»Ja, das ist mir auch schon aufgefallen, Mr. Mandala«, sagte Ernest.
Mr. Mandala richtete sich auf. »Geh jetzt lieber schlafen«, riet er, »denn sie kommen heute abend wahrscheinlich wieder. Ich habe keine Ahnung, warum. Weißt du, was ich glaube, Ernest? Abgesehen von den Witzen wird in sechs Monaten niemand mehr daran denken, daß es mal so was wie Marsmenschen gab. Ich bezweifle, daß ihre Ankunft für irgend jemanden irgendeinen Unterschied macht.«
»Ich widerspreche Ihnen nur ungern, Mr. Mandala«, entgegnete Ernest sanft, »aber das glaube ich nicht. Ich glaube sogar, daß es für manche Leute einen großen Unterschied machen wird. Und für mich wird es einen verdammt großen Unterschied machen.«
Die Midas-Seuche
Und so wurden sie getraut.
Sie waren ein schönes Paar - die Braut in zwanzig Yards Rüschen in fleckenlosem Weiß, der Bräutigam in einer grauen, gerafften Bluse und gefältelten Hosen.
Es war eine kleine Hochzeit - aber das Beste, was er sich leisten konnte. Sie hatten nur die engsten Verwandten und ein paar gute Freunde eingeladen. Und als der Priester die Zeremonie beendet hatte, küßte Morey Frey seine junge Frau, und sie fuhren zum Hochzeitsempfang. Der Konvoi bestand aus achtundzwanzig Limousinen - wenn in zwanzig Autos auch nur die Roboter des Partyservice saßen - und zwei Blumenwagen.
»Ich segne euch beide«, sagte der alte Elon gefühlvoll. »Deine Cherry ist ein wunderbares Mädchen, Morey.« Er schneuzte sich in ein zerrissenes Batisttaschentuch.
Morey fand, daß sich die alten Leute sehr gut benahmen. Auf dem Empfang, umgeben von hohen Bergen aus Hochzeitsgeschenken, tranken sie Champagner und aßen eine große Menge von den winzigen, köstlichen Canapes. Sie lauschten höflich dem Fünfzehn-Mann-Orchester, und Cherrys Mutter tanzte sogar einmal mit Morey, aus sentimentalen Gründen, obwohl es offensichtlich war, daß Tanzen nicht zu ihrem Lebensstil gehörte. Sie bemühten sich sehr, inmitten der anderen Gäste nicht aufzufallen, aber in ihren einfachen und vermutlich geliehenen Kleidern, wirkten sie trotzdem erschreckend deplaziert zwischen den Springbrunnen und riesigen Gobelins, die den Ballsaal in Moreys Landhaus schmückten.
Als die Gäste aufbrachen, um die Jungvermählten allein zu lassen, so daß sie ihr gemeinsames Leben beginnen konnten, schüttelte Cherrys Vater Moreys Hand, und ihre Mutter küßte den Schwiegersohn. Aber als sie in ihrem winzigen Sportwagen davonfuhren, lag eine dunkle Angst in ihren Augen.
Natürlich hatten sie nichts gegen Morey persönlich. Aber arme Leute sollten keine reichen heiraten.
Sicher, Morey und Cherry liebten sich, was ihnen vieles erleichterte. Ein dutzendmal pro Stunde sagten sie sich, wie sehr sie sich liebten, in all den vielen Stunden, die sie zusammen waren, in den ersten Monaten ihrer Ehe. Morey nahm sich sogar die Zeit, mit seiner jungen Frau einkaufen zu gehen, wofür sie ihm unendlich dankbar war. Sie fuhren ihre Einkaufswagen durch die riesigen gewölbten Korridore des Supermarkts. Morey hakte die Sachen, die Cherry aus den Regalen nahm, auf der Einkaufsliste ab. Es machte ihnen großen Spaß.
In der ersten Zeit.
Ihr erster Streit begann im Supermarkt, zwischen den »Frühstücksdelikatessen« und den »Möbeln«, in der neueröffneten Schmuckabteilung.
»Diamantenkollier«, las Morey von seiner Liste ab. »Modeschmuckringe, Ohrclips«
»Morey, ich habe ein Kollier«, sagte Cherry rebellisch.
Morey faltete die Liste unsicher zusammen. Tatsächlich sie trug ihr Kollier. Aber es gab ja Alternativen.
»Wie wäre es mit einem Armband?« schmeichelte er. »Schau mal, hier haben sie schöne Rubinarmbänder. Wie wundervoll sie zu deinem Haar passen würden, Liebling!« Er winkte einen Robotverkäufer herbei, der sofort angelaufen kam und Cherry ein Tablett mit Armbändern reichte. »Sehr schön!« rief Morey, als Cherry das breiteste Armband auf ihr Handgelenk streifte.
