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Die Gravitation war stärker als auf der Erde, was der ersten Generation Schwierigkeiten bereiten und ihren Nachkommen Fußkrankheiten und Hüftschmerzen eintragen würde. Aber mit diesem Problem würde man fertig werden. Es war eine schöne Welt.

Marchand wußte nicht mehr, wie er das alles erfahren hatte. Er erinnerte sich auch nicht an die Landung, an die ungeduldige Freude, die alle erfüllt hatte, als sie die Gefriertruhen öffneten, an das Erwachen der Kolonisten, an den Beginn des neuen Lebens. Er wußte nur, daß er irgendwann in einer warmen, weichen Hängematte gelegen und zum Himmel aufgeblickt hatte.

5

Eine fliehende Affenstirn und wulstige Lippen neigten sich über ihn. Marchand erkannte den jungen Ferguson. »Hallo!« sagte er. »Wie lange war ich denn bewußtlos?«

»Nun - Sie waren gar nicht bewußtlos«, erwiderte der Schimpanse verlegen. »Sie waren.« Seine Stimme erstarb.

»Ich verstehe«, sagte Marchand und richtete sich auf. Er war dankbar für die Kraft des kurzbeinigen Körpers mit den hängenden Schultern, den er sich ausgeliehen hatte, denn diese Welt, zu der er geflogen war, besaß eine unangenehme Schwerkraft. Bei der Anstrengung wurde ihm schwindlig. Ein blasser Himmel und Schleierwolken begannen sich um ihn zu drehen. Er verspürte seltsame Sinneseindrücke von Schmerz und Freude, erinnerte sich an Wahrnehmungen, die ihm neu waren, empfand Freuden, die er nie zuvor gekannt hatte. Mühsam verdrängte er das Affenrudiment aus seinem Gehirn und sagte: »Sie meinen, daß ich - wie würden Sie es nennen? Daß ich instabil war? Daß die Verpflanzung nicht ganz geklappt hat?« Aber er konnte auf Fergusons Bestätigung verzichten. Er wußte es - und er wußte auch, daß seine letzte Stunde schlagen würde, wenn ihm die Sinne noch einmal schwanden. Czerny hatte ihn gewarnt. Die Phospholoide - das war es doch gewesen, nicht wahr? Es war bald an der Zeit, ins Jenseits zu gehen.

Er blickte zu den Männern und Frauen, zu den menschlichen Männern und Frauen, die verschiedenen Aufgaben nachgingen, und fragte: »Sind Sie immer noch ein Affe?«

»Das werde ich bis zu meinem Ende sein, Dr. Marchand. Ich habe meinen Körper verloren.«

Marchand dachte eine Weile darüber nach. Dann verirrten sich seine Gedanken, und schließlich ertappte er sich dabei, daß er an seinem Unterarm leckte und sich den runden Bauch kratzte. »Nein!« schrie er und versuchte aufzustehen.

Ferguson half ihm, Marchand stützte sich dankbar auf den starken Arm des Schimpansen. Jetzt wußte er wieder, was ihn irritiert hatte. »Warum?« fragte er.

»Was meinen Sie, Dr. Marchand?«

»Warum sind Sie hierhergekommen?«

»Bitte, setzen Sie sich doch, bis der Arzt kommt«, sagte Ferguson besorgt. »Ich bin hierhergekommen, weil jemand an Bord der Tycho Brake war, den ich gern wiedersehen wollte.«

»Ein Mädchen? Und?« fragte Marchand. »Haben Sie sie gesehen?«

»Es ist keine Frau. Es sind meine Eltern. Ja, ich habe sie gesehen. Ich war zwei Jahre alt, als die Tycho Brake startete. Meine Eltern waren vielversprechende, fortpflanzungsfähige Kolonisten. Es war damals schwer, Freiwillige aufzutreiben. Aber das wissen Sie natürlich besser als ich. Ich wurde von einer Tante adoptiert. Meine Eltern hinterließen mir einen Brief, den ich las, als ich alt genug war. Dr. Marchand! Was ist denn los?«

Marchand taumelte und stürzte. Er konnte nichts dagegen tun. Er wußte, daß er Aufsehen erregte, spürte die unangebrachten Tränen, die aus seinen tierischen Augen flössen, aber dieser letzte und unerwartete Schlag hatte ihn zu hart getroffen. Er hatte der Tatsache ins Auge geblickt, daß er fünfzigtausend Menschenleben zerstört hatte, und er hatte seine Schuld akzeptiert. Aber ein verlassenes Kind, das einer Tante übergeben worden war, mitsamt einem Entschuldigungsbrief, brach ihm das Herz.

»Warum töten Sie mich nicht?« fragte er.

»Dr. Marchand! Ich weiß nicht, wovon Sie reden!«

»Ich wünschte, daß es eine Möglichkeit gäbe, für meine Schuld zu bezahlen. Aber es gibt keine. Ich habe nichts mehr - nicht einmal mehr ein bißchen Lebenskraft, die ich abgeben könnte. Aber es tut mir leid, Mr. Ferguson. Das muß Ihnen genügen.«

»Wenn ich mich nicht irre, wollen Sie für das Institut um Entschuldigung bitten«, sagte Ferguson.

