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»Sie streiten mit mir, Ernest«, erwiderte Mr. Mandala. »Habe ich Ihnen nicht oft genug gesagt, daß Sie nicht mit mir streiten sollen?« Er trommelte mit den Fingern auf die Theke der Rezeption und blickte sich ärgerlich in der Halle um. Mindestens vierzig Leute saßen da, unterhielten sich, spielten Karten oder dösten. Der Fernseher leierte eine Kurzfassung der NASA-Bombenabwürfe herunter, und als Mr. Mandala auf den Bildschirm blickte, sah er einen Marsmenschen, der in die Kamera starrte und große Gelatinetränen weinte.

»Hört auf damit!« befahl Mr. Mandala, als er sich umdrehte und die beiden Pagen dabei ertappte, wie sie auf den Bildschirm starrten. »Ich bezahle euch nicht dafür, daß ihr fernseht. Schaut mal nach, ob ihr in der Küche helfen könnt!«

»Wir waren schon in der Küche, Mr. Mandala. Die brauchen uns nicht.«

»Gehen Sie, wenn ich ihnen sage, daß Sie gehen sollen, Ernest! Und Sie auch, Berzie!« Er sah ihnen nach, als sie durch die Halle gingen, und wünschte, er könnte einen Teil der Menschenmenge, die den großen Raum füllte, ebenso leicht loswerden. Jeder Stuhl war besetzt, und die Leute, die keinen Stuhl mehr bekommen hatten, hockten auf Armstützen, lehnten an den Wänden und drängten sich in der Bar, die in den letzten beiden Stunden aus gesetzlichen Gründen geschlossen gewesen war. Dem Anmeldeblock zufolge waren fast alle Reporter und Reporterinnen, von Zeitungen, Nachrichtendiensten, Radio- und Fernsehsendern und so weiter. Sie warteten auf den nächsten Morgen, auf die Flugbesprechung in Cape Kennedy, und Mr. Mandala wünschte, dieser Morgen würde endlich anbrechen. Er mochte es nicht, wenn so viele Leute in seiner Halle herumlungerten, noch dazu, wo er ziemlich sicher war, daß ein Großteil nicht zu den registrierten Gästen zählte.

Auf dem Bildschirm lief nun ein hastig eingelegtes Videoband ab, das die Rückkehr der Algonquin-Neun-Raumsonde vom Mars zeigte, aber niemand schaute hin. Dieses Band wurde seit Mitternacht schon zum drittenmal abgespielt, und jeder hatte es mindestens einmal gesehen. Aber als ein weiterer Marsmensch erschien und wie ein trauriger Dackel mit langen Seehundflossen aussah, richtete sich ein Pokerspieler kerzengerade auf und schrie: »Ich weiß einen Marswitz! Warum darf ein Marsbewohner nicht im Atlantik schwimmen?«

»Na, warum nicht?« fragte der Geber.

»Weil er ein Loch hineinmachen würde«, sagte der Reporter und legte seine Karten zusammen. Niemand lachte, nicht einmal Mr. Mandala, obwohl manche Witze wirklich gut gewesen waren. Aber jetzt gingen sie den Leuten auf die Nerven, oder sie waren ganz einfach zu müde zum Lachen.

Mr. Mandala hatte die erste Aufregung um die Marsbewohner verpaßt, weil er geschlafen hatte. Als ihn der Tagesmanager angerufen und geweckt hatte, war Mr. Mandala zunächst der Meinung gewesen, es handelte sich um einen Scherz. Dann hatte er gedacht, daß der Tagesmanager den Verstand verloren hatte. Und außerdem - wen interessierte es schon, daß die Marssonde mit ein paar Tieren zurückgekommen war? Oder daß es genauer gesagt gar keine Tiere waren? Aber als er herausfand, wie viele Zimmerbestellungen über den Fernschreiber hereinkamen, mußte er feststellen, daß sich doch einige Leute dafür interessierten. Nun, Mr. Mandala interessierte sich jedenfalls nicht für solche Dinge. Es war ja ganz nett, daß die Marsbewohner gekommen waren und daß dadurch sein Motel und alle anderen Motels im Umkreis von hundert Meilen überfüllt waren, aber damit war bereits alles gesagt, was Mr. Mandala im Zusammenhang mit den Marsbewohnern interessierte.

