»Machen wir.«
»Und sorgt dafür, daß das Gitter hier wieder angebracht wird.«
»Wir sorgen dafür.«
»Warum ist es offen?« fragte einer der Männer.
»Ich habe es überprüft.«
»Oh.«
»Du hast das Heizgerät deines Anzugs nicht abgeschaltet. Da baut sich die Ladung sehr schnell ab.«
Ich drückte auf den weiter hervorstehenden Knopf an dem kleinen Kasten.
»Ich habe das auch einmal vergessen«, sagte einer der Männer. »Man muß da sehr aufpassen, da sich der Anzug den Temperaturen anpaßt.«
»Vielleicht sollte man auf dem Kästchen ein Licht anbringen«, meinte ich.
»Das könnte man aber im Dunkeln sehen«, sagte einer der Männer.
»Da hast du natürlich recht«, sagte ich.
Ich ließ sie stehen. Sie machten sich hinter mir an die Arbeit, das Gitter in den Ventilatorenschacht einzusetzen.
In den Korridoren begegneten mir nur wenige Menschen. Einmal wich ich zwanzig Mann aus, die zu zweit nebeneinander durch einen Gang eilten.
Sie standen unter dem Kommando eines Leutnants und waren ausnahmslos bewaffnet.
Vermutlich waren sie auf dem Weg an die Oberfläche, um bei der Suche und den Ermittlungen zu helfen, die dort oben längst im Gange sein mußten. Es war nur eine Sache der Zeit, bis der aufgesprengte Ventilatorenschacht gefunden wurde.
Das Mädchen, das sich im Korridor näherte, war sehr schön. Sie war natürlich Sklavin, in durchsichtige braune Arbeitssklavenseide gehüllt, die um ihre Hüften verknotet war. Sie hatte langes braunes Haar. Von ihrem Kragen führte eine lockere Kette zur Schiene an der Decke.
Gehorsam kniete sie nieder, als ich sie ansprach.
»Ich bin neu in dieser Station«, sagte ich, »und brauche ein paar Auskünfte.«
»Ja, Herr«, sagte sie.
»An deinem Kragen befinden sich zwei schmale gelbe Streifen«, sagte ich.
»Das ist so, weil ich ein ›gelbes Mädchen‹ bin.«
»Wie heißt du?«
»Belinda«, antwortete sie. »Wenn es dem Herrn gefällt.«
»Ein hübscher Name.«
»Vielen Dank, Herr.«
»Was für Mädchen gibt es hier sonst noch?«
»Es gibt fünf verschiedene Farbkodierungen für die Kragen«, antwortete sie. »Rot, orangerot, gelb, grün und blau. Jede Farbe gewährt dem Mädchen ein unterschiedliches Ausmaß an Freiheit an den Schienen.«
»Trägst du die Kette immer?«
»Nein, Herr«, antwortete sie. »Nur wenn ich einen Auftrag bekommen habe, etwas zu holen oder zu bringen. Sonst lebe ich hinter verschlossenen Türen.«
»Tragen alle Mädchen kodierte Kragen?«
»Nein, Herr. Die wirklichen Schönheiten werden zum Vergnügen der Männer in besonderen Räumen gehalten.«
»Erklär mir das Farbsystem«, forderte ich.
»Blau hat den kleinsten Aktionsradius«, begann sie. »Das Grün kann überall dorthin gehen, wo auch Gelb Zutritt hat, und weiter. Ich bin ein gelbes Mädchen. Ich kann die blauen und gelben Schienen abgehen und gewisse Bereiche darüber hinaus. Ich darf dann wieder nicht so weit gehen wie der orangerote Kragen. Wo ich aufgehalten werde, können die orangeroten Mädchen weitergehen. Die größte Freiheit genießt ein Mädchen mit zwei roten Streifen.«
Sie blickte mich von der Seite an. »Aber der Herr muß diese Dinge doch wissen.«
Ich drängte sie heftig an die Wand.
»Verzeih mir, Herr!« hauchte sie mit einem Blick auf meine Waffe. »Ich werde nichts sagen!«
Ich ließ sie stehen und eilte weiter. Weitere Männer kamen mir entgegen, außerdem zwei Mädchen. Ich sah mir ihre Halskragen an. Die eine war, ein blaues, die andere ein gelbes Mädchen.
Ich schritt energisch aus. Trotzdem bot sich mir der Komplex als Labyrinth dar. Vermutlich kannte keiner der Menschen hier die Position des Geräts, nach dem ich suchte. Und ein Kur würde sie mir nicht verraten.
Ich begann zu laufen.
Plötzlich jaulte eine Sirene los. Der Ton hallte gellend durch die Stahlkorridore.
Beim Anblick eines braunschwarz gekleideten Mannes ging ich langsamer. »Oben gibt es einen Eindringling!« sagte ich laut zu ihm.
»Nein«, gab er zurück. »Es wurde an der Oberfläche ein aufgesprengter Ventilationsschacht gefunden. Man hat Grund zu der Annahme, daß der Mann sich bereits in der Station befindet.«
»Natürlich, die Sirene!« sagte ich. »Ein Alarm.«
»Halt die Augen offen!« sagte der andere.
