Die Maschine antwortete sofort. „Die semantische Bedeutung des Begriffes >pizzeliert< ist dem Verbundnetz unbekannt. Der Begriff ist in dem gespeicherten Vokabular nicht aufgeführt. Ist es Ihnen möglich, die Beschwerde über die Milch so zu präzisieren, daß Sie uns eine Liste der spezifischen Elemente übergeben können, die fehlen oder vorhanden sind?"
„Nein", wehrte O'Neill ab; das Spiel, das er spielte, war kompliziert und gefährlich. „>Pizzelieren< ist ein allgemeiner Begriff. Er kann nicht auf chemische Bestandteile reduziert werden."
„Was bedeutet >pizzelieren<?" fragte die Maschine. „Können Sie den Begriff nicht in alternativen semantischen Symbolen ausdrücken?"
O'Neill zögerte. Der Vertreter mußte von seiner begrenzten Untersuchung abgebracht und vorsichtig in Richtung des Hauptproblems gelenkt werden - des Problems, wie das Verbundnetz der Autofacs abgeschaltet werden konnte. Wenn es ihm gelang, an irgendeinem Punkt einzuhaken und eine theoretische Diskussion in Gang zu bringen...
„Pizzeliert", erklärte er, „beschreibt den Zustand eines Produktes, das ohne tatsächlichen Bedarf produziert wird. Der Begriff wird immer dann benutzt, wenn Objekte aus dem einfachen Grunde zurückgegeben werden, weil sie nicht mehr benötigt werden."
„Die Analyse des Verbundnetzes", erwiderte der Vertreter, „beweist, daß in diesem Gebiet ein Bedarf an hochwertigen, pasteurisierten Milchprodukten besteht. Es existiert keine alternative Bezugsquelle; das Verbundnetz kontrolliert alle Produktionsstätten, die das erwähnte Säugetierprodukt auf synthetischem Wege herstellen -" Er fügte hinzu: „Die auf den Datenbändern gespeicherten Originalinstruktionen bezeichnen Milch als ein menschliches Grundnahrungsmittel."
O'Neill war überlistet worden; die Maschine lenkte die Diskussion wieder auf das ursprüngliche Problem. „Wir haben entschieden", sagte er verzweifelt, „daß wir keine Milch mehr haben wollen. Wir ziehen es vor, ohne sie auszukommen, zumindest so lange, bis wir Kühe gefunden haben."
„Das widerspricht den Daten des Verbundnetzes", wandte der Vertreter der Autofac ein. „Es gibt keine Kühe mehr. Alle Milch wird synthetisch hergestellt."
„Dann werden wir sie eben selbst synthetisch herstellen", mischte sich Morrison ungeduldig ein. „Warum sollten wir die Produktion nicht selbst übernehmen? Mein Gott, wir sind doch keine Kinder! Wir können allein über unser Leben bestimmen!"
Der Autofac-Vertreter näherte sich der Tür. „Solange Ihre Gemeinde keine anderen Quellen entdeckt, aus denen sie sich mit Milch versorgen kann, wird das Verbundnetz fortfahren, sie mit Milch zu beliefern. Sämtliche analytischen und statistischen Einrichtungen werden in diesem Gebiet verbleiben und weiterhin die üblichen Stichproben vornehmen."
„Wie sollen wir denn andere Bezugsquellen entwicklen?" rief Perine aufgebracht. „Ihr verfügt doch über alle Einrichtungen! Ihr habt doch alles an euch gerissen!" Er eilte der Maschine hinterher. „Du hast behauptet, daß wir nicht in der Lage sind, alles in die eigenen Hände zu nehmen - du hast behauptet, wir sind dazu nicht fähig. Woher willst du das wissen? Man gibt uns ja nicht einmal eine Chance! Man hat uns nie eine Chance gegeben!"
O'Neill war wie versteinert. Die Maschine verließ sie wieder; ihr dumpfer, geradlinig arbeitender Verstand hatte über sie triumphiert.
„Hör doch zu", stieß er heiser hervor und stellte sich ihr in den Weg. „Wir wollen, daß ihr euch abschaltet, verstehst du? Wir wollen die Anlage übernehmen und selbst leiten. Der Krieg ist vorbei. Verdammt noch mal, ihr werdet nicht mehr gebraucht!"
Der Autofac-Vertreter verharrte kurz an der Tür. „Die Abschaltung", erklärte die Maschine, „erfolgt erst, wenn die Produktion des Verbundnetzes von der Produktion der Oberfläche zumindest eingeholt wird. Im Augenblick existiert an der Oberfläche keine Produktion, wie uns die regelmäßigen Stichproben beweisen. Deshalb muß die Produktion des Verbundnetzes weiterlaufen."
