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Er versuchte etwas zu berühren. Aber er besaß keine Hände, keine Arme mehr. Zusammen mit allen anderen Dingen im Universum war auch sein Körper verschwunden. Er besaß keine Finger, und selbst wenn er noch welche hätte, würde es nichts mehr geben, das sie ergreifen könnten.

Ich habe also recht gehabt, was die Funktion dieses verdammten Lochstreifens betrifft, sagte er zu sich selbst, benutzte einen nicht-existenten Mund, um eine unhörbare Bemerkung zu machen.

Ob alles in zehn Minuten vorbei ist? fragte er sich. Habe ich auch mit dieser Annahme recht? Er wartete... aber intuitiv wußte er, daß zusammen mit allen anderen Dingen auch sein Zeitsinn verschwunden war. Ich kann nur warten, erkannte er.

Um sich die Zeit zu vertreiben, beschloß er, eine Liste aller Dinge aufzustellen, die mit dem Buchstaben ,A' begannen.

Mal sehen, dachte Poole. Er konzentrierte sich... Apfel, Automobil, Araber, Atmosphäre, Atlantik, Aspik, Automat... Mehr und mehr Begriffe fielen ihm ein, purzelten durch sein furchterfülltes Bewußtsein.

Mit einem Mal flackerte Licht auf.

Er lag auf der Couch in seinem Wohnzimmer, und durch sein einziges Fenster fiel mildes Sonnenlicht. Zwei Männer hatten sich über ihn gebeugt, und in ihren Händen hielten sie Werkzeuge. Wartungstechniker, erkannte er. Sie haben mich repariert.

„Er ist bei Bewußtsein", bemerkte einer der Techniker.

Er richtete sich auf und trat zurück; an seinem Platz erschien Sarah Benton, und sie zitterte vor Besorgnis.

„Gott sei Dank!" stieß sie hervor und blies Poole ihren feuchten Atem ins Ohr. „Ich habe soviel Angst um dich gehabt; schließlich habe ich Mr. Dancemann angerufen..."

„Was ist geschehen?" schnitt Poole ihr barsch den Satz ab. „Berichte mir von Anfang an und sprich um Himmels willen langsam. Damit ich auch alles verstehen kann."

Sarah versuchte sich zu beruhigen, schneuzte sich und plapperte dann nervös weiter. „Du bist ohnmächtig geworden. Wie tot hast du dagelegen. Ich wartete bis halb drei, und als du dich dann immer noch nicht rührtest, rief ich Mr. Dancemann an, wobei ich ihn unglücklicherweise noch aus dem Schlaf riß, und er informierte den Wartungsdienst für die elektrischen Ameisen, und diese beiden Männer hier erschienen so gegen fünf Uhr vierzig, und seitdem haben sie an dir gearbeitet. Jetzt ist es Viertel nach sechs. Und ich friere und möchte ins Bett gehen; heute kann ich nicht mehr ins Büro, ich kann es wirklich nicht." Sie wandte sich schluchzend ab.

Ärger überkam ihn.

Einer der uniformierten Wartungstechniker erklärte: „Sie haben an Ihrem Realitätsband herumgepfuscht."

„Ja", bestätigte Poole. Warum sollte er es leugnen? Offensichtlich hatten sie den eingesetzten, ungelochten Streifen entdeckt. „Ich verstehe nicht, warum ich so lange blockiert war", fuhr er fort. „Ich habe nur einen Streifen von zehn Minuten Dauer eingesetzt."

„Es hat den Bandtransport unterbrochen", erklärte der Techniker. „Das Band bewegte sich nicht mehr weiter; Ihr Streifen hat sich verklemmt, und die Automatik schaltete ab, um zu verhindern, daß das Band zerriß. Warum haben Sie überhaupt daran herumgefummelt? Ist Ihnen klar, was Sie damit anrichten können?"

„Ich war mir nicht ganz sicher", gab Poole zu.

„Dann müsen Sie aber eine verdammt gute Idee gehabt haben, daß Sie das Risiko eingingen."

„So ist es", bestätigte Poole bissig.

„Ihre Rechnung", seufzte der Wartungstechniker, „beläuft sich auf fünfundneunzig Kredits. Wenn Sie wünschen, können Sie Ratenzahlung beantragen."

„In Ordnung", nickte er; benommen setzte er sich auf, rieb sich die Augen und schnitt eine Grimasse. Er hatte Kopfschmerzen und in seinem Magen herrschte völlige Leere.

„Schrägen Sie nächstesmal das Band etwas ab", riet ihm der zweite Techniker. „Auf diese Art kann es sich nicht verklemmen. Ist es Ihnen eigentlich nicht in den Sinn gekommen, daß eine Sicherheitsschaltung eingebaut sein könnte? So daß das Gerät eher abschalten als..."

