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»Leider nicht. Zucker? Nein, ich nehme nur selten an diesen Konferenzen teil, aber ich habe ein paar von Ihren Abhandlungen gelesen.«

Ich rührte in meinem Kaffee. »Danke, Dr. Ramos.« Ich habe schon vor langer Zeit gelernt, daß man einen Namen möglichst oft wiederholen muß, denn dann wird man ihn nicht so bald vergessen. Aber die meisten Namen vergesse ich trotzdem.

»Ich werde morgen meinen Vortrag halten, Dr. Ramos. Über eine fotometrische Technik, Richtungskoeffizienten aus planetaren Flugobjekten abzuleiten. Leider ist nicht viel dabei, was man nicht ohnehin schon in Langley entwickelt hat.«

»Hm - ich habe diese Abhandlung gelesen.«

»Aber du kriegst trotzdem deine kleinen Scheinchen dafür?« fragte Larry. Er atmete schwer. »Wie viele sind's denn in diesem Jahr?«

»Oh, eine ganze Menge.« Ich versuchte meinen Kaffee möglichst schnell und trotzdem unauffällig auszutrinken. Larry schien sich in einer unglückseligen Stimmung zu befinden.

»Davon haben wir gerade geredet, als du rausgekommen bist. Dreißig Abhandlungen pro Jahr und zwischen den Konferenzen Komitee-Berichte. Wann hast du eigentlich zum letztenmal einen vollen Monat an deinem Schreibtisch verbracht? Also, in meiner Abteilung.«

Ich spürte, wie mein Interesse geweckt wurde, obwohl ich das nicht wollte. Ich wollte zu meinen Notizen zurückkehren.

»Weißt du, was Fred Hoyle gesagt hat?«

»Ich glaube nicht, Larry.«

»Er hat gesagt, in der Minute, wo ein Mann irgendwas tut, würde sich die ganze Welt gegen ihn verschwören, um zu verhindern, daß er das jemals wieder tut. Die Vorsitzenden der Programmkomitees laden ihn ein, Vorträge zu halten. Die Kuratoren fordern ihn auf, bei irgendwelchen Komitees Mitglied zu werden. Die Zeitungsreporter bitten ihn, in einer Show aufzutreten, zusammen mit einem Komiker, einer Sängerin und einem Bandleader, und dem Publikum zu erzählen, ob es Lebewesen auf dem Mars gibt.«

»Und die Leute, die mit ihm sympathisieren, halten ihn auf Konferenzen von der Arbeit ab«, sagte Dr. Ramos und kicherte. »Wirklich, Mr. Grew, wir könnten es verstehen, wenn Sie sich in Ihrem Zimmer verkriechen würden.«

»Ich bin nicht einmal sicher, ob es diese Welt ist«, erklärte Larry. Er war nicht nur ein Ärgernis, er redete auch sinnloses Zeug. »Übrigens, ich habe bisher noch nichts Richtiges getan -nicht so wie du, Chip. Aber eines Tages werde ich was tun.«

»Seien Sie doch nicht so bescheiden!« entgegnete Dr. Ramos. »Hören Sie mal - wir machen hier ziemlich viel Lärm. Suchen wir uns doch ein gemütliches Eckchen, wo wir uns in Ruhe unterhalten können - es sei denn, Sie wollen wirklich arbeiten, Dr. Grew.«

Aber ich war bereits halb davon überzeugt, daß es auch zu meiner Arbeit gehörte, mich mit Larry und Dr. Ramos zu unterhalten. Und so gingen wir in mein Zimmer und dann in Larrys, wo ein Bericht über die Rand Corporation in seiner Tasche lag, zusammen mit ein paar Notizen, die ich ihm einmal geschickt hatte. Der Konferenzsaal sah uns nicht wieder. Um zehn ließen wir uns was zu essen raufschicken, blieben sitzen, tranken kalten Kaffee und in mäßigen Mengen Bourbon, aus einer Flasche, die Larry mitgebracht hatte, und ich erzählte ihnen alles, was ich mir jemals über die Transmission technologischer Informationen ausgedacht hatte. Und was man damit anfangen könnte. Dr. Ramos kriegte alles mit und war der beste Zuhörer, den Larry und ich je gehabt hatten, wenn er auch nicht viel mehr sagte als »Ja, natürlich« und »Ich verstehe«. Damit drückte er eine ganze Menge aus. Und wie ein Kind kurz vor Weihnachten saß ich da und stellte mir vor, wie viel ich n zwei Jahren für die Amortisierung von Systemen und für die hohen Tiere tun könnte. Und die beiden bestärkten mich in meiner Euphorie. Es war ein schwindelerregender Abend. Kurz vor dem Ende unseres Gesprächs rechneten wir auf, wie schnell wir den Mars kolonialisieren und eine Flotte interstellarer Raumlinienschiffe starten würden, wenn die gesamte Arbeitszeit aller existierenden Menschen mit Arbeit ausgefüllt werden könnte. Danach entstand eine Pause, und Larry stand auf, öffnete die französischen Türen md trat auf den Balkon hinaus, zwanzig Stockwerke hoch oben. Unter uns lag Los Angeles, und über den südlichen Bergen braute sich ein Gewitter zusammen. Die frische Luft verhalf mir für wenige Augenblick zu einem klaren Kopf, und mir wurde erstens bewußt, daß ich müde war, und zweitens, daß ich in sieben Stunden diesen verdammten Vortrag halten mußte.

