Ich setzte meinen Weg fort.
Wenige Minuten später hatte ich die Zone der Hotelzelte erreicht und fand ohne Mühe die Schlangen vor den Tischen der Kaissabuchmacher. Es gab Dutzende von Tischen, vor denen ein großer Andrang herrschte.
Die Nacht wollte ich in einem solchen Zelt verbringen. Für fünf Kupfertarsks konnte man sich Felle und ein Plätzchen mieten. Das ist viel Geld, aber schließlich herrschte auf dem Jahrmarkt von En’Kara Hochbetrieb. In solchen Zelten kann es vorkommen, daß einfache Bauern dicht neben Kapitänen und reichen Kaufleuten schlafen. Während des En’Kara gehen manche Unterschiede zwischen den Kasten unter.
Leider werden in den Zelten keine Mahlzeiten serviert. Nach dem Preis zu urteilen, hätte man eigentlich ein Festessen erwarten können. Es gibt aber auf dem Gelände zahlreiche öffentliche Küchen und Tische. Außerdem bieten ambulante Händler Suppe, Gebäck oder Süßigkeiten an.
Ich stellte mich an eine der langen Schlangen.
Einen gewissen Ausgleich findet man allerdings in den Hotelzelten. Man kann Paga und Wein bestellen, die von Sklavinnen serviert werden, die gleich mit im Preis enthalten sind. Aber so angenehm das scheinen mag, man ist die ganze Nacht von kopulierenden Paaren umgeben und findet kaum Ruhe.
»Suppe! Suppe!« rief ein Mann.
»Suppe!« rief ich und hob die Hand. Für einen Kupfertarsk erstand ich eine Schale mit Suppe, in der heiße Boskstücke und poröse Brocken Sul schwammen.
»Für wen bist du beim großen Spiel?« fragte ich.
»Für Scormus aus Ar«, sagte er.
Ich nickte. Als ich gegessen hatte, reichte ich ihm die Schale zurück. Ich fürchtete, daß sich zu viele Leute für Scormus entscheiden würden. Trotzdem würde ich auf ihn setzen. Allerdings gefiel mir nicht, daß ich einen Gold-Tarn ausgeben mußte, um einen Silbertarsk dazuzugewinnen.
Auf Hügeln zu beiden Seiten des Amphitheaters waren goldene Zelte aufgestellt. In einem residierte Scormus aus Ar, in dem anderen, das sich auf der anderen Seite der großen Anlage befand, sollte Centius aus Cos einziehen.
»Haben Sie schon um das Gelb gezogen?« fragte ich.
»Nein«, antwortete der Mann.
Normalerweise würden viele Leute ihre Wetten zurückhalten, bis bekannt war, welcher Spieler das Gelb hatte, das über den ersten Zug entschied – und dieser erste Zug bestimmte natürlich die Eröffnung.
Doch es wurde bereits lebhaft gewettet.
Ich machte mir meine Gedanken über die Auswirkungen, die das Ziehen des Gelb auf die Quoten haben würde. Wenn Centius anfangen durfte, so sagte ich mir, würden sich die Quoten zu Gunsten Scormus’ etwas reduzieren, aber vermutlich nicht viel; sollte jedoch Scormus das Gelb ziehen, mochten die Quoten dermaßen zu seinen Gunsten steigen, daß sich eine vernünftige Wette nicht mehr plazieren ließ. Nur wenige Leute würden unter solchen Umständen eine Wette von zwanzig zu eins annehmen. Ich vermutete ohnehin, daß ich mindestens zehn zu eins auf Scormus setzen mußte, der als absoluter Champion galt. Mein Blick fiel auf einen Mann aus Cos, der einige Plätze vor mir in der Schlange stand. »Auf wen setzt du?« fragte ich ihn.
»Auf Centius aus Cos«, antwortete er herausfordernd.
Ich lächelte vor mich hin. Das würden wir sehen. Ich fragte mich, ob sein Patriotismus bis zum Wettisch anhalten würde.
»Schaut!« rief jemand.
Ich war noch etwa zwanzig Mann vom Tisch entfernt.
Zwei Gruppen von Männer lösten sich von den goldenen Zellen und näherten sich dem Amphitheater von beiden Seiten. In diesen Gruppen befanden sich Scormus aus Ar und Centius aus Cos. Der Vorsitzende der Kaste der Spieler erwartete die beiden Meisterspieler sicher jetzt im Amphitheater, wo unter Beobachtung von Abgesandten aus Cos und Ar die Farbe der Spielsteine bestimmt werden sollte. Zwei Speerträger wurden in einen Helm gelegt, der mit einem Tuch zugedeckt wurde.
