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Sie kam zurück. »Bitte, erzähl mir davon!« bettelte sie. »Ich bin ja so neugierig!«

Ich öffnete die Augen. »Du willst, daß ich dir davon erzähle?«

»O ja, bitte!«

»Du möchtest also wissen, wie es ist, mit einer Rakete zum Mars zu fliegen?«

»Ja!«

»Okay«, sagte ich. Es ist wundervoll, was drei so kleine Pillen bewirken können. Ich zitterte nicht mehr. »Man ist zu sechst - in einem Raum, der etwa so groß ist wie ein Buick. Zwei Mann müssen immer in den Kojen liegen, vier haben Dienst. Natürlich wollen alle zehn Minuten länger als vorgesehen in der Koje bleiben, weil das der einzige Platz ist, wo man die Ellbogen des Nebenmanns nicht in den Rippen spürt. Aber das geht nicht. Weil dann Wachablöse ist. Vielleicht hat man gar keinen Ellbogen in den Rippen, wenn man gerade Dienst hat - aber neben den Steuerbordkojen ist die Hauptschleuse des Luftregenerators eingebaut. Ich könnte dir zeigen, was die in meiner Nierengegend angerichtet hat. Neben den Backbordkojen ist der Griff des Notausgangs angebracht. Wenn man den Kopf zu schnell dreht, schlägt man sich die Stirn an. Und wegen des Lärms kann man gar nicht richtig schlafen - das heißt, wenn die Raketen in Betrieb sind. Wenn sie nicht laufen, ist man schwerelos, und das ist auch schlimm, denn man träumt immer, daß man irgendwo runterfällt. Aber ich glaube, es ist noch schlimmer, wenn die Raketen krachen. Das ist verdammt laut. Und wenn der Lärm nicht wäre - wenn man zu tief schläft, könnte man sich auf die Sauerstoffleitung legen. Dann träumt man, daß man ertrinkt. Kannst du dir das vorstellen? Man windet sich und würgt und kriegt keine Luft. Aber ich glaube, es ist nicht gefahrlich. Ich bin jedenfalls immer rechtzeitig aufgewacht. Obwohl ich mal gehört habe, daß ein Raumfahrer vor sechs Jahren.

Nun, man hat also ständig diese Sauerstoffmaske vor dem Gesicht, wenn man sie nicht für ein paar Sekunden runternimmt, um was zu sagen. Das tut man nicht oft, denn was gibt es schon zu sagen? Oh, vielleicht in den ersten beiden Wochen - da sind alle dicke Freunde. Da braucht man die Maske gar nicht -zumindest nicht oft. Alle sind noch herrlich sauber. Der Raum riecht wie - na, sagen wir mal, wie die Garderobe eines Turnsaals, verstehst du? Man kann es ertragen. Natürlich nur, wenn keiner raumkrank wird. In der Beziehung hatten wir Glück. Ich habe mal von einem Flug gehört, wo zwei Mann von der Crew die Raumkrankheit bekamen, schon nach der ersten Kurskorrektur. Die haben zwei Tage lang alles vollgekotzt. O Mann! Aber mit der Zeit wird's auch ohne Raumkrankheit recht übel. Außerhalb der Maske ist alles voller Nebelsuppe. Man riecht es gar nicht so sehr, aber man schmeckt es, tief unten im Kehlkopf, und es sticht in den Augen. So ist das nach den ersten zwei, drei Monaten. Später wird es schlimmer. Wenn man die Maske trägt, gelangt die Sauerstoffmixtur mit Hochdruck in die Atemwege. Das ist komisch, wenn man's nicht gewöhnt ist. Die Lungen müssen ein bißchen kräftiger arbeiten, um den Sauerstoff wieder loszuwerden, besonders, wenn man schläft, und nach einer Weile beginnen die Muskeln zu schmerzen. Die Schmerzen werden immer stärker. Und dann.

Bevor wir starten, stellen die Psychologen alles mögliche mit uns an, damit wir uns nicht gegenseitig umbringen. Aber sie können nicht verhindern, daß man daran denkt. Und danach, wenn wir wieder auf der Erde sind, passen sie auf, daß wir nicht mehr zusammenkommen - davon hast du sicher nichts in deinem Artikel gelesen. Weißt du, wie sie das machen? Wir kriegen natürlich eine Pension. Man muß ganz einfach eine Pension kriegen, denn sonst würde kein Mensch auf den Mars fliegen. Die müßten den Jungs so horrende Summen zahlen, so viel Geld gab's gar nicht auf der Welt. In unseren Pensionsverträgen steht, daß jeder in seinem Territorium bleiben muß. Das Land wird in sechs Sektoren aufgeteilt. In jedem gibt es wenigstens eine große Stadt. Ich hatte Glück. Ich habe viele Städte. Sie versuchen das so einzuteilen, daß jeder in seiner Heimatstadt leben kann. Aber bei uns war das schwierig. Chowderhead und der Captain kommen zufallig beide aus Santa Monica. Ich glaube, es war Chowderhead, der Kalifornien und Nevada gekriegt hat - das ganze Südwestgebiet. Sie haben die beiden losen lassen. Gott weiß, wohin es den Captain verschlagen hat. Vielleicht nach New Jersey«, fügte ich hinzu.

