Aber er wußte bereits, um was es sich dabei handelte.

Es war ein Mutter-Ding. Es wuchs hier in dem Unrat und der Feuchtigkeit, zwischen der Garage und dem Haus. Hinter dem Bambusgestrüpp.

Es war fast fertig. Noch ein paar Tage, und es würde ausgewachsen sein. Noch war es eine Larve, weiß und weich und breiig. Aber die Sonne würde es trocknen und wärmen. Die Haut härten. Es bräunen und kräftigen. Es würde aus dem Kokon schlüpfen, und dann, eines Tages, wenn sich seine Mutter in der Nähe der Garage befand...

Hinter dem Mutter-Ding befand sich eine andere weiche, bleiche Larve, die vermutlich der Käfer gelegt hatte. Klein. Bildete sich gerade heraus. Er konnte die Stelle sehen, von der sich das Vater-Ding gelöst hatte, wo es herangewachsen war. Hier war es groß geworden. Und in der Garage hatte sein Vater es getroffen.

Charles entfernte sich benommen von diesem Ort, kroch über die verrottenden Bretter, den Unrat und den Müll, vorbei an den breiigen, pilzähnlichen Larven. Müde streckte er die Hände aus, um nach dem Zaun zu greifen - und fuhr zurück.

Noch eine Larve. Bisher hatte er sie noch nicht gesehen. Sie war nicht weiß. Sie hatte sich bereits dunkel verfärbt. Das Gewebe, die breiige Feuchtigkeit, die weiche Struktur waren verschwunden. Sie war ausgewachsen. Und sie bewegte sich ein wenig, hob schwach die Arme.

Das Charles-Ding.

Das Bambus teilte sich und die Hand des Vater-Dings legte sich fest um das Handgelenk des Jungen. „Du bleibst hier", sagte es. „Dies ist genau dein Platz. Bewege dich nicht." Mit seiner anderen Hand zerrte es an den Überresten des Kokons, der das Charles-Ding umhüllte. „Ich werde ihm heraushelfen - es ist noch ein wenig schwach."

Der letzte Faden aus feuchtem Grau glitt ab, und das Charles-Ding torkelte heraus. Es tappte unsicher daher, während das Vater-Ding ihm den Weg zu Charles bahnte.