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„Genosse", rief der Hausierer jedoch und verfolgte ihn mit seinem Wagen; eine Heliumbatterie versorgte den Motor mit der nötigen Energie und ließ das Gefährt rasch hinter Chien herrollen. „Ich führe in meinem Angebot eine große Anzahl zuverlässig wirkender pflanzlicher Heilmittel, und zu jedem gekauften Elixier erhalten Sie ein Dankschreiben von einem meiner treuen Kunden, von denen es Tausende in dieser Stadt gibt; nennen Sie mir Ihre Krankheit und ich werde sie heilen."

„Das mag schon sein", erklärte Chien und blieb einen Augenblick stehen, „aber ich leide an keiner Krankheit." Sieht man von der chronischen ab, dachte er, die jeden befällt, der für das Zentralkomitee arbeitet, und deren Erreger die Karrieristen sind, die unermüdlich darauf drängen, einen Posten zu ergattern. Meinen eingeschlossen.

„Beispielsweise kann ich Strahlungskrankheiten kurieren", behauptete der Hausierer, der ihn noch immer verfolgte. „Oder, falls erforderlich, die Sexualkraft stärken. Und ich kann Krebswucherungen zum Verschwinden bringen, selbst die schrecklichste Version, die man den Schwarzen Krebs nennt." Der Hausierer hielt ein Tablett hoch, auf dem Fla schen, kleine Aluminiumbehälter und Plastikdosen mit zahlreichen Pulvern standen, und er fuhr in seinem eigentümlichen Singsang fort: „Sollte ein Rivale versuchen, Ihre mühsam errungene bürokratische Stellung für sich zu vereinnahmen, so kann ich Ihnen ein Mittelchen liefern, das zwar wie eine gewöhnliche Hautcreme aussieht, in Wirklichkeit allerdings ein furchtbar wirkungsvolles Gift ist. Und, Genosse, meine Preise sind niedrig. Und als besondere Gefälligkeit für jemand, der so vornehm wie Sie auftritt, würde ich sogar die inflationären Nachkriegspapierdollar annehmen, die als international anerkanntes Zahlungsmittel gelten, tatsächlich aber nicht mehr wert sind als eine Rolle Klopapier."

„Ah, gehen Sie doch zum Teufel", erklärte Chien und winkte einem vorbeifahrenden Hovercrafttaxi zu; er hatte sich bereits dreieinhalb Minuten verspätet, und seine zahlreichen fettarschigen Vorgesetzten im Ministerium würden sich dies sehr genau merken - wie auch seine Untergebenen, deren Erinnerungsvermögen in diesem Fall allerdings noch besser war.

„Aber Genosse", sagte der Hausierer rasch, „Sie müssen etwas von mir kaufen."

„Warum?" fragte Chien indigniert.

„Weil ich, Genosse, ein Kriegsveteran bin. Ich habe während des Letzten Nationalen Befreiungskriegs auf Seiten der Vereinigten Demokratischen Volksfront gegen die Imperialisten gekämpft; in der Schlacht um San Francisco verlor ich meine Beine." Seine Stimme klang nun triumphierend, fast ein wenig verschlagen. „So lautet das Gesetz. Wenn Sie sich weigern, Waren zu kaufen, die Ihnen von einem Veteranen angeboten werden, dann riskieren Sie eine Gefängnisstrafe - und Schande dazu."

Müde gab Chien dem Hovertaxi ein Zeichen weiterzufahren. „Einverstanden", sagte er. „Okay, ich muß also etwas von Ihnen kaufen." Flüchtig musterte er das magere Ange bot an Heilkräutern und traf dann achtlos seine Wahl. „Dieses dort", entschied er und deutete auf ein eingewickeltes Päckchen in der letzten Reihe.

Der Hausierer lachte. „Das ist ein spermatozides Mittel, Genosse, das von Frauen gekauft wird, die aus politischen Gründen keinen Antrag auf Die Pille stellen dürfen. Es wäre für Sie von geringem Nutzen, und um es genau zu sagen, da Sie ein Mann sind, könnten Sie es überhaupt nicht gebrauchen."

„Das Gesetz", erklärte Chien in bissigem Tonfall, „verlangt nicht von mir, daß ich Ihnen irgend etwas Nützliches abkaufe; die Wahl ist mir freigestellt. Ich nehme es also." Er griff in seine wattierte Jacke und holte die Brieftasche hervor, die fast aus den Nähten platzte von den vielen Nachkriegsbanknoten, mit denen er wie alle Regierungsangestellten viermal wöchentlich entlohnt wurde.

„Erzählen Sie mir von Ihren Problemen", sagte der Hausierer.

Chien starrte ihn an, und er war entsetzt über den Angriff auf sein Privatleben - vor allem, da sein Gegenüber nicht einmal für die Regierung arbeitete.

