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Stürmischer Applaus klang auf, und Marchand verbeugte sich.

Wieder rettete die automatische Lautstärkenkontrolle seine Ohren, und er konnte die nächsten Worte nicht hören. ».und jetzt, wo wir auf der Schwelle des Erfolges stehen«, fuhr Fleury fort, »ist es nur recht und billig, daß wir uns heute abend hier versammeln, um dieser großen Hoffnung Ausdruck zu geben, um dem Mann, der uns den Traum als erster vor Augen geführt hat, unseren Respekt zu bezeugen und ihn unserer tiefsten Zuneigung zu versichern!«

Während die Lautstärkenkontrolle die Wirkung registrierte, die Fleurys Worte ausgelöst hatten, blickte Marchand lächelnd auf ein nebelhaftes Meer aus Gesichtern. Es ist fast grausam, es so auszudrücken, dachte er. Die Schwelle des Erfolges - also wirklich! Wie viele Jahre hatten sie geduldig darauf gewartet? Und die Tür war ihnen immer noch verschlossen. Natürlich, so dachte er wehmütig, würden sie Überlegt haben, daß sie das Ehrendinner bald veranstalten mußten, denn sonst würde eine Leiche als Ehrengast an der Tafel sitzen. Trotzdem. Mühsam wandte er den Kopf und sah Fleury an. Da lag etwas in seiner Stimme. Könnte es sein.

Nein, sagte er sich. Es gab keine Nachrichten, keine Berichte von einem der Schiffe, die durch das All flogen. Der Traum war nicht Wirklichkeit geworden. Er wäre der erste gewesen, der davon erfahren hätte. So etwas hätten sie ihm bestimmt nicht verheimlicht. Und er wußte von nichts.

».und jetzt«, sagte Fleury, »will ich Sie nicht länger vom Essen abhalten. Ich verspreche Ihnen, daß nachher noch viele lange Reden gehalten werden, was Ihrer Verdauung sicher dienlich sein wird. Aber nun wollen wir es uns schmecken lassen!«

Gelächter, Applaus, Hektik, klirrendes Besteck.

Fleurys Aufforderung, das Mahl zu genießen, war natürlich nicht an Norman Marchand gerichtet. Er saß da, die Hände im Schoß, und beobachtete, wie sie hungrig zulangten, lächelte und war von jenem schmerzlichen Gefühl des Verlustes erfüllt, dem Gefühl, verzichten zu müssen, das alte Menschen so oft plagt. Er beneidete die jungen Leute nicht wirklich, sagte er sich. Er beneidete sie nicht um ihre Gesundheit, ihre Jugend und ihre Lebenserwartungen, aber um ihr Eisdessert.

Er versuchte, so zu tun, als würden ihm der Wein und die große rosa Garnele in Milch mit Crackern schmecken. Asa Czerny zufolge, der Marchand bisher am Leben erhalten hatte, konnte er sich zwischen zwei Möglichkeiten entscheiden - zu essen, was er wollte, oder am Leben zu bleiben, zumindest noch für eine kleine Weile. Und seit ihm Czerny vorgerechnet hatte, wie lange er bei entsprechendem Maß, halten noch leben könnte, hatte er immer wieder überlegt wie viele dieser restlichen Monate er für eine reichliche Mahlzeit opfern würde. Wenn Czerny ihm nach einer der wöchentlichen Untersuchungen mitteilen sollte, daß seine Tage gezählt wären, würde er diese wenigen Tage wahrscheinlich gegen einen Sauerbraten mit Reibekuchen und süßsaurem Rotkohl eintauschen. Aber dieser Zeitpunkt war noch nicht gekommen. Er hatte noch einen Monat vor sich - falls er Glück hatte. Vielleicht auch zwei.

»Verzeihen Sie«, sagte er und wandte sich zu dem Schimpansen. Obwohl das Tier humanisiert worden war, sprach es ziemlich undeutlich, und so hatte Marchand nicht gemerkt, daß es ihm eine Frage gestellt hatte.

Er hätte sich nicht bewegen sollen.

Sein Handgelenk war nicht mehr so biegsam wie früher. Der Löffel in seinen Fingern neigte sich, der mit Milch getränkte Cracker fiel hinab. Er machte den Fehler, mit seinem Knie auszuweichen. Es war schon schlimm genug, alt zu sein. Er wollte sich nicht auch noch das Hosenbein bekleckern. Aber er bewegte sich zu schnell.

Der Stuhl stand am Rand der kleinen Plattform, und er stürzte hinab.