„Was geschieht", unterbrach Poole, und seine Stimme war leise und sehr vorsichtig, „was geschieht, wenn kein Band an dem Abtastkopf entlangläuft? Kein Band - einfach nichts. Wenn die Fotozelle von einem ununterbrochenen Lichtstrahl getroffen wird?"

Die Techniker sahen sich an. Der erste antwortete dann: „Es entstehen Kurzschlüsse im gesamten Nervensystem, das bedeutet die Zerstörung des Mechanismus."

„Ich habe das System untersucht", widersprach Poole. „Es arbeitet mit einer so geringen Spannung, daß etwas Derartiges unmöglich ist. Metall schmilzt nicht unter so geringen Stromstärken. Schließlich geht es doch nur um Millionstel Watt bei einem Cäsiumleiter von einem Durchmesser von vielleicht anderthalb Millimetern. Nehmen wir an, daß es für jede gelochte Information auf dem Band eine Milliarde möglicher Kombinationen gibt, aber der gesamte Ausstoß ist nicht kumulativ. Die Stromstärke hängt von der jeweiligen Abgabe der Batterie für das entsprechende Modul ab, und das ist nicht viel. Vor allem dann nicht, wenn alle Sperren geöffnet sind."

„Meinen Sie etwa, daß wir Sie anlügen?" fragte der Techniker.

„Warum nicht?" versetzte Poole. „Ich habe hier die Möglichkeit, alles aufzunehmen. Gleichzeitig. Das gesamte Universum in seiner Vielfalt kennenzulernen, mit allen Realitäten in Verbindung zu stehen. Keinem Menschen ist etwas Derartiges vergönnt. Eine Symphonie, die unabhängig von der Zeit in meinem Gehirn entsteht, mit all ihren Noten, all ihren Instrumenten, die gleichzeitig ertönen. Alle Symphonien auf einmal. Verstehen Sie jetzt?"

„Es wird Sie ausbrennen", erklärten beide Techniker.

„Ich glaube nicht", schüttelte Poole den Kopf.

„Möchtest du eine Tasse Kaffee, Garson?" fragte Sarah.

„Ja", sagte er, stand auf und spürte den Druck des kalten Bodens an seinen Fußsohlen. Er fror. Sein ganzer Körper schmerzte. Sie haben mich die ganze Nacht auf der Couch liegengelassen, erkannte er. Alles in allem betrachtet, hätten sie sich auch etwas Besseres einfallen lassen können.

Garson Poole saß am Küchentisch Sarah gegenüber und schlürfte seinen Kaffee. Die Techniker waren schon lange fort.

„Du wirst doch keine weiteren Selbstversuche mehr anstellen, oder?" fragte Sarah besorgt.

„Ich möchte die Zeit kontrollieren können", erklärte Poole. „Sie zurücklaufen lassen." Ich werde ein Stück des Bandes herausschneiden und es umgekehrt wieder einsetzen, dachte er. Die Kausalzusammenhänge werden dann entgegengesetzt wirken. Das bedeutet, daß ich vom Landefeld auf dem Dach rückwärts die Treppe hinuntergehe, zurück zu meiner Tür, eine verschlossene Tür öffne, rückwärts zur Spüle, wo ich einen Haufen schmutziges Geschirr herausnehme, mich dann an den Tisch setze und dann jeden Teller mit Essen fülle, das mein Magen produziert und herauswürgt... Anschließend schaffe ich das Essen in den Kühlschrank. Am nächsten Tag hole ich es wieder heraus, packe es wieder ein, fahre die Packungen in den Supermarkt und stelle die einzelnen Behälter zurück in die Regale. Und an der Kasse bekomme ich Geld dafür, wobei sie die Beträge anhand des Kassenregisters auszahlen. Die Lebensmittel packt man dann mit anderen Konserven in große Plastikkisten, schafft sie mit Schiffen hinaus zu den Hydroponikplantagen im Atlantik, wo man sie dann wieder an Bäume und Büsche hängt oder sie zu Tierkadavern zusammensetzt oder sie in der Erde vergräbt. Aber was würde das ganze beweisen? Ein Videoband, das rückwärts läuft... Ich würde nicht mehr erfahren, als ich jetzt schon weiß, und das ist nicht genug.

Ich will nur, erkannte er, für eine Mikrosekunde die ulti-mate und absolute Realität kennenlernen. Danach spielt nichts mehr eine Rolle, weil ich dann alles wissen werde; nichts verbleibt dann noch, was verstanden oder erlebt werden müßte.