„Schon gut, Genosse", stieß der Hausierer rasch hervor, als er Chiens Gesichtsausdruck bemerkte. „Ich wollte Sie nicht belästigen; entschuldigen Sie bitte, aber als Arzt - als Kräuterdoktor - muß ich soviel wie möglich über meine Kunden wissen." Er verstummte, und ein düsterer Ausdruck glitt über sein hageres Gesicht. „Sitzen Sie ungewöhnlich oft vor dem Fernsehgerät?" erkundigte er sich unvermittelt.

Überrascht entgegnete Chien: „Jeden Abend. Ausgenommen freitags, da gehe ich in meinen Club, um mich in der aus dem besiegten Westen eingeführten esoterischen Kunst des Lassowerfens zu üben." Das war sein einziger Zeitvertreib; seine übrige Freizeit verbrachte er mit der Arbeit für die Partei.

Der Hausierer beugte sich nach vorn und griff nach einem in graues Papier eingewickeltes Päckchen. „Sechzig Handelsdollar", verlangte er. „Natürlich sichere ich Ihnen volle Garantie zu; falls das Mittel nicht hält, was es verspricht, werde ich den Rest zurücknehmen und Ihnen den vollen Betrag zurückerstatten."

„Und was", fragte Chien beißend, „verspricht dieses Präparat?"

„Es erfrischt ermüdete Augen während langwieriger sinnloser offizieller Ansprachen", versicherte der Hausierer. „Ein Beruhigungsmittel; nehmen Sie es, sobald Sie wieder den wie üblich trockenen und endlosen Monologen ausgesetzt sind, die... "

Chien gab ihm das Geld, nahm das Päckchen entgegen und ging davon. Unsinn, sagte er sich im stillen. Alles nur Geschäftemacherei; die Verordnung sorgt doch nur dafür, daß sich die Veteranen wie eine privilegierte Klasse aufführen. Wie Blutsauger leben sie von uns - von uns, der jüngeren Generation.

Das graue Päckchen steckte vergessen in seiner Jackentasche, als er das riesige Nachkriegsministerium für Kunst und Kultur betrat und sein ausgesprochen stattlich eingerichtetes Büro erreichte, um seinen Arbeitstag zu beginnen.

In seinem Büro erwartete ihn bereits ein untersetzter kaukasischer Weißer mittleren Alters, der einen braunen zweireihigen Anzug aus Hongkongseide und darunter eine Weste trug. Neben diesem kaukasischen Unbekannten stand Chiens unmittelbarer Vorgesetzter, Ssu-Ma Tso-pin. Tso-pin machte die beiden auf Kantonesisch miteinander bekannt, einem Dialekt, den er nur unvollkommen beherrschte.

„Mr. Tung Chien, ich möchte Ihnen Mr. Darius Pethel vorstellen. Mr. Pethel wird in der neuen ideologischen und kulturellen Einrichtung mit didaktischem Charakter, die wir bald in San Fernando, Kalifornien, eröffnen, als Leiter tätig sein." Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Mr. Pethel hat sein ganzes bisheriges Leben dem Kampf des Volkes gegen den imperialistischen Länderblock gewidmet und hauptsächlich auf dem Gebiet der pädagogischen Medien gearbeitet; deshalb wurde dieser wichtige Posten mit ihm besetzt."

Sie schüttelten sich die Hände.

„Möchte einer von Ihnen Tee?" fragte Chien seine beiden Besucher; er drückte auf den Knopf seines infrarotbeheizten Hibachis, und einen Augenblick später begann das Wasser in dem reich verzierten Keramiktopf - der aus Japan stammte - zu kochen. Als er sich an seinen Schreibtisch setzte, bemerkte er, daß die zuverlässige Miss Hsi bereits die (vertrauliche) Informationsakte des Genossen Pethel herausgesucht hatte; rasch überflog er sie und bemühte sich gleichzeitig, sich nicht anmerken zu lassen, was er tat.

„Der Absolute Wohltäter des Volkes", fuhr Tso-pin fort, „hat bereits persönlich mit Mr. Pethel gesprochen und ihm sein volles Vertrauen geschenkt. Eine ungewöhnliche Gunst. Die Schule in San Fernando wird scheinbar nur normale taoistische Philosophien lehren, aber in Wirklichkeit soll sie uns natürlich eine Verbindung zu dem liberalen und intellektuellen Teil der Jugend in dem westlichen Teil der USA schaffen. Zwischen San Diego und Sacramento haben viele von ihnen überlebt; wir schätzen ihre Zahl auf mindestens zehntausend. Die Schule wird zweitausend von ihnen aufnehmen. Ihnen wird keine andere Wahl bleiben, als diese Schule zu besuchen. Ihre Rolle in dem Programm von Mr. Pethel ist von großer Bedeutung. Ah, Ihr Teewasser kocht, wie ich sehe."