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»Für einen Mann aus dem Süden äußerst du dich sehr klar«, gab er zurück und hielt mir den Boskschinken hin. Ich packte den Knochen mit beiden Händen und biß kräftig ab. Seit meiner Ankunft am frühen Morgen hatte ich noch nichts zu mir genommen.

»Vielen Dank«, sagte ich.

»Ich heiße Oleg.«

»Man hat mich im Norden Jarl Rothaar genannt«, antwortete ich.

»Jarl!« rief er. »Verzeih mir. Das wußte ich nicht!«

»Das Fleisch ist gut.« Ich gab ihm den Knochen zurück.

»Ich hab mit dir gekämpft«, sagte er, »im Lager der Ungeheuer. einmal sah ich dich bei den Zelten Thorgards aus Scagnar.«

»Ein guter Kampf.«

»Und ob!« rief er und schnalzte mit den Lippen.

»Herrscht Ruhe im Norden?« fragte ich. »Oder stiften die Kurii in Torvaldsland viel Unheil?«

»Nein«, sagte er. »Es gibt nur wenige Zwischenfälle. Der Norden ist ruhig.«

»Gut.« Die Kurii waren in Torvaldsland also nicht aktiv. Sie waren von den Männern mit den hochgebauten Versammlungshäusern aus ihrem felsig-öden Land vertrieben worden.

Er grinste mich an.

»Gute Jagd auf den Sklavenmärkten«, sagte ich.

»Ja, Jarl«, antwortete er grinsend und wandte sich dem nächsten Sklavenmarkt zu. Im Gehen warf er den großen Knochen zur Seite und wischte sich die Hände an der Jacke ab. Auf seiner Schulter hing die mächtige Torvaldsland-Axt.

Es hatte in der Nacht geregnet, und die Straßen des Jahrmarkts waren verschlammt. Ich bog in eine feuchte Gasse ein, an der Töpfer und Weber ihre Stände aufgeschlagen hatten. Ich nahm mir vor, mein Heil in der Straße der Münzen zu versuchen, wo die Buchmacher vielleicht ihre Tische aufgestellt hatten.

Ich bog um die nächste Ecke.

»Kauft Silber aus Tharna!« rief ein Mann. »Das beste Silber auf ganz Gor.«

Er stand in einer Bude hinter einem Tresen. Wie in Tharna üblich, trug er zwei gelbe Schnüre als Gürtel, jeweils achtzehn Zoll lang. Im Hintergrund kniete eine nackte Sklavin.

Ich trat zur Seite, um einer Prozession der Kaste der Wissenden Platz zu machen. Die Kaste der Wissenden ist eine reiche Kaste. Mit Glockenklang und qualmenden Weihrauchgefäßen marschierten die Reihen der Männer an mir vorbei. Sie waren auf dem Weg zum Palisadenzaun. Der Wissende, der die Gruppe anführte, trug eine Standarte mit dem Zeichen der Priesterkönige, einem goldenen Kreis – ein Symbol ohne Anfang oder Ende, das Zeichen der Ewigkeit. Die Männer trugen weiße Roben und hatten sich die Köpfe kahlgeschoren.

»Wo werden Wetten auf die Kaissaspiele angenommen?« fragte ich den Silberhändler aus Tharna.

»Das weiß ich nicht.«

»Ich danke dir.« Gleich darauf wandte ich mich mit meiner Frage an einen kleinen Mann in der Kleidung der Lederarbeiter. An seiner Mütze trug er die Farben von Tabor.

»Das würde ich auch gern wissen«, gab er zurück.

»Bist du für Scormus aus Ar?«

»Und ob!«

Ich nickte und nahm mir vor, nach einem Kaufmann zu suchen, der zu den Organisatoren gehörte, oder mich an einem der Informationsstände zu erkundigen.

Wieder trat ich zur Seite. Durch den Gang zwischen den Zelten kamen vier Männer in der weiten Kleidung der Tahari. Sie waren verschleiert. Der erste führte eine gemächlich ausschreitende Sand-Kaiila am Zügel, auf der eine geschlossene seidene Kurdah-Sänfte festgeschnallt war. Die Männer hatten die Hände an den Griffen ihrer Krummschwerter. Ich wußte nicht, ob die Kurdah eine hochstehende freie Frau enthielt oder vielleicht eine kostbare Sklavin, nackt und juwelenbehängt, die zu einem Privatverkauf gebracht wurde.

Zwei Angehörige der Wagenvölker gingen vorbei, dichtauf gefolgt von einem Mann in einer weiten turianischen Robe. Auf dem Jahrmarkt herrscht wahrhaftig Waffenstillstand.

Gleich darauf kamen mir sechs junge Leute in weißer Kleidung entgegen. Ich wußte, was sie vorhatten: sie würden vor dem Palisadenzaun stehen und den geheimnisvollen Bewohnern des Sardargebirges, den Priesterkönigen, ihre Ehrerbietung darbringen.

