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„An den Strand gespült", nickte er, „wo sie dann sterben."

„Kannst du mir ein Handtuch geben?" fragte Tanya. „Oder einen Waschlappen? Ich brauche es."

Er ging ins Badezimmer, um ihr ein Handtuch zu holen. Und dort - nackt wie er war - betrachtete er erneut seine Schulter, jene Stelle, wo es ihn festgehalten und zurückgeholt hatte, um noch etwas länger mit ihm spielen zu können.

Unerklärlicherweise bluteten die Wundmale.

Er wischte das Blut fort. Sofort quoll neues hervor, und als er das sah, fragte er sich, wieviel Zeit ihm noch bleiben mochte.

Vermutlich nur noch wenige Stunden.

Er kehrte ins Bett zurück und fragte: „Kannst du noch weitermachen?"

„Natürlich. Das hängt von dir ab; wenn du noch genug Energie übrig hast." Sie lag da und sah ihn an, ohne zu blin

zeln. Nur undeutlich war sie in der Dunkelheit zu erkennen. „Komm", sagte er. Und zog sie an sich.

Die elektrische Ameise

Um sechzehn Uhr fünfzehn erwachte Garson Poole in einem Krankenhausbett, das sich in einem Dreibettzimmer befand, und er nahm zwei Dinge wahr: Erstens besaß er keine rechte Hand mehr und zweitens spürte er keine Schmerzen.

Sie haben mir ein starkes Schmerzmittel gegeben, sagte er zu sich selbst, während er die gegenüberliegende Wand und das Fenster anstarrte, hinter dem sich die New Yorker City abzeichnete. Ein kompliziertes Labyrinth, in dem Autos und Schweber hin und her schossen und im Licht der Nachmittagssonne glitzerten, und die Helligkeit des Sonnenlichtes übte eine beruhigende Wirkung auf ihn aus. Noch ist nicht alles verloren, dachte er. Und auch für mich besteht noch Hoffnung.

Auf dem Tisch neben seinem Bett stand ein Videofon: er zögerte, nahm dann den Hörer ab und wählte eine Nummer. Einen Augenblick später erschien Louis Dancemann auf dem Bildschirm, der die Leitung von Tri-Plan immer dann übernahm, wenn er, Garson Poole, abwesend war.

„Gott sei Dank, daß Sie noch leben", stieß Dancemann hervor, als er ihn sah; sein breites, fleischiges Gesicht mit den Pockennarben, die an die Krater des Mondes erinnerten, nahm einen erleichterten Ausdruck an. „Ich habe schon überall... "

„Ich habe keine rechte Hand mehr", unterbrach Poole.

„Aber Sie werden wieder gesund. Ich meine, man kann Ihnen doch eine neue transplantieren."

„Wie lange bin ich schon hier?" fragte Poole. Er wunderte sich, daß sich niemand von den Ärzten oder Schwestern sehen ließ; warum belästigten sie ihn nicht mit ihrer üblichen gluckenhaften Besorgnis und regten sich darüber auf, daß er in seinem Zustand ein Videogespräch führte?

„Seit vier Tagen", erklärte Dancemann. „Hier in der Fabrik läuft alles ausgezeichnet. Um genau zu sein, haben wir Aufträge von drei verschiedenen Polizeisystemen erhalten, die alle hier auf der Erde liegen. Zwei befinden sich in Ohio, eines in Wyoming. Umfangreiche, feste Bestellungen, wobei ein Drittel des Preises als Anzahlung überwiesen und der Rest wie üblich innerhalb von drei Jahren beglichen wird."

„Kommen Sie und holen Sie mich hier heraus", verlangte Poole.

„Ich kann Sie nicht herausbekommen, solange Sie Ihre neue Hand noch nicht... "

„Ich werde das später erledigen." Verzweifelt sehnte er sich danach, in seine vertraute Umgebung zurückzugelangen: das Bild des Firmenwagens tauchte grotesk verzerrt in seiner Erinnerung auf. Wenn er die Augen schloß, dann hatte er den Eindruck, sich noch immer in dem zerstörten Fahrzeug zu befinden, wie es mit den anderen Wagen kollidierte und eine Spur der Verwüstung hinterließ. Die Wucht des Aufpralls... er blinzelte, während er sich daran erinnerte. Ich schätze, ich habe verdammt viel Glück gehabt, sagte er sich.

„Ist Sarah Benton bei Ihnen?" fragte Dancemann.