Wir gingen in eine andere Bar.

Plötzlich sagte sie: »Ich habe was herausgefunden. Jetzt weiß ich, warum du dich immer nach allen Seiten umsiehst.«

»Was hast du denn rausgefunden?«

»Du hast gesagt, daß der andere Mann in New Jersey ist. Das hier ist New Jersey. Du gehörst nicht in diesen Sektor, was?«

»Stimmt«, sagte ich nach einer Minute.

»Warum bist du dann hier? Ich weiß, warum. Du suchst jemanden.«

»Genau.«

»Du willst diesen anderen Mann aus deiner Crew finden«, sagte sie triumphierend. »Du willst dich mit ihm prügeln.«

Ich konnte nicht verhindern, daß ich wieder zu zittern anfing, trotz der weißen Pillen. Aber ich mußte sie korrigieren.

»Nein. Ich will ihn töten.«

»Wieso weißt du, daß er hier ist? Er hat doch viele Staaten, wo er sich rumtreiben kann.«

»Sechs, New Jersey, Pennsylvania, Delaware, Maryland - alles bis nach Washington runter.«

»Wieso weißt du dann.«

»Er ist hier.« Ich brauchte ihr nicht zu sagen, warum ich es wußte. Aber ich wußte es.

Ich war nicht der einzige, der seine Zeit an der Grenze seines Sektors zubrachte und über einen Fluß oder eine andere Demarkationslinie starrte und wußte, daß jemand auf der anderen Seite war. Ich wußte es auch. Wenn man Krieg führt, braucht man nicht lange zu raten, um zu wissen, daß der Feind seine Truppen tausend Meilen hinter der Kampffront postiert hat. Man weiß, wo seine Truppen stehen. Und man weiß, daß auch er kämpfen will.

Hatschi! Hatschi!

Ich verschüttete meinen Drink.

Dann sah ich sie an. »Hast du - hast du.«

Sie blinzelte verängstigt. »Was ist denn?«

»Hast du gerade geniest?«

»Geniest? Ich?«

Ich stieß irgendeinen häßlichen Fluch aus. Ich weiß nicht mehr, welchen. Nein! Sie war es nicht gewesen. Ich wußte es.

Das war Chowderheads Niesen.

Chowderhead.

Er hieß Marvin T. Roebuck, war fünf Fuß und acht Zoll groß, hatte eine dunkle Haut und schielte auf einem Auge. Er sprach mit irgendeinem mittelwestlichen Akzent, obwohl er aus Kalifornien kam, und damit hatte er mich nach einiger Zeit halb wahnsinnig gemacht. Er sagte nicht »brüllen«, sondern »brullen«, und nicht »Schrecken«, sondern »Schracken«. Vielleicht können Sie sich jetzt so ungefähr vorstellen, wovon er die ganze Zeit geredet hat. Ein Stinktier vom Scheitel bis zur Sohle. Ein unverbesserliches, widerwärtiges Stinktier.

Ich stieß meinen Stuhl um und schrie. »Roebuck! Verdammt, wo bist du?«

In der Bar war es plötzlich totenstill. Nur die Jukebox plärrte weiter.

»Ich weiß, daß du hier bist!« kreischte ich. »Komm heraus, damit ich dir's heimzahlen kann, du verdammter Kerl! Du miese Wanze, ich habe dir ja gesagt, ich würde dich schon noch kriegen, weil du mich damals einen Lügner genannt hast - an dem Tag, als Wally seine Maske zerriß!«

Stille. Alle starrten mich an.

Dann öffnete sich die Tür der Herrentoilette.

Er kam heraus.

Er sah lausig aus. Rote Augen - und die Haare fielen ihm aus. Der arme Teufel konnte nicht älter als neunundzwanzig sein. »Du!« brüllte er und gab mir ein paar Millionen Namen. »Du diebische Ratte! Dir werde ich's schon noch zeigen! Mir meine Schokoladeration zu klauen!«

Er hatte ein Messer.

Das war mir egal. Ich hatte gar nichts, und das war dumm, aber es spielte keine Rolle. Ich nahm eine Bierflasche vom Nebentisch, zertrümmerte sie an einem Stuhl. Das war eine gute Waffe. Damit würde ich jederzeit gegen ein Messer kämpfen. Und das tat ich auch. Ich lief auf ihn zu, und er taumelte mir entgegen, sah verrückt und verzweifelt aus und murmelte und stotterte. Ich konnte nicht hören, was er sagte, weil auch ich ununterbrochen redete. Niemand versuchte uns zurückzuhalten. Irgend jemand lief hinaus, vermutlich, um die Polizei zu holen, aber das war okay. Wenn ich mit Chowderhead abgerechnet hatte, würde es mir egal sein, was die Bullen mit mir machten.