Also hätte ich mich in Beiport auf eine bunte, irrationale, ablenkende Thematik konzentrieren müssen. Auf die »große Lüge«, wenn Sie so wollen. Aber ich hatte nicht einmal eine »kleine raffinierte, versteckte Schwindelei« gefunden.
Es war interessant zu eruieren, auf wie viele Arten ich das Falsche getan hatte. Was das Allerfalscheste war - ich hatte mir Candace Harmon durch die Lappen gehen lassen. Und während ich diese Gedanken wälzte und mich selbst beinahe schon verachtete, klingelte es glücklicherweise an der Tür, und ich machte auf, und da stand dieser Bursche im Olivgrün der Space Force und sagte: »Kommen Sie mit, Mr. Gunnarsen, das Waffenstillstandteam will mit Ihnen reden.«
Für einen erstarrten Augenblick war ich wieder neunzehn Jahre alt. Ich war Raketensoldat 3/c auf dem Mond und schützte die Aristarchus-Basis vor Invasoren aus dem äußeren Universum. (Damals hatten wir das als großen Witz betrachtet. Das beweist wieder mal, wie plötzlich manche Witze an Komik verlieren können.) Dieser Bursche war ein Colonel und hieß Peyroles. Er führte mich den Korridor hinab, zu einem Privataufzug, von dessen Existenz ich bisher nichts gewußt hatte, und hinauf in die flache Kuppel des Pilzes und in eine Suite, neben der sich meine wie ein Kellerloch unterhalb einer Hundehütte in Old Levittown ausgenommen hätte. Der Gestank war überwältigend. Aber ich hatte die hastige Begrüßung durch die Spitzenoffiziere bereits hinter mich gebracht und konnte mir ein Papiertaschentuch vor die Nase halten. Der Colonel sah mich nicht einmal an.
»Setzen!« bellte der Colonel und ließ mich vor einem Kamin ohne Feuer stehen. Irgend etwas ging hier vor. Ich hörte Stimmen, die aus einem anderen Raum drangen - viele Stimmen.
».in effigie verbrannt, und bei Gott, wir werden einen wirklichen verbrennen.«
».riecht wie ein Iltis.«
».dreht mir den Magen um.«, und dieser letzte Bursche, wer immer er auch war, kam der Wahrheit verdammt nahe, wenn ich den Geruch auch wenige Minuten, nachdem ich in die Suite gekommen war, fast vergessen hatte. Seltsam, daß man sich daran gewöhnen konnte. Es war wie bei einem überreifen Käse -der erste Hauch warf einen fast um, aber die Geruchsnerven bekamen die Situation schnell in den Griff und bauten ein Verteid igungsbollwerk auf.
».okay, der Krieg ist vorbei, und wir müssen mit ihnen auskommen, aber die Heimatstadt eines Mannes.«
Was immer es auch war, das sich im Nebenraum abspielte, es ging sehr laut vonstatten. Wenn Arcturer in der Nähe waren, verlor man die Beherrschung immer ziemlich schnell, weil man durch den Gestank irritiert wurde. Die Menschen mögen keine üblen Gerüche. Üble Gerüche sind nicht schön. Sie erinnern uns an Schweiß und Exkremente, gegen die wir uns zu wappnen pflegen und die wir als reale, persönliche Fakten verdrängen. Nun erklang ein lauter, militärischer Ruf, der sofortige Ruhe befahl. Ich erkannte Colonel Peyroles' Stimme - und dann hörte ich eine andere Stimme, die merkwürdig und nicht ganz menschlich klang, obwohl sie Englisch sprach. War das der Arcturer? War das dieser Knafti? Aber man hatte mir doch gesagt, daß sie keine menschlichen Laute von sich geben könnten.
Wer immer es auch war, er bereitete der Konferenz ein Ende. Die Tür öffnete sich.
Dahinter sah ich etwa zwei Dutzend feindselige Rücken, die sich durch eine andere entfernten, und den Space Force Colonel, der auf mich zukam, begleitet von einem sehr jungen Mann in Zivilkleidung mit bleichem Engelsgesicht und Beinleiden und. Ja, es war der Arcturer. Er war der erste, den ich innerhalb einer so kleinen Gruppe und aus der Nähe sah. Er watschelte zu mir, auf fünf oder sechs seiner Kleiderbügelglieder, den atmenden Brustkasten in Gold gepanzert. Das Heuschreckengesicht mit den glänzenden schwarzen Augen starrte mich an.
Peyroles schloß die Tür, nachdem sie alle eingetreten waren. Er wandte sich zu mir und sagte: »Mr. Gunnarsen. Knafti. Timmy Brown.«
Ich hatte nicht die geringste Ahnung, ob ich etwas zum Schütteln anbieten sollte, und wenn ja, was. Aber Knafti sah mich nur ernsthaft an. Der Junge nickte.
»Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Gentlemen«, sagte ich. »Wie Sie vielleicht wissen, wollte ich schon vorher einen Termin ausmachen, wurde aber abgewiesen. Ich nehme an, daß der Schuh nun am anderen Fuß steckt.«
Colonel Peyroles blickte mit gerunzelter Stirn zu der Tür, die er soeben geschlossen hatte. Dahinter wurde immer noch gelärmt. »Sie haben ganz recht«, sagte er zu mir. »Das war eine Versammlung eines Bürgerkomitees.«
Er brach ab, als die Tür aufflog. Ein Mann beugte sich heraus und schrie: »Peyroles! Kann dieses Ding verstehen, was weiße Menschen sprechen? Ich hoffe es. Ich hoffe, daß es hört, was ich jetzt sage. Ich werde es mit diesen meinen Händen auseinandernehmen, wenn es morgen um diese Zeit noch in Beiport ist. Und wenn mir dabei irgendein menschliches Wesen oder ein sogenanntes menschliches Wesen wie Sie in die Quere kommt, werde ich das auch auseinandernehmen!« Er schlug die Tür zu, ohne auf eine Antwort zu warten.
»Da sehen Sie, wie es ist«, sagte Peyroles verdrossen. Im Kreis seiner beherrschten Soldaten mußte er sich natürlich nicht mit solchen Ärgernissen abquälen. »Darüber wollten wir mit Ihnen sprechen.«
»Ich verstehe«, sagte ich, und ich verstand es wirklich, sogar sehr gut. Denn der Bursche, der sich aus der Tür gebeugt hatte, war der Arcturus-Basis-Bannerträger, mit dem wir gerechnet hatten, der alte - wie hatte Connick ihn genannt? -, der alte Schlitz, das Schlitzohr, der Mann, für dessen Wahl wir uns stark machten, weil wir hofften, dadurch das Referendum zu unseren Gunsten entscheiden zu können.
Nach dem Lärm zu schließen, den die Bürgerdelegation machte, lag eine Lynchjustiz in der Luft. Ich begriff nun, warum sie über ihren eigenen Schatten gesprungen waren und mich hinzugezogen hatten, bevor die Dinge völlig außer Kontrolle gerieten und in einen Mord ausarteten - falls man die Tötung eines Arcturers als Mord bezeichnen konnte.
Obwohl - wenn sie Knafti lynchten, wäre das nicht das Schlimmste, was passieren konnte. Die von Sentiments geprägte öffentliche Meinung könnte sich um hundertachtzig Grad drehen.
Ich verdrängte diesen Gedanken und kam zur Sache. »Um was geht es nun eigentlich?« fragte ich. »Vermutlich wollen Sie, daß ich was für Ihr Image tue.«
Knafti setzte sich - falls man das bei den Arcturern als setzen bezeichnen kann - auf ein Gestell, um das er seine Gliedmaßen schlang. Der bleiche Junge flüsterte ihm etwas zu, dann kam er zu mir. »Mr. Gunnarsew«, sagte er, »ich bin Knafti.« Er sprach die Vokale sehr präzise aus und betonte jedes Satzende, als ob er sein Englisch aus einem Schulbuch gelernt hätte. Es fiel mir nicht schwer, ihn zu verstehen. Zumindest verstand ich, was er sagte. Aber ich brauchte eine Weile, um zu begreifen, was er meinte, und Peyroles mußte mir dabei helfen.
»Er sagt, daß er in diesem Augenblick für Knafti spricht«, erklärte der Colonel. »Er ist der Dolmetscher. Klar?«
Der Junge bewegte die Lippen - um das Getriebe in Gang zu setzen, wie es den Anschein hatte - und sagte dann: »Das stimmt, ich bin Timmy Brown, Knaftis Dolmetscher und Assistent.«
»Dann fragen Sie Knafti, was er von mir will.« Ich versuchte so zu sprechen wie er - mit einer Art Niesen statt des K's und einem unbeschreiblichen Pfeiflaut statt des f's.
Wieder bewegte Timmy Brown die Lippen und sagte: »Ich, Knafti, wünsche, daß Sie Ihre Operation in Beiport beenden -abschließen - stoppen.«
Der Arcturer zog eine paar Gliedmaßen aus seinem Schlinggestell, vollführte mehrere Schlangenbewegungen und zwitscherte wie ein Eichhörnchen. Der Junge zwitscherte zurück und sagte: »Ich, Knafti, danke Ihnen für Ihre wirkungsvolle Arbeit, möchte aber, daß Sie damit Schluß machen.«