»Und ich muß kein Kollier nehmen?« fragte sie.
»Natürlich nicht.« Er blickte auf den Preiszettel. »Das kostet ohnehin genausoviel.« Als Cherry ihn zweifelnd ansah, sagte er fröhlich: »Und jetzt gehen wir in die Schuhabteilung. Ich möchte ein Paar Pumps zum Tanzen aussuchen.«
Cherry erhob keine Einwände, weder jetzt noch während des restlichen Einkaufsbummels. Danach saßen sie im Salon, im Erdgeschoß des Supermarkts, und warteten, bis die Robotbuchhalter die Rechnung geschrieben und die Robotkassierer ihre Rationierungsbücher abgestempelt hatten.
Morey veranlaßte, daß alle Waren bis auf das Armband in ihr Haus geliefert wurden.
»Ich möchte, daß du es jetzt gleich trägst, Liebling«, erklärte er. »Ehrlich - ich habe noch kein Schmuckstück gesehen, das besser zu dir passen würde, Liebling.«
Cherry errötete erfreut, und Morey war sehr zufrieden mit sich. Es gab sicher nicht viele Männer, die solche kleinen häuslichen Probleme so bravourös lösen konnten.
Seine Zufriedenheit hielt auch während der Heimfahrt an, als Henry, ihr Begleitroboter, sie mit komischen Geschichten über die Fabrik unterhielt, in der er gebaut und ausgebildet worden war. Cherry hatte sich erst an den Roboter gewöhnen müssen, aber es war unmöglich, Henry nicht sympathisch zu finden. Er erzählte Witze und lustige Stories, wenn man sich amüsieren wollte, er zeigte Mitleid, wenn man deprimiert war, und er war eine nie versiegende Informationsquelle - egal, welches Thema man zur Sprache brachte. O ja, mit Henry kam sie sehr gut zurecht. Sie bat ihn sogar, ihnen während des Dinners Gesellschaft zu leisten, und lachte ebenso herzlich wie Morey über die drolligen Anekdoten des Roboters.
Aber später, im Wintergarten, als Henry sie taktvoll allein gelassen hatte, erstarb das Gelächter.
Morey merkte es nicht. Er widmete sich voller Hingabe seinem Abendritual, schlenderte umher, schaltete den dreidimensionalen Fernseher an, goß die Liköre ein, blätterte in den Abendzeitungen.
Cherry räusperte sich, und Morey hob den Kopf. »Liebling«, begann sie vorsichtig, »ich bin heute abend ein bißchen müde. Könnten wir - ich meine - findest du nicht auch, daß wir mal zu Hause bleiben und uns entspannen sollten?«
Morey sah sie besorgt an. Sie saß zurückgelehnt in ihrem bequemen Sessel, die Augen halb geschlossen. »Fühlst du dich nicht gut?« fragte er.
»Doch. Aber ich möchte heute abend nicht ausgehen, Liebling. Ich habe keine Lust dazu.«
Er setzte sich und zündete sich automatisch eine Zigarette an. »Ich verstehe«, sagte er. Im 3-D-Fernsehen begann gerade eine heitere Show. Er schaltete das Gerät aus und stellte das Magnetophon an. Sanfte Streicherklänge füllten den Raum.
»Aber wir haben für heute abend zwei Plätze im Klub reservieren lassen«, erinnerte er sie.
Cherry rutschte unbehaglich in ihrem Sessel hin und her. »Ich weiß.«
»Und wir haben die Opernkarten, die ich letzte Woche umgetauscht habe. Ich will ja nicht nörgeln, Liebling, aber bisher haben wir alle unsere Opernkarten zurückgegeben.«
»Wir können uns die Aufführungen doch auch im Fernsehen anschauen«, erwiderte sie mit dünner Stimme.
»Daraufkommt es nicht an, Schätzchen. Ich - ich wollte es dir eigentlich nicht erzählen - aber Wainwright sagte mir gestern im Büro, er würde abends in den Zirkus gehen und wir könnten uns dort treffen. Nun, wir waren nicht da. Der Himmel mag wissen, was für eine Ausrede ich ihm nächste Woche auftischen werde.«
Er wartete auf eine Antwort, aber Cherry schwieg.
»Wenn du dich also irgendwie dazu überwinden könntest, heute abend mit mir auszugehen.«, begann er.
Dann brach er ab, und seine Kinnlade klappte nach unten. Cherry weinte, lautlos und tränenreich.
»Liebling!« stieß er hervor.
Er lief zu ihr, aber sie hob abwehrend die Hände. Und so stand er hilflos vor ihr und sah ihr zu, wie sie weinte.