Der Bildschirm wurde schwarz, dann erschien der Schriftzug »Bulletin der NBC-Nachrichten«. Die Pokerspieler machten eine Pause. Es wurde fast still in der Halle, als ein unsichtbarer Sprecher eine neue NASA-Erklärung verlas. »Dr. Hugo Bache von Fort Worth, Texas, der Tierarzt, der am späten Abend im Empfangszentrum der Patrick-Luftwaffenbasis eingetroffen war, um die Marsbewohner zu untersuchen, hat einen vorläufigen Bericht erstattet, den Colonel Eric T. >Happy< Wingerter, der Sprecher der National-Aeronautic und der Raumverwaltung, soeben zur Veröffentlichung freigegeben hat.«

»Stellt das Gerät lauter!« brüllte ein Mann von einem der Nachrichtendienste. Das Bild zuckte, für einen Augenblick verstummte der Ton, dann plärrte die Stimme: ».Marsbewohner sind Wirbeltiere, Warmblüter und Säugetiere. Eine oberflächliche Untersuchung weist auf einen niedrigen Stoffwechselgrad hin, wenn Dr. Bache auch betont, es sei möglich, daß dies auf ihren schwierigen, unbequemen Flug von 137 000 000 Meilen zurückzuführen ist. Sie waren die ganze Zeit in der winzigen Spezima-Kammer der Algonquin-Neun-Sonde zusammengepfercht. Es wird ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß keine Anzeichen einer ansteckenden Krankheit festgestellt wurden, wenn auch die Sterilisation.«

»Zum Teufel!« schrie jemand, wahrscheinlich ein Reporter von CBS. »Walter Cronkite hat ein Interview mit der Mayo-Klinik gemacht und.«

»Halt den Mund!« brüllten ein Dutzend Stimmen, und der TV-Sprecher war wieder zu verstehen.

».damit endet der ungekürzte Text des Berichtes von Dr. Hugo Bache, den Colonel >Happy< Wingerter soeben zur Veröffentlichung freigegeben hat.« Eine kleine Pause entstand, dann ertönte die müde Stimme des Ansagers und begann das halbe Dutzend Geschichten zu rekapitulieren, das er bereits vor dem Bulletin erzählt hatte. Man setzte sich zu einem neuen Pokerspiel zusammen, während der Ansager ein Interview mit Dr. Sam Sullivan vom Sprachwissenschaftlichen Institut der Indiana-Universität schilderte, der zu der Auffassung gelangt war, daß die von den Marsbewohnern produzierten Laute tatsächlich als Sprachform betrachtet werden konnten.

Was für ein Unsinn, dachte Mr. Mandala schläfrig. Er zog sich einen Stuhl heran, setzte sich und nickte ein.

Schallendes Gelächter weckte ihn, und er richtete sich kampfeslustig auf und klingelte mit seiner Glocke, um sich Gehör zu verschaffen. »Meine Damen und Herren - bitte!« rief er. »Es ist vier Uhr nachts! Unsere anderen Gäste wollen schlafen.«

»Ja, ja«, sagte der CBS-Mann und hob ungeduldig eine Hand. »Wartet mal - ich weiß noch einen. Was ist ein MarsWolkenkratzer?«

»Spucken Sie's aus!« forderte ihn ein rothaariges Mädchen auf, ein Redaktionsmitglied von Life.

»Kellerappartments, auf siebenundzwanzig Etagen verteilt.«

»Okay, ich weiß auch einen«, sagte das Mädchen. »Warum gebietet es die Marsreligion den Frauen, die Augen während des Geschlechtsverkehrs geschlossen zu halten?« Sie wartete eine Weile, und als alle mit den Schultern gezuckt hatten, kreischte sie: »Gott erlaubt ihr nicht, zuzuschauen, wie sich ihr Mann vergnügt.«

»Spielen wir jetzt Poker oder nicht?« stöhnte ein Mann, aber die anderen waren in der Überzahl.

»Wer hat den Marsschönheitswettbewerb gewonnen? Niemand!«

»Wie bringt man eine Marsfrau dazu, den Sex aufzugeben? Man muß sie heiraten!«

Nun mußte sogar Mr. Mandala lachen, und als einer der Reporter zu ihm kam und Streichhölzer kaufen wollte, schenkte er ihm ein Schächtelchen. »Eine lange Nacht, was?« meinte der Mann, als er seine Pfeife angezündet hatte.

»Allerdings«, erwiderte Mr. Mandala liebenswürdig. Auf dem Bildschirm lief wieder das Standardband ab, zum viertenmal. Mr. Mandala gähnte und starrte mit leeren Augen auf den Fernseher. Dort war wirklich nicht viel zu sehen, und das war alles, was man bereits von den Marsbewohnern gesehen hatte und jemals zu sehen bekommen würde. All diese Reporter und Fotografen und Kolumnisten, dachte Mr. Mandala schadenfroh, all die Leute, die hier herumsaßen und auf die Flugbesprechung um zehn Uhr vormittags im Cape warteten, würden Meilen weit durch die Palmito-Sümpfe fahren, für nichts und wieder nichts. Denn sie würden dort nichts anderes sehen, als was sie jetzt auch sahen.