Ich schlug mit der zerbrochenen Flasche nach seinem Gesicht.
Er traf mich zuerst. Ich spürte, wie das Messer meinen linken Arm zerschnitt, aber es tat gar nicht richtig weh, wissen Sie. Es stach nur ein bißchen. Und dann traf ich sein Gesicht und zog die Flasche zurück. Es sah aus wie grauweißes Gelee, und jetzt quoll Blut heraus. Er schrie. Oh, dieser Schrei! Nie zuvor hatte ich so etwas wie diesen Schrei gehört. Das war es, worauf ich gewartet hatte. Ich trat nach ihm, als er nach hinten torkelte, und er stürzte. Und ich warf mich auf ihn, mit der Flasche und paßte auf, daß ich ihn nicht in den Hals oder ins Herz traf, denn das wäre zu schnell gegangen. Aber ich bearbeitete sein Gesicht und spürte, wie sich sein Messer mehrmals in mein Fleisch bohrte, und.
Und dann wachte ich auf, wissen Sie? Und da beugte sich Dr. Santly über mich, mit einer Injektionsspritze in der Hand, deren Nadel er soeben aus meinem Arm gezogen hatte. Vier Krankenpfleger hielten mich mühsam fest. Ich war schweißüberströmt.
Zuerst wußte ich nicht, wo ich war. Ich hatte das schreckliche, schwindelerregende Gefühl zu fallen, als hätten sich die Bar und der Kampfund die ganze Welt ringsum in Rauch aufgelöst.
Dann wußte ich, wo ich war.
Und das war noch schlimmer.
Ich hörte zu schreien auf, lag nur ruhig da und sah sie an.
Dr. Santly versuchte ein freundliches, unbefangenes Gesicht zu machen. »So ist es schon viel besser, Byron, viel besser.«
Ich sagte nichts.
»Sie haben es in zwei Stunden und acht Minuten geschafft«, fuhr er fort. »Erinnern Sie sich noch an das erstemal? Damals haben sie ihn sechzehn Stunden lang getötet. Das war Captain Van Wyck, wissen Sie das noch? Wer war es denn diesmal?«
»Chowderhead.« Ich blickte zu den Krankenpflegern auf. Offenbar hatten sie meine Arme und Beine losgelassen.
»Chowderhead«, sagte Dr. Santly. »Ach ja - Roebuck! Der Junge«, fügte er mit klagender Stimme hinzu. »Nicht einmal halb so gut. Er kann einen Zyklus einfach nicht in weniger als fünf Stunden durchlaufen. Und was das Komische ist - immer sind es Sie, den er. Aber das will ich Ihnen lieber nicht sagen. Es hätte ja keinen Sinn, einen Gegendruck zu erzeugen, wenn Ihre Poren sozusagen alle geöffnet sind.« Er lächelte mich an, aber hinter diesem Lächeln war er ziemlich besorgt.
Ich setzte mich auf. »Hat irgend jemand eine Zigarette?«
»Geben Sie ihm eine Zigarette, Johnson«, befahl der Doktor dem Krankenpfleger, der neben meinem rechten Fuß stand. Johnson gehorchte wortlos. Ich zündete mir die Zigarette an.
»Sie halten sich wirklich großartig«, sagte Dr. Santly. Er war einer von diesen Psychologen, die glauben, wenn sie sagen, daß was so ist, dann ist es auch so. Kennen Sie diese Typen?
»Am Wochenende werden wir Sie bis zu einer Stunde runtergekriegt haben. Das ist ein wunderbarer Fortschritt. Dann können wir auf der Bewußtseinsebene arbeiten. Sie sind verdammt gut, mein Junge, ob Sie es nun wissen oder nicht. In sechs Monaten - na, sagen wir lieber, in acht Monaten, weil ich ziemlich konservativ bin.« Er zwinkerte mir zu. »In acht Monaten können Sie hier raus. Sie werden der erste von der Crew sein, den wir entlassen, wissen Sie das?«
»Wie nett!« sagte ich. »Die anderen machen sich nicht so gut?«
»Nein, ganz und gar nicht. Vor allem der arme Dr. Gilvey ist immer in einem schrecklichen Zustand, wenn er einen Test absolviert hat. Ich gebe ehrlich zu, daß ich mir Sorgen um ihn mache.«
»Wie nett!« sagte ich, und diesmal meinte ich es ernst.