Von jedem jungen Goreaner wurde vor dem fünfundzwanzigsten Lebensjahr eine solche Pilgerwanderung zum Sardargebirge erwartet, zur Ehre der Priesterkönige, der eigentlichen Herrscher von Gor. Die meisten haben damit keine Probleme, einige jedoch fallen Banditen und Sklavenhändlern in die Hände. Mehr als eine Schönheit, die eigentlich nur auf den Plattformen vor dem Gebirge hatte beten wollen, landete statt dessen als hilflos gefesselte Sklavin auf den Auktionsblöcken dieses Jahrmarkts.

Neben mir kreischten bunte Vögel auf ihren Stangen. Sie wurden von Kaufleuten aus Schendi feilgeboten, die diese Tiere in den Regenwäldern des Landesinneren fingen. Die Männer trugen schwarze Gesichtsmasken und bunte Tuniken.

In der Menge bewegten sich zahlreiche Sklavinnen im Dienste ihrer Herren.

Ich verweilte einen Augenblick lang und verfolgte eine Puppenaufführung. Auf der Bühne stritten sich zwei Gestalten und droschen mit Knüppeln aufeinander ein.

Zwei Bauern schoben sich an mir vorbei. Sie trugen primitive knielange Tuniken aus der weißen Hurt-Wolle. In den Händen hielten sie Stäbe und über den Schultern Kornsäcke. Ein dritter Angehöriger der Kaste führte zwei Milch-Verr durch die Ladenstraße; offenbar hatte er die Tiere neu erworben.

Ich wandte mich wieder der Puppenbühne zu. Dort lief die Geschichte des Ubar und des Bauern ab. Die beiden, erschöpft von ihren Aufgaben, beschließen die Rollen zu wechseln. Natürlich erweist sich das für keinen der beiden als angenehm. Der Ubar muß feststellen, daß er den Bosk nicht lenken kann, während der Bauer entdeckt, daß auf den Steinen der Städte kein Korn wächst. Beide können aus ihrer Haut nicht heraus. Schließlich kehrt der Ubar dankbar auf seinen Thron zurück, während der Bauer dankbar seine Felder wiedersieht und noch Zeit zur Frühlingsaussaat hat. Bei seiner Rückkehr beginnen die Felder voller Freude zu singen. Goreaner lieben solche Geschichten, die Kasten sind ihnen heilig.

Weiter vorn in der Menge bewegte sich ein untersetzter Mann, breitschultrig und muskulös, offenbar sehr kräftig. Obwohl der Winter gerade erst vorbei war, war er bis zur Hüfte unbekleidet. Seine Haut war dunkel, rötlich wie Kupfer, das Haar blauschwarz und einfach getrimmt, seine Augen waren geschlitzt. Über einer Schulter lag ein zusammengerolltes geflochtenes Seil aus Sleenleder, und in seiner Hand hatte er einen Sack und ein zusammengeschnürtes Bündel Felle. Auf seinem Rücken bewegten sich ein Köcher mit Pfeilen und ein kurzer Bogen aus aufeinandergeschichtetem Horn, mit Sehnen zusammengebunden.

Solche Männer sind auf Gor nur selten zu sehen – Bewohner des Polarbeckens.

Die Herde von Tancred war nicht in den Norden zurückgekehrt. Ich fragte mich, ob er davon wußte.

Ich hatte dafür gesorgt, daß Samos ein Schiff mit Proviant in den Norden schickte.

Im nächsten Augenblick war der Fremde in der Menge untergetaucht. Dafür entdeckte ich einen Kaufmann mit dem Zeichen der Jahrmarktsorganisatoren an der Mütze. Hinter ihm standen zwei Wächter mit Peitschen.

»Wo finde ich die Tische der Buchmacher für das Kaissaspiel?« fragte ich.

»Man hat sie erst heute früh aufgestellt«, antwortete er. »Du findest sie in der Nähe der Schlafzelte nahe dem Amphitheater.«

»Vielen Dank, Offizier«, sagte ich.

»Es stehen dort schon lange Schlangen.«

»Ich wünsche dir alles Gute«, sagte ich und wandte mich ab. Eine Sklavin, die sich an mir vorbei drängte, lächelte mir einladend zu.

Ich bog in die Gasse der Andenkenhändler und Kunsthändler ein. Mein Ziel waren die Hotelzelte nahe bei dem Amphitheater.

Gleich darauf fiel mein Blick auf den Mann aus der Polarregion. Er verhandelte mit einem korpulenten Händler, dem einer der Stände gehörte. Hinter dem Tresen stand außerdem ein hagerer Schreiber. Anscheinend sprach der Mann aus dem Norden kaum Goreanisch. Er nahm Gegenstände aus dem Fellsack, den er bei sich führte. Der dicke Mann hinter dem Tresen untersuchte sie. Die Gebilde ließen sich nicht hinstellen, denn sie waren am Fuß gerundet, Formen, wie man sie in der Natur findet. Sie waren dazu bestimmt, in einem Beutel mitgeführt und von Zeit zu Zeit herausgenommen und betrachtet zu werden. Alle Details müssen vollkommen sein, aus jedem Blickwinkel – wie in der Natur. Es handelte sich um Darstellungen von Meeres-Sleen und Fischen und Walfischen und Vögeln und anderen großen und kleinen Lebewesen des Nordens. Die Kunstwerke waren aus einem weichen bläulichen Stein geschnitzt, und aus Elfenbein und Knochen.