Ich atmete auf. Es sah so aus, als würde ich meine Wette vor dem großen Ereignis plazieren können. Sollte Scormus das Gelb ziehen und ich meine Wette noch unterbringen müssen, würde ich kaum noch etwas gewinnen können, selbst wenn ich viel einsetzte.
»Beeilung!« rief jemand. »Beeilung!«
Die beiden Gruppen waren im Amphitheater verschwunden.
»Jeden Augenblick wird die Standarte von Ar oder Cos aufgezogen!« rief ein Mann.
Noch zwei Männer waren vor mir.
Dann nur noch einer.
»Der nächste!« rief der Buchmacher ungeduldig.
Ich stand am Tisch.
»Vierzehn zu eins für den Champion aus Ar«, sagte er.
»Vierzehnhundert Gold-Tarn auf Ars Champion.«
»Wer bist du?« fragte der Buchmacher. »Hast du den Verstand verloren?«
»Ich bin Bosk aus Port Kar«, antwortete ich.
»Die Wette gilt«, sagte er. »Kapitän!«
Ich signierte das Blatt mit dem Zeichen des Bosk.
»Seht!« rief ein Mann. »Seht!«
Über dem Amphitheater, am obersten Rand der Tribünen, stand ein Mann und hob die Standarte von Ar.
Ich trat zur Seite. Lautes Gebrüll wurde laut. Männer aus Ar fielen einander in die Arme.
»Der nächste!« rief der Buchmacher. »Sechsunddreißig zu eins zugunsten des Champions aus Ar.«
Der Mann hinter mir ächzte leise.
Ich grinste und entfernte mich. Ich hätte mir eine noch bessere Quote gewünscht, doch ich hatte mein Geld gesetzt, ehe sich die Wetten gegen den armen Centius aus Cos mehr als verdoppelt hatten. So hatte ich nun die Chance, hundert Gold-Tarn zu gewinnen. Meine Stimmung war gut.
Ich wandte mich dem Hauptmarkt zu. Dort wollte ich mir die Waren ansehen. Vielleicht konnte ich mir für die Nacht ein Mädchen kaufen und sie am Morgen wieder veräußern.
Minuten später entdeckte ich die seidige Spitze des riesigen Verkaufszelts, das blau und gelb im Wind wogte und dessen bunte Wimpel lebhaft flatterten.
Männliche Sklaven schoben vor mir einen Karren, der mit Pflastersteinen gefüllt war. Das Fahrzeug hinterließ in der regenfeuchten Erde tiefe Spuren.
Ich roch Verr, die gut eine Meile entfernt in engen Gehegen eingeschlossen waren. Die Luft war klar und frisch.
Ich erreichte das große Verkaufszelt; es war jedoch mit Seilen abgesperrt und lag stumm da. Um so mehr Betrieb herrschte zwischen den Plattformen. Da und dort wurde Essen an Sklavinnen ausgegeben.
Ich mischte mich unter die Menge, die zwischen den Plattformen herumschlenderte; es gab sie zu Hunderten, Podeste, etwa einen Fuß hoch, von einzelnen Sklavenhändlern gemietet.
Ein Mädchen, das in schweren Ketten auf ihrer Plattform kniete, streckte mir die Hände entgegen und flehte: »Kauf mich, Herr!« Weiter hinten sah ich zwei Mädchen Rücken an Rücken stehen, sie waren an den Händen gefesselt. Die meisten Sklavinnen aber knieten oder saßen auf den Plattformen.
»Süßigkeiten! Süßigkeiten!« rief ein Händler hinter mir in der Menge. »Köstliche Leckereien aus Ar!«
»Kauf lieber diese Süßigkeit aus Ar!« lachte mich ein angekettetes Mädchen an. Ich fuhr ihr über den Kopf, und sie ergriff meine Hand mit gefesselten Händen und küßte mir verzweifelt die Finger. »Bitte!« flehte sie schluchzend. »Bitte!«
Auf einer anderen Plattform wurden die Sklavinnen gerade mit Essen und Wasser versorgt.
Die Verkäufe fanden in der Regel abends im großen Zelt statt, bei Fackelschein, doch viele Mädchen gingen auch tagsüber direkt von den Plattformen an ihre neuen Herren. Das Angebot ist eben zu groß, als daß alle in der Auktion vorgestellt werden konnten.