Unvermittelt ergriff Morrison ein Stahlrohr und hieb damit auf die Maschine ein, traf sie an der Schulter und zerschmetterte das empfindliche System der Sensoren, das die Brust bedeckte. Der nächste Schlag riß den ganzen Rumpf auf; Glassplitter, Schaltungen und kleinere Teile flogen durch die Luft.
„Das ist doch verrückt!" kreischte Morrison. „Ein Wortspiel - ein semantischer Trick, mit dem sie uns übertölpeln wollen. Die Kybernetiker haben uns das eingebrockt." Er erhob erneut das Rohr und ließ es auf die Maschine niedersausen. „Wir sind ihnen ausgeliefert. Wir sind völlig hilflos."
In dem Zimmer herrschte ein einziges Durcheinander. „Es ist die einzige Möglichkeit", keuchte Perine, als er sich an O'Neill vorbei drängte. „Wir müssen sie zerstören - entweder das Verbundnetz oder wir." Er umklammerte eine Tischlampe und schmetterte sie in das Gesicht des Autofac-Vertreters. Die Lampe und die kompliziert verdrahtete Plastikfläche zerbarsten; blindlings hämmerte Perine mit den Fäusten auf die Maschine ein. Auch die anderen hielten sich nun nicht mehr zurück und drangen auf den aufrecht dastehenden Zylinder ein, erfüllt von ohnmächtiger Wut, die jetzt zum Ausbruch kam. Die Maschine brach zusammen und prallte auf den Boden auf, verschwand hinter den aufgeregt gestikulierenden Gestalten.
Mit zitternden Händen wandte sich O'Neill ab. Seine Frau ergriff ihn am Arm und zerrte ihn ins Nebenzimmer.
„Diese Idioten", sagte er niedergeschlagen. „So können sie die Fabrik doch nicht zerstören; sie bringen sie nur dazu, daß neue Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Und das macht unsere Lage nur noch schlimmer."
Unvermittelt rollte eine Reparaturkolonne des Autofac-Ver-bundnetzes in das Wohnzimmer. Geschickt lösten sich die mechanischen Einheiten von dem mit Raupenketten ausgestatteten Mutterfahrzeug und stürzten sich in das Gewühl der empörten Menschen und trieben sie auseinander. Kurz danach schleppten sie den beschädigten Rumpf des Auto-fac-Vertreters hinaus in das Mutterfahrzeug. Die Einzelteile, die überall auf dem Boden herumlagen, wurden flink eingesammelt, und selbst die winzigsten Schrauben wurden nicht vergessen und nach draußen geschafft. Als letztes griffen sie nach den Plastikverstrebungen und dem Getriebe. Dann koppelten sich die Einheiten wieder an das Mutterfahrzeug an, und die Kolonne verschwand.
Durch die offene Tür kam ein zweiter Autofac-Vertreter herein, und er glich exakt dem ersten. Und draußen im Korridor standen noch zwei weitere der aufrecht gehenden Maschinen. Die ganze Siedlung wimmelte von den Vertretern. Wie eine Horde Ameisen waren die datenverarbeitenden Maschinen in ihren ferngesteuerten Fahrzeugen in die Stadt eingedrungen und hatten nach O'Neill gesucht, bis ihn schließlich einer von ihnen - jener, der zerstört worden war -gefunden hatte.
„Die Zerstörung von mobilen datenverarbeitenden Maschinen des Verbundnetzes entspricht in keiner Weise den Interessen der Menschen", erklärte der Autofac-Vertreter den wie erstarrt dastehenden Männern und Frauen. „Die Versorgung mit seltenen Rohstoffen steht vor gefährlichen Engpassen; die Ressourcen, die noch verfügbar sind, müssen ausschließlich der Produktion von Konsumgütern zugute kommen."
O'Neill und die Maschine sahen sich an.
„Oh?" sagte O'Neill leise. „Das ist interessant. Ich frage mich, welcher Rohstoff euch am meisten fehlt - und ob ihr vielleicht bereit wärt, um ihn zu kämpfen."
Pfeifend drehten sich über O'Neills Kopf die Rotorblatter des Helikopters; er ignorierte den Lärm und äugte durch das Kabinenfenster hinunter auf den nahen Erdboden. Nach allen Seiten erstreckten sich Schlackefelder und Ruinen.
Unkraut wuchs auf dem verwüsteten Boden, dürre Sträu-cher, zwischen denen Insekten herumkrochen. Hier und da waren einige Rattenkolonien zu erkennen: aufgeschüttete Hügel aus Knochen und Abfall. Radioaktive Strahlung hatten die Ratten wie auch die meisten Insektenarten und Tiere mutieren lassen. In der Ferne entdeckte O'Neill einen Vogelschwarm, der ein Erdhörnchen jagte. Das Erdhörnchen verschwand in einem sorgfältig geschützten Spalt zwischen den Schlackehaufen, und die Vögel drehten enttäuscht ab.