»Machen wir lieber Schluß«, sagte Dr. Ramos.

Larry wollte erst widersprechen, dann grinste er. »Okay, ihr alten Knaben. Übrigens würde ich mir deine Notizen gern ansehen, wenn es dich nicht stört, Chip.«

»Okay, aber verschlamp sie nicht«, sagte ich, ging in mein Zimmer zurück und in mein Bett, und dann lag ich da mit weit geöffneten Augen und lächelte, bevor ich einschlief und träumte, daß ich fünfzig Wochen im Jahr Zeit hatte, um meine eigentliche Arbeit zu tun.

Ich war erstaunlich schnell wach, nachdem der Hotelwecker geklingelt hatte. Wir hatten vereinbart, in Larrys Zimmer zu frühstücken, damit ich meine Notizen holen und mich mit den anderen vielleicht noch ein bißchen unterhalten konnte, bevor die Vormittagssitzung begann. Als ich in Larrys Etage ankam, sah ich Dr. Ramos auf Zehenspitzen den Flur entlangschleichen.

»Guten Morgen«, sagte er. »Ich habe gerade zwei Flitterwöchner geweckt, die das nicht zu schätzen wußten. Wohnt Larry nicht in Nummer 2051?«

»Nein, in 2052, in der anderen Richtung.«

Er grinste und folgte mir, und dabei erzählte er mir einen recht komischen Flitterwochenwitz, der gerade noch oberhalb der Gürtellinie war.

Larry rührte sich nicht, als ich an seine Tür klopfte. Immer noch lachend sagte ich: »Versuchen Sie's mal!« Aber Dr. Ramos hatte ebenso wenig Erfolg wie ich.

Da hörte ich zu lachen auf. »Er kann doch nicht vergessen haben, daß wir zu ihm kommen wollten.«

»Vielleicht hat er nicht abgeschlossen.«

Ich drückte auf die Klinge, die Tür ließ sich mühelos öffnen.

Aber Larry war nicht in seinem Zimmer. Die Tür zum Bad stand offen, ebenso die Balkontür. Larry war nicht da. Das Bett war zerwühlt, aber leer.

»Ich glaube nicht, daß er weggegangen ist«, sagte ich. »Schauen Sie, seine Schuhe stehen immer noch da.«

Der Balkon war nicht so groß, daß man sich darauf verstecken konnte, aber ich ging trotzdem hinaus. Er war schmal und regennaß, und ich fand nichts weiter als feuchte Liegestühle und ein paar Zigarettenstummel.

»Offenbar war er hier draußen«, sagte ich, und dann kam ich mir ziemlich melodramatisch vor, als ich mich über das Geländer beugte. Es war eigentlich gar nicht melodramatisch, denn vor der geschwungenen Hotelfassade, am Rand des Springbrunnens, lag irgend etwas Verkrümmtes, und ein Mann stand daneben und schrie den Portier an. Es war so früh am Morgen, daß noch kein Straßenlärm herrschte, und so hörte ich seine Stimme schwach heraufdringen, über die zweihundert vertikalen Fuß hinweg, die uns von dem trennten, was von Larry übriggeblieben war.

Sie sagten die Vormittagssitzung ab, aber sie beschlossen, am Nachmittag weiterzumachen, und ich focht einen langen, entnervenden Kampf mit Gordie MacKenzie aus, der seinen Vortrag unbedingt zum geplanten Termin halten wollte, um drei Uhr nachmittags. Aber zu diesem Zeitpunkt sollte mein Vortrag eingeschoben werden, und ich war einfach nicht gut genug gelaunt, um nachzugeben - nicht, nachdem ich zwei Stunden mit dem Leichenbeschauer und dem Hotelpersonal verbracht und den Leuten bei dem Versuch geholfen hatte, herauszufinden, warum Larry vom Balkon gesprungen oder gefallen war. Und schon gar nicht, nachdem es feststand, daß er alle meine Notizen in der Hand gehalten hatte, als er runtergesprungen war und daß sie nun als feuchte Papierfetzen über dem ganzen Los Angeles County verstreut waren.

Ich war also ziemlich sauer. Da ich mal gehört hatte, Krafft Ehricke hätte einen Zwölf-Minuten-Vortrag in drei Minuten und fünfundvierzig Sekunden vorbereitet, versuchte ich diesen Rekord zu brechen und schaffte es beinahe. Dann warf ich alles, was ich besaß, in meinen Koffer und bezahlte meine Rechnung, in der Absicht, das Hotel zu verlassen, zum Flughafen zu fahren und mit der ersten Maschine nach Hause zu fliegen.