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Burckhardt wußte es nicht, aber vielleicht war die Antwort auf diese Frage hinter der Tür am Ende des Tunnels verborgen. Sie lauschten mit angehaltenem Atem und hörten ferne Geräusche, aber sie hatten nicht das Gefühl, in Gefahr zu schweben. Sie schlüpften durch die Tür.

Nachdem sie einen großen Raum durchquert hatten und eine Treppe hinaufgestiegen waren, stellte Burckhardt fest, daß sie sich im Contro Chemical-Werk befanden.

Niemand war zu sehen. Das war nicht ungewöhnlich, denn in der automatisch betriebenen Fabrik war kaum jemand anzutreffen. Burckhardt erinnerte sich noch gut an jenen Besuch, den er dem Werk abgestattet hatte, an die endlose, unaufhörliche Tätigkeit der Maschinen, an die Ventile, die sich öffneten und schlössen, an die Behälter, die sich selbst entleerten und füllten und schüttelten und erhitzten und die gurgelnden Flüssigkeiten, die sie enthielten, chemisch analysierten. Das Werk war niemals übervölkert - aber es war niemals still.

Nur jetzt war es still. Abgesehen von jenen fernen Geräu. sehen war kein Lebensatem wahrzunehmen. Die elektronischen Gehirne sandten keine Befehle aus. Die Spulen und Relais waren stillgelegt.

»Kommen Sie!« sagte Burckhardt.

Swanson folgte ihm widerstrebend durch eine riesige Halle, zwischen fleckenlosen, glatten Stahlsäulen und Tanks hindurch.

Sie gingen angstvoll dahin, als wären sie sich der Gegenwart des Todes bewußt. Und das waren sie in gewisser Weise auch, denn die Automaten, die das Werk einst in Gang gehalten hatten, waren nichts weiter als Leichen. Die Maschinen wurden von Computern kontrolliert, die keine richtigen Computer waren, sondern die elektronischen Analoga lebender Gehirne. Und wenn sie abgeschaltet wurden - waren sie dann nicht tot? Denn jeder dieser Computer war einst ein menschliches Gehirn gewesen.

Stellen wir uns einmal einen Rohölchemiker vor, der die Teilung des Naturöls in seine Bestandteile auf vollendete Weise beherrscht. Fesseln wir ihn, dringen wir mit elektronischen Suchnadeln in sein Gehirn ein. Die Maschine zeichnet seine Denkprozesse auf, übersetzt ihre Forschungsergebnisse in Sinuswellen. Wenn man diese Wellen auf einen RoboterComputer überträgt, hat man einen Chemiker. Oder tausend Kopien des Chemikers, mit all seinem Wissen, mit all seinen Erfahrungen, ohne Nachteile menschlicher Grenzen.

Wenn man ein Dutzend Kopien in einer Fabrik installiert, werden sie alle Maschinen in Gang halten, vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage pro Woche, sie werden niemals ermüden, nichts übersehen, nichts vergessen.

Swanson rückte näher an Burckhardt heran. »Ich fürchte«, sagte er.

Sie waren jetzt am Ende der Halle angelangt, und die Geräusche waren lauter geworden. Es waren keine Maschiengeräu-sche, sondern Stimmen. Burckhardt ging vorsichtig zu einer halb offenen Tür und spähte hindurch.

Er blickte in einen kleineren Raum, in dem sich mindestens ein Dutzend Fernsehschirme befanden. Vor jedem saß ein Mann oder eine Frau, starrte auf den Bildschirm und diktierte Daten in ein Magnetophon. Jeder Monitor zeigte eine andere Szene.

Die Bilder schienen nur wenig gemeinsam zu haben. Eines zeigte einen Laden, wo ein Mädchen, gekleidet wie April Horn, Kühlschränke vorführte. Auf einem anderen Fernsehschirm waren mehrere Fotos von Küchen zu sehen. Und auf einem dritten erblickte Burckhardt den Zigarettenkiosk in der Halle des Contro Chemical-Bürohauses.

Es war verwirrend, und Burckhardt wäre gern noch eine Weile geblieben, um herauszufinden, was das alles zu bedeuten hatte. Aber in dem Raum saßen zu viele Leute, und die Gefahr, entdeckt zu werden, war zu groß.

Sie fanden ein weiteres Zimmer, ein großes, protziges Büro, in dem sich niemand aufhielt. Der Schreibtisch war mit Papieren übersät. Burckhardt warf zuerst nur einen flüchtigen Blick darauf, aber als die Worte, die auf einem der Blätter standen, seine Aufmerksamkeit erregten, weiteten sich seine Augen in ungläubiger Faszination.

Er griff nach dem Papier, das zuoberst lag, überflog es, nahm sich dann ein anderes vor, während Swanson hastig die Schubladen durchsuchte.

Burckhardt fluchte leise und ließ die Blätter auf den Schreibtisch fallen.