Mit sechsundneunzig ist man zu alt, um auf den Kopf zu fallen, dachte er. Wenn mir das jetzt passiert, hätte ich genausogut ein bißchen mehr von der Garnele essen können. Aber er starb nicht.

Er verlor nur das Bewußtsein - nicht für lange, weil er schon wieder zu sich kam, als sie ihn in seine Garderobe hinter der Bühne trugen.

Vor vielen Jahren hatte Norrnan Marchand sein Leben einer Hoffnung geweiht.

Er war reich und intelligent und mit einer schönen, sanftmütigen Frau verheiratet gewesen, und er hatte dem Institut für die Kolonisation extrasolarer Planeten sein ganzes Vermögen geschenkt.

Es war das gesamte persönliche Vermögen, das ihm sein Vater hinterlassen hatte, aber es genügte nicht. Es wirkte nur als Katalysator. Er hatte es benützt, um Werbefachleute, Investmentberater zu engagieren. Er hatte sein Geld in Dokumentarfilme und TV-Werbung gesteckt. Er hatte Cocktailparties für US-Senatoren finanziert und Schulwettbewerbe veranstaltet. Er hatte alles getan, was er nur konnte, um sein Ziel zu erreichen.

Er hatte Geld beschafft. Sehr viel Geld.

Das Geld, das er zusammengebettelt und den Leuten aus der Tasche gezogen hatte, war für die Konstruktion von sechsundzwanzig großen Raumschiffen verwendet worden. Jedes Schiff war so groß gewesen wie ein Dutzend Linienschiffe, und er hatte sie ins All geschleudert, wie ein Farmer die Saat in den Wind wirft.

Ich habe es versucht, sagte er sich, als er vom dunkelsten Ort zurückkehrte, den er je gesehen hatte. Ich wollte sehen, wie der Mensch nach den Sternen greift und neue Reiche erschließt. Und ich wollte ihn dorthin führen.

Irgend jemand sagte: »Er wußte es doch, nicht wahr? Wir haben zwar versucht, es ihm zu verheimlichen.« Jemand anderer befahl dem Mann, der soeben gesprochen hatte, den Mund zu halten. Marchand öffnete die Augen.

Czerny stand vor ihm. Er lächelte nicht. Jetzt sah er, daß Marchand bei Bewußtsein war. »Es ist alles okay«, sagte er, und Marchand wußte, daß das stimmte, weil Czerny ärgerlich die Stirn runzelte. Wenn die Situation bedenklich gewesen wäre, hätte er gelächelt. »Nein!« schrie Czerny und packte ihn an den Schultern. »Bleiben Sie liegen! Ich bringe Sie jetzt nach Hause -ins Bett!«

»Aber Sie haben doch gesagt, daß alles okay ist.«

»Ich habe gemeint, daß Sie noch leben. Übertreiben Sie's nicht, Norm!«

»Aber das Dinner«, protestierte Marchand. »Ich muß doch dabeisein.«

Asa Czerny behandelte Marchand schon seit dreißig Jahren. Sie waren zusammen angeln gegangen, und ein- oder zweimal hatten sie sich gemeinsam betrunken. Czerny hätte nicht grundlos nein gesagt. Er sagte es auch gar nicht. Er schüttelte nur den Kopf.

Marchand ließ sich auf die Couch zurücksinken. Hinter Czerny hockte der Schimpanse schweigend auf einer Stuhlkante und beobachtete den alten Mann. Er macht sich Sorgen, dachte Marchand, weil er glaubt, es sei seine Schuld, daß mir das passiert ist. Der Gedanke gab ihm die Kraft, zu dem Affen zu sagen: »Wie dumm von mir, daß ich von der Plattform gestürzt bin, Mr.. Es tut mir leid.«

Czerny stellte den Schimpansen vor. »Das ist Duane Ferguson, Norm. Er ist humanisiert und war außerplanmäßiger Offizier auf der Copernicus.« Der Schimpanse nickte, aber er sagte nichts. Er beobachtete Dan Fleury, den engelszüngigen Redner, der nun ziemlich beunruhigt dreinschaute. »Wo ist der Krankenwagen?« fragte Czerny ungeduldig, und der Football-Verteidiger in der Hotelpagenuniform eilte wortlos davon, um sich zu informieren.

Der Schimpanse stieß einen bellenden Laut aus und räusperte sich. »Wasch haben Schie denn mit Eschael gemeint, Mischta Fleury?«

Dan Fleury wandte sich um und sah den Schimpansen ausdruckslos an. Aber Marchand hatte das Gefühl, daß der Mann wußte, wovon Ferguson gesprochen hatte. Er wollte nur nicht antworten.