»Ganz bestimmt«, sagte ich.
Wir eilten weiter und verloren uns aus den Augen. Ich achtete auf das System der Deckenschienen. Ich erreichte eine Korridorgabelung.
Die Schienen, denen ich eigentlich bis zum Ende hatte folgen wollen, teilten sich hier ebenfalls, und in jeder der beiden Korridore waren ein Stück entfernt weitere Weichen auszumachen. Zweifellos führte das Schienennetz bis in die letzten Ecken, zumindest beinahe bis in die letzten Ecken dieser Ebene und über Treppen und Tunnel sicher auch in andere Stockwerke. Die Sirene schrillte unentwegt Ich fluchte leise vor mich hin. In den Korridoren gab es da und dort Überwachungskameras unter der Decke. Ich sah, wie sich ein solches Gerät suchend hin und her bewegte. Anscheinend hatte die Wächteruniform, die ich angelegt hatte, als Verkleidung bisher ausgereicht. Ich begab mich in einen der Flure, in dem Bemühen, nicht unentschlossen oder ziellos zu erscheinen. Es sollte so aussehen, als kenne ich mich hier aus. Als ich zurückschaute, hatte sich die Linse schon wieder in eine andere Richtung gedreht. Sie war mir nicht gefolgt. Wieder kamen mir zwei Männer entgegen; sie trugen die gefährliche Röhrenwaffe.
Es mußte sehr lange dauern, die riesige Station bis in die letzten Ecken zu durchkämmen. Ich wußte nicht, wo sich die entlegensten Zonen befanden, die mit den Schienen noch erreicht werden konnten, oder wo die Lücken in der Kameraüberwachung lagen. Der Sprengsatz, davon war ich überzeugt, befand sich in einem Bereich, der mit den Schienen nicht zu erreichen war und der sicher auch nicht mit Kameras eingesehen werden konnte. Ich machte mir klar, daß keiner der Überwachungsbildschirme in Zarendargars Unterkunft einen solchen Sprengkörper gezeigt hatte.
Das Mädchen, das mir vorhin Auskunft gegeben hatte, war eine »Gelbe« gewesen. Ich brauchte eine »Rote«.
Ärgerlich blickte ich zu den Schienen empor. An einem der Endpunkte, vermutlich dem entlegensten, begann die Zone, in der das Gesuchte lag.
Die Sirene stellte das Lärmen ein, und aus Lautsprechern tönte eine Stimme. »Bindet alle Sklaven fest«, befahl sie auf Goreanisch. »Alle Mann begeben sich auf ihre Posten.« Diese Anordnung wurde fünfmal wiederholt. Männer rannten an mir vorbei. Dann herrschte Stille in den Korridoren.
Eine vernünftige Maßnahme.
Ich stieß eine Tür auf. Dahinter war ein Mann damit beschäftigt, Sklavinnen festzubinden. Zehn Mädchen knieten in einer Reihe vor einer Stahlwand. »Ich beeile mich ja schon!« sagte er bei meinem Anblick. Ich sagte nichts. Er legte dem letzten Mädchen Handschellen an, die an der Wand befestigt waren, steckte den Schlüssel ein und eilte weiter.
Auf einer Seite hingen mehrere unbenutzte Schienenketten mit Kragenschlössern. Ich suchte mir eine heraus, die zwei rote Streifen aufwies. Die Kugel an dieser Kette hatte in der Station die größte Reichweite.
Dann ging ich an der Kette der Mädchen entlang und sah mir die schmalen Kragen an, die sie trugen. Nur zwei waren mit den schmalen roten Streifen ausgezeichnet.
»Wo ist der Schlüssel zu euren Ketten?« fragte ich.
»Der Aufseher hat sie, Herr«, antwortete die eine.
Das hatte ich schon befürchtet. Ich hatte nicht den Versuch gemacht, den Sklavenwärter zu töten, Wenn er nicht an seinem Posten auftauchte, war das ein sicherer Hinweis auf meinen Aufenthaltsort in der weitläufigen Anlage.
Zornig blickte ich mich um.
Die roten Mädchen bekam ich nicht frei; sie waren zu gut festgemacht. Ich hatte keine Zeit, mich für die Schlösser zu interessieren.
Ich packte eine der roten Ketten und zog sie an der Schiene entlang. So verließ ich den Raum, in dem die Mädchen festgemacht waren. Wenn ich die Sprengung in Gang bringen konnte, wurden hoffentlich nur jene Teile der Station vernichtet, in denen Munition und anderes Kriegsmaterial lagerten. Vielleicht gelang es Imnak ja auch, die Mädchen zu finden und zu befreien. Ich hatte ihm aufgetragen, möglichst viele Mädchen aus dem Komplex zu führen. Doch welche Überlebenschancen hatten sie in ihrer Sklavenaufmachung draußen in der Polarnacht? Ich verdrängte den Gedanken. Ich war Goreaner; ich hatte eine Aufgabe. Sie waren nur Sklavinnen.