Marchand nickte.

»Aber.« Ferguson unterbrach sich. »Es steht mir nicht zu, das zu sagen, aber es ist sonst niemand da. Hören Sie mir bitte zu. Lassen Sie mich versuchen, es Ihnen zu erklären Die Kolonisten haben dem Planeten gestern einen Namen gegeben. Das war das erste, was sie nach ihrer Ankunft taten. Sie haben eine einstimmige Wahl getroffen. Wissen Sie, wie der Planet heißt?«

Marchand konnte ihn nur stumm anblicken.

»Bitte, hören Sie mir zu, Dr. Marchand. Sie haben ihre neue Welt nach dem Mann genannt, der sie ihr Leben lang inspiriert hat - nach ihrem größten Helden. Der Planet heißt Marchand.«

Marchand starrte ihn lange an, entrückt, wortlos, dann schloß er die Augen, ohne seinen Gesichtsausdruck zu verändern.

»Dr. Marchand!« sagte Ferguson erschrocken. Und dann machte er sich ernsthafte Sorgen, wandte sich ab und watschelte davon, so schnell ihn seine Affenarme und -beine trugen, um den Schiffsarzt zu holen, der ihm aufgetragen hatte, ihn sofort zu verständigen, wenn der Patient das erste Lebenszeichen erkennen ließ.

Als er mit dem Arzt zurückkam, war der Schimpanse verschwunden.

Sie blickten zum Farnwald hinüber, dann starrten sie einander an.

»Er ist davongelaufen«, sagte der Arzt. »Vielleicht ist es gut so.«

»Aber die Nächte sind kalt. Er wird sich eine Lungenentzündung holen. Er wird sterben.«

»Das kann er nicht mehr - zumindest nicht im eigentlichen Sinn«, erwiderte der Doktor sanft. »Er ist schon tot. Alles, was ihm wichtig war, ist bereits in ihm gestorben.«

Er bückte sich und rieb seine schmerzenden Schenkel, die schon müde waren vom Kampf gegen die Schwerkraft dieses neuen Paradieses. Dann richtete er sich auf und blickte auf die Sterne am Westhimmel, der langsam dunkler wurde. Der grüne Stern da oben war ein weiterer Planet der Groombridge 1618 weiter draußen, ein Planet, der nur aus Eis und Kupfersalzen bestand. Und einer der Sterne, die nur ganz schwach leuchteten, war vielleicht die Sonne.

»Er hat uns diese Planeten geschenkt«, sagte der Arzt und wandte sich wieder der Stadt zu. »Wissen Sie, was es bedeutet, ein guter Mensch zu sein, Ferguson? Es bedeutet, besser zu sein, als man wirklich ist - so daß man den anderen sogar mit seinen Fehlschlägen hilft, dem Ziel ein Stückchen näherzukommen. Und das hat er für uns getan.

Ich hoffe, er hat gehört, was Sie ihm gesagt haben. Ich hoffe auch, er wird sich daran erinnern, wenn er stirbt.«

»Und wenn er sich nicht daran erinnert«, fügte Ferguson mit klarer, deutlicher Stimme hinzu, »so werden wir anderen immer daran denken.«

Am nächsten Tag fanden sie den zusammengekrümmten Körper.

Es war das erste Begräbnis, das auf dem Planeten stattfand, und es wurde im Buch der Geschichte vermerkt. Und auf dem Raumflugplatz des Planeten namens Marchand steht eine Statue, in deren Sockel die Worte eingraviert sind: Der Vater der Sterne.

Unter dieser Inschrift ist ein kleines Basrelief zu sehen, das einen zusammengekrümmten Schimpansen zeigt. Mit blinden, angstvollen Augen starrt er auf die neue Welt. Denn es war eine Schimpansenleiche, die sie im Wald gefunden und unter der Statue begraben hatten. Das Basrelief stellt einen Affenkörper dar, und es ist ein Affenkörper, der unter der Erde liegt. Aber die Statue, die in den Himmel ragt, ist göttergleich.

Der Tag, als die Marsmenschen kamen

In jedem Zimmer des Motels standen noch zwei Couchen außer den üblichen Betten, und Mr. Mandala, der Manager, hatte den hinteren Teil der Halle in einen Männerschlafsaal verwandelt. Trotzdem war er nicht zufrieden und versuchte seine farbigen Pagen dazu zu überreden, den Gepäckraum sauberzumachen und auch dort Sofas hineinzustellen. »Bitte, Mr. Mandala!« sagte der Chefpage und mußte fast schreien, um den Lärm von der Halle zu übertönen. »Sie wissen, daß wir das gern für Sie tun würden, wenn es möglich wäre. Aber es geht nicht, denn erstens haben wir keinen anderen Raum, wo wir diese alten Fernsehapparate hineinstellen könnten, die Sie unbedingt retten wollen, und zweitens haben wir keine Sofas mehr.«