„Nein." Natürlich; seine Privatsekretärin würde sich - und wenn auch nur aus geschäftlichen Erwägungen - irgendwo in der Nähe aufhalten und versuchen, ihn auf ihre fade, infantile Art zu bemuttern. Alle schwergewichtigen Frauen neigen dazu, die Männer zu bemuttern, dachte er. Und sie sind gefährlich; wenn sie auf dich fallen, können sie dich töten. „Vielleicht ist es das gewesen", sagte er laut. „Vielleicht ist Sarah auf meinen Wagen gefallen."

„Nein, nein; die Steuerung Ihres Wagens hat während des dichtesten Berufsverkehrs versagt und Sie..."

„Schon gut, ich erinnere mich." Er wandte den Kopf, als sich die Tür des Krankenzimmers öffnete; ein weißgeklei deter Arzt und zwei Schwestern in blauen Kitteln erschienen und traten an sein Bett. „Wir werden uns später weiterunterhalten", sagte Poole und legte den Hörer des Videofons auf. Dann holte er tief Atem.

„Sie sollten jetzt noch nicht telefonieren", bemerkte der Arzt, während er das Krankenblatt überflog. „Mr. Garson Poole, Inhaber der Firma Tri-Plan Electronics. Sie stellen diese Kontrollpfeile her, die ihre Opfer noch in einer Entfernung von über tausend Kilometern anhand der unverwechselbaren Gehirnwellenmuster aufspüren können, nicht wahr? Sie sind also ein erfolgreicher Mann, Mr. Poole. Aber, Mr. Poole, Sie sind... Sie sind kein Mensch. Sie sind eine elektrische Ameise."

„Jesus!" stieß Poole wie betäubt hervor.

„Jetzt, wo wir das herausgefunden haben, ist es natürlich klar, daß wir Sie hier nicht behandeln können. Sobald wir Ihre verletzte rechte Hand untersucht hatten, wußten wir Bescheid; zunächst stießen wir auf die elektronischen Bauteile und machten dann Röntgenaufnahmen von Ihrem Oberkörper, und so wurde unsere Vermutung bestätigt."

„Was", fragte Poole, „ist eine ,elektrische Ameise'?" Aber er wußte es bereits, konnte den Ausdruck entschlüsseln.

„Ein organischer Roboter", antwortete eine der Schwestern.

„Ich verstehe", nickte Poole. Kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn.

„Sie wußten es nicht", erkannte der Arzt.

„Nein." Poole schüttelte den Kopf.

„Ungefähr einmal in der Woche wird bei uns eine elektrische Ameise eingeliefert. Entweder wie bei Ihnen aufgrund eines Verkehrsunfalls oder einfach deshalb, weil sie uns von sich aus als Patienten aufsuchen... Meist handelt es sich bei jenen - wie bei Ihnen - um Roboter, die ihre ganze Zeit unter Menschen verbracht haben und sich selbst für Menschen

halten. Was Ihre Hand betrifft..." Er verstummte.

„Kümmern Sie sich nicht um meine Hand", brauste Poole auf.

„Nur die Ruhe bewahren." Der Arzt beugte sich über ihn und blickte Poole offen ins Gesicht. „Wir werden Sie mit einem Krankenwagen zur nächsten Wartungsstation bringen, wo die Reparatur oder der Ersatz Ihrer Hand zu einem vernünftigen Preis vorgenommen werden kann; das dürfte auch in Ihrem Interesse sein, falls Sie ganz allein über sich selbst verfügen, oder im Interesse Ihrer Besitzer, sofern es welche gibt. Jedenfalls werden Sie in Kürze an Ihren Schreibtisch bei der Tri-Plan zurückkehren und wie zuvor arbeiten können."

„Wenn man davon absieht", bemerkte Poole, „daß ich jetzt weiß, was ich bin." Er fragte sich, ob Dancemann oder Sarah oder sonst jemand aus dem Büro Bescheid wußte. Hatten sie - oder einer von ihnen - die elektrische Ameise namens Poole gekauft? Ihn programmiert? Ein Strohmann, sagte er sich, ich bin nur ein Strohmann. Und das bedeutet, daß ich in Wirklichkeit das Unternehmen gar nicht gegründet habe; man hat mir diese Illusion eingegeben, damit ich funktionieren kann... zusammen mit der Illusion, daß ich ein Mensch bin und richtig lebe.

„Bevor Sie uns verlassen und die Wartungsstation aufsuchen", hörte er den Arzt sagen, „würden Sie bitte so freundlich sein und Ihre Rechnung bei unserer Buchhaltung begleichen."