Swanson schenkte ihm kaum Beachtung und schrie entzückt: »Schauen Sie mal!« Er zog einen Revolver aus einem Schubfach. »Er ist sogar geladen!«

Burckhardt starrte ihn mit leerem Blick an und versuchte zu begreifen, was er da gelesen hatte. Als ihm bewußt geworden war, was Swanson gesagt hatte, begannen seine Augen zu leuchten. »Gut! Den nehmen wir mit. Wenn wir bewaffnet sind, werden wir hier ungehindert rauskommen. Aber wir gehen nicht zur Polizei. Nein, wir gehen nicht zu den Bullen von Tylerton, wir gehen zum FBI. Sehen Sie sich das mal an!«

Auf dem Blatt, das er Swanson reichte, stand die Überschrift: Bericht aus dem Testgebiet - Thema: Mariin-Zigaretten-Kampagne. Darunter waren Zahlentabellen zu sehen, die für Burckhardt und Swanson keinen Sinn ergaben. Um so interessanter war die Zusammenfassung am unteren Ende des Blattes.

Obwohl beim Test 47-K3 fast doppelt so viele neue Benutzer geworben wurden wie bei den anderen durchgeführten Tests, kann dieses Verfahren wahrscheinlich nicht in großem Umfang angewandt werden, und zwar wegen der örtlichen Lärmkontrollen. Die Tests der Gruppe 47-K12 erzielten die zweitbesten Ergebnisse, und wir empfehlen, mit diesem Appeal Wiederholungstests durchzuführen, wobei die drei besten Kampagnen mit und ohne zusätzliche Verkaufsförderungstechnik ablaufen sollten.

Ein Alternativvorschlag: Man könnte direkt mit dem Top Appeal der K12-Serien beginnen, wenn der Kunde nicht auf die zusätzlichen Tests reagiert.

Alle diese Prognosen werden mit achtzigprozentiger Wahrscheinlichkeit einem halben oder einem Prozent der im voraus berechneten Resultate entsprechen und werden mit neunundneunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit an fünf Prozent herankommen.

Swanson blickte von dem Papier auf und in Burckhardts Augen. »Ich verstehe das nicht«, klagte er.

»Das kann ich Ihnen nicht übelnehmen, Swanson«, sagte Burckhardt. »Es ist verrückt - aber es paßt alles zusammen. Das sind keine Russen und auch keine Marsmenschen. Das sind Werbefachleute. Irgendwie - der Himmel mag wissen, wie -haben sie Tylerton in ihre Gewalt bekommen. Uns alle, Sie und mich und noch zwanzig- oder dreißigtausend andere. Vielleicht hypnotisieren sie uns - vielleicht bedienen sie sich anderer Mittel. Aber was immer sie auch machen, sie richten es so ein, daß wir jeden Tag das gleiche Datum haben. Am Ende eines Tages analysieren sie, was passiert ist, und fangen am nächsten Tag mit einer neuen Werbekampagne an.«

Swansons Kinnlade klappte nach unten. Dann gelang es ihm, die Kiefer wieder zu schließen und zu schlucken. »Verrückt«, sagte er tonlos.

Burckhardt schüttelte den Kopf. »Natürlich - es klingt verrückt. Die ganze Sache ist verrückt. Wie sollte man es sonst erklären? Sie können nicht leugnen, daß die Bewohner von Tylerton immer wieder den gleichen Tag erleben. Sie haben es doch gesehen! Das ist das Verrückte an der ganzen Angelegenheit, aber wir müssen zugeben, daß es den Tatsachen entspricht - es sei denn, wir sind verrückt. Und wenn Sie sich einmal klargemacht haben, daß irgend jemand irgendeinen Weg gefunden hat, so etwas zustande zu bringen, dann ergibt alles Übrige einen Sinn. Denken Sie doch mal nach, Swanson! Sie testen jedes winzige Detail, bevor sie auch nur einen Cent für ihre Werbekampagnen ausgeben Haben Sie eine Ahnung, was das bedeutet? Gott allein weiß wieviel Geld da drin steckt, aber ich weiß, daß manche Firmen im Jahr zwanzig oder dreißig Millionen für die Werbung ausgeben. Multiplizieren Sie das mit - sagen wir mal - hundert Firmen. Und dann stellen Sie sich vor, daß jede einzelne Firma herausfindet, wie man die Werbungskosten nur um zehn Prozent verringern kann. Das ist der springende Punkt, glauben Sie mir! Wenn sie schon vorher wissen, auf was die Kunden positiv reagieren werden, können sie ihre Kosten auf die Hälfte senken. Vielleicht sogar auf weniger als die Hälfte, ich weiß es nicht. Sie würden also zwei- oder dreihundert Millionen pro Jahr sparen -und wenn sie davon nur zehn oder zwanzig Prozent bezahlen, um Tylerton benutzen zu dürfen, ist das immer noch spottbillig, und die Aktion bringt den Leuten, die Tylerton jetzt in ihrer Gewalt haben, ein Vermögen ein.«