Er sah mich nachdenklich an, aber er enthielt sich seines Kommentars, wandte sich an die Krankenpfleger und sagte: »Er ist okay. Helft ihm vom Tisch runter.«
Es war schwer, auf den Beinen zu stehen. Ich mußte mich eine Minute lang an das Geländer klammern, das rings um den Tisch angebracht war. Und dann hielt ich die kleine Rede, die ich vorbereitet hatte.
»Dr. Santly, ich möchte Ihnen sagen, wie dankbar ich Ihnen für das alles bin. Ich hatte schon befürchtet, daß ich den Rest meines Lebens in einem Teil des Landes eingesperrt sein würde, wie die Jungs von den Ex-Crews. Aber so ist es viel besser, und ich weiß es zu schätzen. Ich bin sicher, daß Ihnen auch die anderen sehr dankbar sind.«
»Natürlich, mein Junge, natürlich.« Er zog einen Füllfederhalter hervor und machte eine Notiz auf meinem Krankenblatt. Ich konnte nicht sehen, was er schrieb, aber er sah zufrieden aus.
»Das alles hat bereits in Ihnen gesteckt, Byron. Ich habe Ihnen nur geholfen, es an die Oberfläche zu befördern.«
Er warf den Krankenpflegern einen verschwörerischen Blick zu. »Sie wissen, wie wichtig das für mich ist. Es ist der Triumph einer völlig neuen psychischen Rehabilitationsmethode. Ich finde, unsere heroischen Raumfahrer haben doch das Recht auf Freiheit, wenn sie auf die Erde zurückkommen, nicht wahr?«
»Genau«, sagte ich und rieb mir mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn.
»Und so werden wir das System der Sektoren abschaffen. Wir können nicht verhindern, daß während eines Raumflugs Spannungen entstehen. Aber wenn wir Ihnen mit unserer Behandlung helfen können, die Spannungen abzubauen - nun, dieser Preis ist doch nicht zu hoch, oder?«
»Aber nein«
Er erwärmte sich immer mehr für das Thema. »Jetzt können Sie sich schon auf ein Wiedersehen mit ihren alten Raketenfreunden freuen. Sie werden sich völlig unbefangen mit den Jungs unterhalten, ohne Ressentiments. Ist das nicht wunderbar?«
»Klar«, sagte ich. »Sie ahnen ja gar nicht, wie sehr ich mich schon darauf freue. Und ich weiß genau, was ich tun werde, wenn ich zum erstenmal einen von den Jungs treffe - ich meine, ohne Ressentiments und so, wie Sie es ausgedrückt haben.« Und das war die reine Wahrheit. Ich freute mich wirklich darauf. Aber ich würde es nicht mit einer zerbrochenen Bierflasche machen.
Ich hatte mir was viel Raffinierteres ausgedacht.
Der Marsmensch auf dem Dachboden
Dunlop war klein und dick. Seine Wimpern waren blond, und die Haare waren ihm ausgegegangen. Er sah aus wie die Leute, die man manchmal am Ende des Stadions beim Großen Spiel sieht, die einen Hot Dog in der einen Hand halten und einen Wimpel in der anderen, die mit ihren Frauen da sitzen und ihnen jeden Spielzug erklären müssen. Und er stotterte auch noch.
Das Mädchen im Vorzimmer der LaFitte Enterprises war ein blauäugiges ehemaliges Fotomodell. Sie hatte Dunlop bereits taxiert. Langsam sah sie auf und fragte tonlos: »Ja?«
»Ich möchte Mr. LaF-F-F.«, sagte Dunlop und machte eine Pause, um sich zu räuspern. »Ich möchte Mr. LaFitte sprechen.«
Das Ex-Modell war so verwirrt, daß sie blinzelte. Niemand konnte Mr. LaFitte sprechen! Oh, John D. der Sechste vielleicht schon. Oder Präsident Brockenheimer könnte mal vorbeischauen, nachdem er vorher angerufen hatte. Aber sonst niemand. Mr. LaFitte war ein sehr bedeutender Mann, der einen Großteil der besten amerikanischen Maschinen erfunden und sie um das beste Geld Amerikas verkauft hatte, und er stand ganz gewiß nicht irgendwelchen Leuten zur Verfügung, die einfach hereingeschneit kamen. Vor allem nicht solchen Niemands, die Anzüge von der Stange trugen.
Doch die Empfangsdame hatte ein gutes Herz - was nur ihre Mutter, ihr Chef und die vierzehn Männer wußten, die es nacheinander gebrochen hatten. Dunlop tat ihr leid. Sie beschloß, ihn glimpflich davonkommen zu lassen, und fragte: »Wie war doch Ihr Name, Sir? Dunlop? Mit einem >o<, Sir? Einen Augenblick, bitte!«